Ein ganz normaler Partyabend in der Rosenau, Ende der 90er Jahre Ende 90er: Als die Rosi noch die Rosi war

Von Thorsten Gütling
Bayreuth trauert um die Rosenau. Ende der 90er hatte die Diskothek ihre Blütezeit, findet Kurier-Reporter Thorsten Gütling. Foto: red Foto: red

Ein paar Mal wurde sie umgebaut und aufgehübscht. Aber nie hatte die Rosenau mehr Charme als Ende der 90er Jahre. Als hin und wieder das Wasser der Toiletten auf die Tanzfläche schwappte und der Gips von der Decke rieselte.

 
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In die Rosenau ging man nicht nüchtern. Früh am Abend traf man sich am Markt, da hatte die Spirituosenabteilung des Hertie noch bis 20 Uhr geöffnet. Von dort aus zog man zum Vorglühen weiter in Richtung Ehrenhof, Schlossberglein oder zu den Garagen hinter der Rosenau. Die Hauswände und Hecken dienten der Erleichterung. Später am Abend auch irgendwann die Mülltonnen der Anwohner. Im Obergeschoss der McDonalds-Filiale, die es damals noch am Markt gab, sah es wüst aus. Nicht selten klebten Burgerbrötchen an den Scheiben, nachdem die vorglühende Meute in die Rosenau weitergezogen war.

Ein Ausweis als Erkennungszeichen

Als die Rosi noch die Rosi war, hatten die Stammgäste ein Erkennungszeichen: den Mitgliedsausweis des sogenannten „CKM-Clubs“. Was die Buchstaben bedeuteten und wer dahinter steckte, interessierte eigentlich niemanden. Wichtig war, dass man mit dem Ding ein bisschen günstiger in die Rosi kam. Die lilafarbenen Ausweise waren schlecht laminiert, mussten mit Edding ausgefüllt und jedes Mal an der Kasse vorgezeigt werden. Eineinhalb Jahrzehnte vor Studi-VZ, Facebook und Co bekamen die jungen Bayreuther von ihren Eltern zum ersten Mal zu hören, dass sie mit ihren persönlichen Daten zu lax umgehen.

Ein Haustrunk namens kalte Muschi

Drinnen, in der Rosi, betrank man sich nicht irgendwie, sondern mit Aktienpils, Tequila und kalter Muschi. Ersteres gab es nicht selten lauwarm und aus 0,33-Liter-Flaschen. In wohl keiner anderen Lokalität hätte man darüber so großzügig hinweg gesehen wie in der Rosi. Tequila gab es stundenweise billiger. Eine Happy-Hour bildete für gewöhnlich den Anfang einer langen Partynacht – und nicht selten den Anfang vom Ende.

Kalte Muschi war der Haustrunk. Das Getränk, dessen Name dem Trinker im zarten Oberstufenalter noch beim Bestellen die Röte ins Gesicht trieb, wurde im Seidla serviert. Das Rezept: Cola und billiger, trockener Rotwein. Wer sich mit den Damen hinter dem Tresen gut stellte, der bestellte sich zur Happy-Hour gleich ein Dutzend Gläser davon und ließ sich die kalten Muschis im Kühlschrank kaltstellen.

An der Ecke Münzgasse/Badstraße steht eine Bank. In der Hecke daneben wurden die Schnapsflaschen gebunkert. Wenn eine Happy-Hour zu Ende war, traf man sich dort wieder, um Sauren Apfel, Erdbeerlimes oder Anderes in sich hinein zu schütten.

Angeschlagen auf der Mauer

Von einem Rauchverbot war in den 90ern noch lange keine Rede. Ob die Nebelmaschinen an oder aus waren, machte in der Rosenau kaum einen Unterschied. Vor die Tür ging man nicht zum Rauchen, sondern um Luft zu holen, um den Sinn oder Unsinn einer Beziehung zu diskutieren, oder um sich um die angeschlagensten Mitglieder der Gruppe zu sorgen. Um die, die man drinnen seit Stunden nichtmehr gesehen hatte, weil sie draußen auf dem Mäuerchen saßen. Die Ellbogen auf die Knie gestützt, den Kopf unkontrolliert baumelnd.

Wenn das Klo überschwappt

Es gab Abende, da standen die Feiernden auf der Tanzfläche knöcheltief im Wasser. Dann war in der Damentoilette wieder irgendwas kaputt oder verstopft. Gestört hat sich daran aber niemand. Schon gar nicht daran, dass die Spiegel in den Toiletten wegen der hohen Luftfeuchtigkeit eigentlich immer blind waren.

Mit dem Kopf durch die Wand

Wer sich so richtig wichtig vorkam, der tanzte nicht einfach auf der Tanzfläche, sondern auf einer der dunkelbraunen dreistufigen Holzbänke. Erklangen die ersten Töne eines HipHop-Klassikers „Jump around“, hatten die, die auf den unteren Stufen saßen, wegen denen, die auf den oberen tanzten, kleine weiße Klumpen im Glas. Weil regelmäßig einer, der da oben herumsprang, mit dem Kopf eine der Gipsplatten der Decke durchschlug. Die großen Bänke wurden später aussortiert und standen fortan im Kommunalen Jugendzentrum.

Bier gegen Perso

Wer den richtigen Türsteher kannte, der konnte gegen zwei, drei Bierchen aushandeln, dass er auch als Minderjähriger um Mitternacht nicht gehen musste. Ein anderer Weg um den vorher abgegebenen Ausweis zurückzubekommen: den großen Bruder vorschicken. Der bläkte dem Türsteher dann im größten Getümmel irgendetwas von „Schwester zuhause“, „gerade angerufen“, „Ausweis vergessen“ ins Ohr. Hat auch oft geklappt.

New York, New York

Am Ende einer jeden Nacht spielte Dj Hami, oder wer gerade an den Plattentellern stand, immer „New York, New York“ von Frank Sinatra. Oft bahnte sich das durch „Papa Chico“ von Tony Esposito an. Wer das noch bemerkte, den trafen die Lichtstrahlen der angehenden Lampen nicht ganz so unerwartet.

Nicht selten schwang ganz zum Schluss auch noch einer der Türsteher, tief in sich gekehrt, das Tanzbein. Die Biere, die ihm spendiert wurden, damit er die Ausweise der Minderjährigen auch nach Mitternacht noch herausrückte, waren auch an ihm nicht spurlos vorbei gegangen. Jetzt war klar: Den nächsten Musikwunsch erfüllt der Dj nicht mehr. Es war fünf Uhr und draußen wurde es hell.

Ach Rosi, du fehlst.

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