Einradfahrer Alexander ist Spitze

Von Marcel Staudt
Hinter dem Münchner Rathaus übt Alex Ladikoff auf einem Holzbalken. Der gebürtige Auerbacher ist fünffacher deutscher Meister in der Einrad-Disziplin Flatland.⋌ Foto: red Foto: red

Dass ein Kind einmal der Beste des Landes in einer Sportart wird, weil es in der Apotheke ein Magazin durchblättert, klingt abwegig. So fängt aber die Geschichte des Auerbachers Einradfahrers Alexander Ladikoff an.

 
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Was auch immer sich die Macher des Blättchens Medizini dachten, als sie 2006 ein blondes Mädchen abgebildet haben, wie es mit einem Einrad einen Berg hinauf fährt: Sie sind zumindest ein bisschen daran beteiligt, dass der damals zwölfjährige Ladikoff mittlerweile fünffacher deutscher Meister in der Einrad-Disziplin Flatland ist.

Niemand in der Bundesrepublik zeigt auf glattem Boden ohne Hindernisse bessere Tricks als der 22-Jährige. Erst vergangenes Wochenende in Oberhof (Thüringen) hat er das mit dem ersten Platz bei der deutschen Meisterschaft beweisen.

Videos im Internet

„Ich erinnere mich noch ganz genau an dieses Bild im Magazin“, sagt Ladikoff, damals wurde mir klar: ich will auch ein Einrad haben.“ Bekanntlich gibt es vieles, was Zwölfjährige unbedingt wollen – und sich nach kurzer Zeit nicht mehr dafür interessieren. Der Meinung war auch Ladikoffs Mutter. „Sie meinte, das Einrad steht doch zwei Wochen später eh’ in der Kellerecke.“ Also: kein Einrad.

Freund aus Berlin

Ein Jahr später bekam die Familie Besuch von einem Freund aus Berlin. Der 67-Jährige hatte sich ein Einrad gekauft, aber schnell festgestellt, dass dieser Balance-Akt nichts für ihn ist. Also schenkte er es bei seinem Besuch Alexander Ladikoff – ohne zu wissen, dass damit für den Jungen ein großer Wunsch in Erfüllung geht. Fortan trainierte der Zwölfjährige im Hof, nach fünf Tagen konnte er schon Kurven fahren. Dann stand das Einrad wie prophezeit in der Kellerecke.

Die „Pöham Brothers“

Erst durch ein paar Youtube-Videos, die ihm sein großer Bruder zeigte, wurde Ladikoffs Leidenschaft erneut geweckt. Besonders die Tricks der Österreicher Raphael, Lorenz und Elias Pöham – in der Szene bekannt als „Pöham Brothers“ –, begeistern ihn. Er lernt schnell, filmt sich dabei, wie er kleine Stufen hinaufspringt, präsentiert die Videos im Internet.

2008 traut sich Ladikoff die Teilnahme am Muni & Trial Weekend 2008 zu, hier zeigen die Einradfahrer in verschiedenen Disziplinen für ein Wochenende ihr Können. Der Auerbacher hat noch keine Chance auf die vorderen Plätze, die „Pöham Brothers“ dominieren. „Das war noch der letzte Ansporn, den ich gebraucht habe“, sagt Ladikoff.

500 Konkurrenten

2009, also nur zwei Jahre nachdem er zum ersten Mal auf einem Einrad stand, fühlt er sich bereit für die Elite des Landes. Aber: Wieder ist die Mutter dagegen. „Sie hat gesagt, ich soll lieber noch üben. Ich habe sie angefleht, dass wir trotzdem nach Dresden fahren und ich dort starte. Ich wusste, dass ich gut genug bin.“ Diesmal setzt sich der Sohn durch und behält recht. Er ist gut genug, um es mit rund 500 Konkurrenten in der Disziplin Flatland aufzunehmen. Und: Er ist gut genug, um sie alle zu schlagen.

Der Titel löst einen kleinen Einrad-Boom in Auerbach aus. Plötzlich kommen Leute am Haus der Familie vorbei, nur um Ladikoff fahren zu sehen. Wenigstens für ein paar Minuten. Die Aufmerksamkeit überrascht den deutschen Meister. „Ich habe wenigstens 40 Kinder auf Einrädern gesehen. Dabei hätte ich nie gedacht, dass sich plötzlich so viele Menschen für den Sport interessieren würden.“ Aktuell gibt es nur noch wenige Gelegenheiten, den Auerbacher beim Einradfahren im Hof des Elternhauses zu sehen. Seit eineinhalb Jahren wohnt Ladikoff in München, seine Heimatstadt besucht er alle paar Monate. Aus dem gelernten Chemielaboranten ist ein Feuerwehrmann geworden. „Ich kann nicht ständig an einem Ort bleiben. Als Feuerwehrmann erlebe ich jeden Tag etwas Neues. Außerdem ist es ein gutes Gefühl, wenn man Menschen geholfen hat.“

Anderes Umfeld, anderer Beruf – eines ist aber gleich geblieben in Ladikoffs Leben: Seine Leidenschaft gehört dem Einradfahren. Seine Fahrten zu Turnieren organisiert und finanziert er weiterhin aus eigener Tasche. Selbst die Meisterschaften haben keinen finanziellen Anreiz.

Nie schwer verletzt

„Wenn man Glück hat, spendiert ein Sponsor dem Sieger ein Einrad.“ Ladikoff braucht aber kein neues Sportgerät, er ist mit seinem aktuellen hochzufrieden. Wert: 1250 Euro. „Das ist aber ein Modell der Oberklasse. Einsteiger sollten so mit 350 Euro rechnen“, verrät der Kenner.

Dieses Einrad taugt ihm für den schwierigsten Trick aus seinem Repertoire: ein sogenannter Flip-Underflip. Dabei dreht sich das Rad einmal um die eigene Achse nach vorn, ehe Ladikoff es mit einem kurzen Tippen auf die Pedale einmal um die eigene Achse nach hinten schnellen lässt.

Schwer verletzt hat sich Ladikoff weder bei diesem Kunststück noch bei sonst irgendeinem. „Das Schlimmste waren starke Prellungen und überdehnte Bänder. Ich hoffe, es bleibt dabei.“ Ändern soll sich dagegen die Messlatte. Ladikoff ist seit der ersten Begegnung mit den „Pöham Brothers“ befreundet. Gemeinsam verfolgen sie das gleiche Ziel: „Es geht uns nicht um Titel oder Platzierungen. Wir wollen immer bessere Tricks zeigen. Wir setzen das Limit des Sports immer weiter nach oben.“

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