Aufstieg auf Mittelwellen-Sendemast Tannfeld dauerte dreiviertel Stunde - Abschaltung an Silvester Mittelwellensender ausgeknipst

Von Peter Engelbrecht
Einmaliger Blick von der Spitze des Sendemastes in 240 Metern Höhe. Foto: Dieter Köhler Foto: red

Mut gehörte schon dazu, dienstlich auf den 240 Meter hohen Mittelwellensendemast des Deutschlandfunks in Tannfeld zu klettern. "Eine dreiviertel Stunde dauerte der mühsame Aufstieg, und eine dreiviertel Stunde der Abstieg", erinnert sich Gerhard Knobloch aus Bayreuth.

 
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"Die Fernsicht war bei gutem Wetter toll", blickt der 66-jährige Diplom-Ingenieur zurück. Einmal war Knobloch Ende der 80er Jahre zusammen mit einem Kollegen dienstlich auf den Sendemast geklettert. Er gehörte damals zur Geschäftsleitung der Deutschen Bundespost in Bayreuth, musste sich vorher seine "Turmtauglichkeit" ärztlich bestätigen lassen. Beim Hochklettern im Inneren des Stahlmastens ging es auf Leitern von einer Stahlgitterplattform zur nächsten, die acht bis 30 Meter voneinander entfernt waren. Auf die Plattformen selbst gelangte man durch Durchstiegsklappen. Gesichert waren die Turmkletterer mit Gurten.

Riesiger Turm

Der riesige Turm wurde von Stahlseilen gehalten, die ringsum zum Boden gespannt waren. "Auch bei Windstille hat sich der Mast ein paar Zentimeter bewegt", erinnert sich Knobloch. "Ich war noch jung, hatte keine Angst. Da denkt man nicht soviel nach", meint er heute. "Der Blick von oben war wie auf eine Modelleisenbahn-Landschaft", lautet sein Vergleich. Der Mast mit seinen 240 Metern waren weit und breit das höchste Bauwerk, der weithin sichtbare militärische Abhörturm auf dem Schneeberg im Fichtelgebirge maß bescheidene 72,8 Meter. 

Bauleiter

Der Bau des Mittelwellensenders sei seine interessantesteTätigkeit bei der Post gewesen, schwärmt  Dieter Köhler aus Bayreuth. Der heute 66-Jährige war beim Fernmeldeamt in Bayreuth, war Planer und Bauleiter des technischen Teils des Senders. Er hat den Baufortschritt in Bildern festgehalten und ist interessehalber ein paarmal auf den Sendemast geklettert, um zu fotografieren. Auch Köhler hatte eine ärztliche Bestätigung auf Turmtauchlichkeit. Kollegen prüften in regelmäßigen Abständen die Sicherheit des Stahlturmes, der Stahlseile sowie die Funktionsfähigkeit der roten Warnlampen für den Flugverkehr. Der Mast mit einem Gewicht von rund 300 Tonnen stehe auf einem isolierten, kegelförmigen Keramikkörper mit einer Wandstärke von acht bis zehn Zentimetern, erläutert Köhler. Auch die Stahlseile waren isoliert. Im Boden wurden mit dem Pflug 240 Meter lange Erdungsbänder verlegt.          

Große Bedeutung

Der Mittelwellensender muss für die Deutsche Bundespost große Bedeutung gehabt haben. Denn zur offiziellen Inbetriebnahme am Mittwoch, 6. Mai 1981, gab es um 19.15 Uhr in der Kirche St. Laurentius in Thurnau ein klassisches Konzert mit Werken von Johann Sebastian Bach. Der Eintritt war frei. "Dieses Konzert findet statt aus Anlass der Inbetriebnahme der neuen 200-kW-Sendeanlage des DLF-Mittelwellensenders Thurnau (549 kHz)", hieß es damals auf der Einladung. Die Leistung wurde später auf 100 kW reduziert. Die Prominenz traf sich in der Sendeanlage zur Inbetriebnahme, darunter Oberfrankens Regierungspräsident Wolfgang Winkler. Bilder zeigen die Herren in dunklen Anzügen vor riesigen grauen Schaltschränken der Marke "Telefunken", anschließend wurde in einer Gastwirtschaft in Thurnau gefeiert.

Keine Feier

Eine offizielle Feier zum Abschalten an Silvester um 24 Uhr gab es nach Angaben des Betreibers, der Media Broadcast GmbH, nicht. Der Sender, der bei den Anwohnern in Verdacht einer gefährlichen Strahlenbelastung stand, wurde still und leise ausgeknipst. Nach gut 34 Jahren ist Schluss.

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