Zweifel am Erfolg des Absiedlungsprojektes der Stadt und der Diakonie Eine neue Herzogmühle

Von Frank Schmälzle
Bayreuths schlechteste Adresse: Die Wohnblocks in der Herzogmühle sind in schlechtem Zustand. Doch statt die Bewohner abzusiedeln, fordert Joey Wiegand eine andere Herzogmühle. Mit neuen Gebäuden. Foto: Wittek Foto: red

Joey Wiegand sagt, er spricht nicht für sich selbst. Er spreche für viele, die die Herzogmühle verlassen haben. Die zwangsevakuiert wurden, wie er meint. Sie mögen jetzt neue Wohnungen haben, sagt Wiegand. Irgendwo an anderer Stelle in Bayreuth. Glücklicher seien die allermeisten aber nicht. Und deshalb fordert der 44-Jährige, der seit Kindesbeinen und immer noch in der Mühle lebt: Die Stadt muss den Herzogmühlern die Rückkehr ermöglichen. Und ihnen eine neue Herzogmühle bauen.

 
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Im Jahr 2009 lebten 123 Menschen in der Herzogmühle – der schlechtesten Adresse, die es in Bayreuth gibt. Unter schwierigsten Umständen und in maroden Häusern, die wie die Stadt sagt, in den späten 50er Jahren gebaut wurden und nie als Dauerunterkunft für sozial schwache Bayreuther gedacht waren. 2009 startete die Stadt gemeinsam mit der Diakonie das Projekt „Chance“. Heute wohnen nach offiziellen Angaben noch zwölf Menschen in der Mühle. Über hundert, darunter viele Familien, hätten den Absprung geschafft. Es gehe ihnen heute besser. Das Projekt Chance, das jetzt kurz vor dem Abschluss steht. sei also ein voller Erfolg gewesen. Genau daran zweifelt Wiegand. „Ich habe mit vielen gesprochen, die gehen mussten. Die allermeisten wollen wieder zurück.“ Weil sie mit der Umstellung auf ein Leben außerhalb der Mühle Schwierigkeiten hätten. Weil ihnen die Freiheit fehle, die es eben nur in dieser besonderen Siedlung am Stadtrand gebe. Weil sich draußen, außerhalb der Mühle niemand mehr so intensiv um sie kümmere. Und weil höheren Mieten und Kosten sie belasten sie, sagt Wiegand. Sie müssten Darlehen für Möbel oder Mietkautionen zurückzahlen – auch das ein Problem. „Vielen haben das Gefühl, in der Falle zu sitzen.“ Und nicht alle seien wirklich freiwillig gegangen.

Joey Wiegand fordert die Stadt zu einem Entgegenkommen auf. „Wir in der Herzogmühle haben nie Ansprüche gestellt. Wir haben immer selbst Hand angelegt. Jetzt ist es an der Zeit, dass die Stadt Solidarität zeigt.“ Der Mann, dessen Großvater die ersten Wohnblocks in der Mühle mit aufgebaut hat, weiß wohl, wie es um die Gebäude steht. Ein, zwei Blocks seien vielleicht zu retten. Der Rest nicht. Die müsse die Stadt durch Neubauten ersetzen. Das ging in der Insel, sagt Wiegand. Also warum soll es nicht auch in der Herzogmühle gehen? Und in der Altstadt hat es geklappt einen Stadtteiltreffpunkt zu schaffen, der den Menschen dort hilft. Warum nicht in der Herzogmühle? Ein Wohngebiet wünscht sich Wiegand, dass gerade kinderreiche Familien anspricht. So wie es immer war in der Herzogmühle. Und so wie es eigentlich zum Anspruch der Oberbürgermeisterin passen müsste, Bayreuth zur kinderfreundlichsten Stadt Deutschlands zu machen. „Was die Stadt bislang hier gemacht hat, ist das glatte Gegenteil.“

Tatsächlich hatte der Stadtrat einst beschlossen, die baufälligen Gebäude in der Herzogmühle abzureißen und durch neue zu ersetzen. Das aber war vor dem Projekt „Chance“, sagt Sozialreferent Carsten Hillgruber. Das war vor der Entscheidung, die Bewohner dazu zu motivieren einen Neustart zu wagen. Der Stadtrat habe seinen Neubaubeschluss mit dem Start des Projektes zurückgenommen. Deshalb hält es Hillgruber zum jetzigen Stand auch für „sehr unwahrscheinlich“, dass eine neue Herzogmühle, wie Wiegand sie fordert, entsteht.

Ob die ehemaligen Bewohner in der Herzogmühle glücklicher waren? „Das kann ich nicht beurteilen. Ich habe nicht persönlich mit ihnen gesprochen“, sagt der Sozialreferent. „Aber ich glaube der erfahrenen Sozialpädagogin der Diakonie.“ Brigitte Schmidt-Blick hatte fünf Jahre lang daran gearbeitet, den Bewohnern der Herzogmühle einen Wegzug zu ermöglichen. Sie zeichnet ein ganz anderes Bild als Joey Wiegand. Sie sagt: Für die allermeisten ist es jetzt nach ihrem Auszug in Ordnung wie es ist. Auch für die, die anfangs nicht gehen wollten. „Und ich“, sagt der Sozialreferent, „habe keinen Anlass, an dieser Aussage zu zweifeln.“

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