Eine Belastung für die Tierschützer

Von Moritz Kircher
Jürgen Greim und Marie Erbe vom Verein Menschen für Tierrechte. Die Kaninchen, die jetzt im Bayreuther Tierheim sind, haben sie bei einem überforderten Halter abgeholt, der die Tierschützer selbst zu Hilfe gerufen hat. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Neun von zehn anonyme Meldungen wegen Tierquälerei machen Tierschützern unnötige Arbeit. Denn oft handelt es sich um Nachbarschaftsstreits. Oder derjenige, der eine Anzeige macht, hätte den Fall klären können, indem er den vermeintlichen Tierquäler selbst anspricht. Die beiden Tierschützer Jürgen Greim und Harald Hahnefeld erklären, warum sie trotzdem jeder Meldung nachgehen.

 
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Das anonyme Schreiben, das Jürgen Greim erhalten hat, klingt alarmierend. Auf einem Bauernhof im Landkreis sollen mehrere Kühe unter erbärmlichen Bedingungen gehalten werden. Und angeblich schauen Veterinäre auch noch untätig zu. Aber der Tierschützer nimmt es erst einmal gelassen. Natürlich opfert Greim seine Freizeit, fährt hin, spricht mit dem Landwirt und nimmt den Hof unter die Lupe. Aber in neun von zehn Fällen macht er sich die Arbeit umsonst.

Tierschützer haben keine besonderen Kontrollbefugnisse

Auf dem Weg zum Bauernhaus kommt Greim an der Weide vorbei, auf der die angeblich verwahrlosten Kühe stehen. Die Tiere sind nicht mehr da. Die Weide sieht für den Mann vom Bayreuther Verein „Menschen für Tierrechte“ aus, wie jede andere auch. Greim fährt auf den Hof, klingelt und wartet vor der Haustür. Nebenan im Stall stehen Kühe. Von außen betrachtet sehen sie nicht verwahrlost aus. Reingehen und kontrollieren darf Greim nicht. Tierschützer haben keine besonderen Kontrollbefugnisse, wenn sie einen Halter aufsuchen.

Jürgen Greim engagiert sich seit Jahren aus Überzeugung im Tierschutz. Er hat Hasen gesehen, die halb verdurstet im Käfig in ihrem eigenen Kot saßen. Er hat misshandelte Hunde und Katzen gesehen. Da waren Tiere, denen es wirklich schlecht ging und die geradezu von ihren Haltern befreit werden mussten. Manchmal seien die Besitzer einfach nur ahnungslos oder überfordert und brauchten Hilfe. Wenn jemand auffällig wird, weil er sein Tier wirklich quält, seien diese Leute selten gut auf einen Tierschützer zu sprechen, wenn der aufkreuzt. „Wenn ich aber eine anonyme Anzeige bekomme, dass jemand angeblich Tiere quält, ist da fast nie etwas dran“, sagt Greim.

Falscher Alarm. Mal wieder.

So auch im Fall mit den vermeintlich verwahrlosten Kühe. Greim erklärt dem Landwirt, warum er da ist. Der reagiert freundlich und gelassen und hat auch schon eine Vermtung, woher die Anzeige stammt. Bereitwillig führt er den unangemeldeten Besucher über den Hof, zeigt die Tiere und die Ställe. Es gibt kein Anzeichen, dass der Bauer gegen irgendein Gesetz oder eine Vorschrift verstößt. Hätte Greim nur den geringsten Verdacht, dann würde er den Amtsveterinär einschalten. Hier sieht er keinen Grund.

Nach rund einer halben Stunde macht Greim sich wieder auf den Heimweg. Falscher Alarm. Mal wieder. „Die Leute sollen uns ja einschalten“, sagt er. „Wir gehen jeder Anzeige nach.“ Aber er ärgert sich schon, wenn jemand einem Tierhalter offenbar nur eins reinwürgen will und deshalb den Tierschutz alarmiert. Oft gehe es um Nachbarschaftsstreits, sagt der Tierschützer, der bis zu fünf Meldungen in der Woche abarbeitet - alle in seiner Freizeit.

100 Anzeigen pro Jahr beim Veterinäramt

Ähnliche Erfahrungen macht Harald Hahnefeld von der Tierhilfe Weidenberg. „Sehr viele Fälle, zu denen ich gerufen werde, sind auf Nachbarschaftsstreits zurückzuführen.“ Er appelliert an die Leute, ihre Steitigkeiten privat zu klären. „Wenn du hinfährst und dem Tier geht es gottseidank gut, dann ist das zwar schön“, sagt er. „Aber in den zwei Stunden hätte ich auch einem Tier helfen können, das wirklich Hilfe braucht.“ Denn auch Hahnefeld und seine Mitstreiter im Verein machen ihre Arbeit ehrenamtlich - abends nach der Arbeit und am Wochenende.

Beim Veterinäramt des Landkreises gehen pro Jahr rund 100 Hinweise und Anzeigen über vermeintlich tierschutzwidrige Haltungen ein. Die Veterinäre seien von der Staatsregierung angewiesen, allen Meldungen, auch anonymen, nachzugehen. Viele der Meldungen kommen über die Tierschutzvereine, die oft zuerst Wind von einem Fall bekommen.

Die schlimmsten Fälle übernimmt die Staatsanwaltschaft

"Die Hinweise der uns bekannten Tierschutzorganisationen erwiesen sich in der Vergangenheit immer als seriös und hilfreich“, teilt Landratsamts-Sprecher Herbert Retzer mit. Meldungen, die über die Tierschützer den Weg zum Veterinäramt finden, erwiesen sich „nur in den seltensten Fällen als unbegründet“. Wenn etwas im Argen liegt, schreitet die Behörde ein. Je nach schwere des Verstoßes könne das von einer Belehrung des Tierhalters bis zur Anzeige einer Straftat gehen. Dann übernimmt die Staatsanwaltschaft den Fall.

Es sind also die ehrenamtlichen Tierschützer, die mit ihrer Arbeit den Ämtern den Rücken freihalten. Sie sind eine Art Filter, weil sie nur die Fälle an die Behörden weiterleiten, in denen tatsächlich Tiere leiden. Dabei riskieren die Tierschützer manchmal Kopf und Kragen.

Zivilcourage zeigen - Tierquäler ansprechen

Harald Hahnefeld berichtet, dass eine seiner Mitstreiterinnen mal mit dem Stiel einer Mistgabel geschlagen wurde. Jürgen Greim wurde schon wegen Hausfriedensbruchs angezeigt. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren allerdings ein. Die Tierschützer gehen grundsätzlich immer zu zweit zu den Hausbesuchen, um im Zweifel einen Zeugen zu haben.

„Tierschutz ist kein Spaß“, sagt Greim. „Aber man macht es, weil man den inneren Antrieb hat.“ Er lebt von den positiven Erlebnissen, wenn er etwas für Tiere erreicht, die sich selbst nicht wehren können. Zuletzt hat er Kaninchen aus schlechten Verhältnissen geholt. Da hatte der Halter selbst Greim alarmiert und um Hilfe gebeten.

Hahnefeld hat noch einen Tipp parat, wie jedermann den Ehrenamtlichen die Arbeit erleichtern kann. Auch bei Tieren gelte: Zivilcourage zeigen und vermeintliche Tierquäler ansprechen. Oft komme es zu Missverständnissen, die sich im ersten Gespräch klären lassen, ohne Dritte einschalten zu müssen. Hahnefeld sagt: „Wenn jemand pampig wird, dann kann man immer noch den Tierschutz oder die Polizei rufen.“

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