Erster Aufzug: Die Walküre. Eva-Maria Westbroek, Johan Botha und Kwanchul Youn singen. Der erste Aufzug der „Walküre" handelt von einem Mann, der aus feindlicher Umgebung in die warme Stube flieht, er findet dort Liebe, seinen Todfeind und die Waffe, mit der er ihn besiegen kann. Das Ende ist offen, es besteht Hoffnung, dass alles gut wird, es kann aber auch anders kommen. Es gibt wahrscheinlich keine Stelle in einer Wagneroper, die Wagner selbst so präzise auf den Punkt bringt, und dazu Bläser-Pathos ebenso wie leise Streicher enthält; man kann Wagner – sein Leben, seine Musik, seine Wirkung – sehr gut an diesem ersten Aufzug erklären.
Zweiter Aufzug: „Tristan"-Vorspiel und Liebestod. Wagner, der Techniker. Es ist das Schicksalsstück von Christian Thielemann, er selbst verbreitet die Geschichte, wie er einst bei einem renommierten Dirigierwettbewerb damit durchfiel, weil er, anstatt zu brillieren, lieber mit den Musikern arbeiten wollte.
Er verzichtet auf die große Breite und auch aufs Fortissimo, es ist das erste Stück nach der Pause, das ist eine Aussage, das musikalisch revolutionärste Stück Wagner soll die Aufmerksamkeit des Publikums wieder einfangen, na gut. Der „Tristan" ist ferner, zusammen mit „Lohengrin", das einzige Stück, das er noch nicht in Bayreuth dirigiert hat. Er wird dies aber 2015 tun, die Inszenierung besorgt dann Katharina Wagner; die Produktion wird mit Spannung erwartet.
Dritter Aufzug: Siegfrieds Rheinfahrt und der Trauermarsch. Wagner, der Märchenerzähler. Die Platzierung dieses Programmpunkts in der Programmabfolge weist auf seine Stellung im Konzert hin. Es steht im Zentrum, und genauso dirigiert Thielemann auch: Jetzt ist das Fortissimo da, auch das Pathos, fast der ganze „Ring" steckt in diesen zwei Orchesterstellen, und an der Bühnenrückwand hängt nach wie vor Anselm Kiefer.
Und schließlich vierter Aufzug: Das „Meistersinger"-Vorspiel. Wagner, das Nationalheiligtum, es ist natürlich reine Absicht, mit diesem Stück zu schließen, es bedeutet: Nichts wird ausgeklammert, auch nicht der wuchtige C-Dur-Reichsparteitags-Wagner, und Thielemann gelingt die Pointe: So schlank, so sensibel war dieses Stück selten, die alten Muster sind überwindbar, soll das heißen, und wir haben sie überwunden, wir stoßen vor zum wahren Kern der Musik, und seht nur her, wie viel Gehalt doch darin steckt. Es ist ein Meistersinger-Vorspiel, das sich nicht selbst feiert.
Und dann, zum Finale des Finales, gestattet sich Thielemann doch noch ein bisschen Wucht. Und Pomp. Und Breite. Ganz kurz, ganz am Ende. Wie um einfach nur darauf hinzuweisen, wo der Unterschied liegt.
Der Jubel fiel dann genauso groß aus wie erwartet. Für ein Konzert, das alles sagte, was es zu sagen gab. Und kein Wort mehr.