Enkelin des Angeklagten schrieb ein Buch über ein „schreckliches Familiengeheimnis“ Ein verbotener Satz im Sexprozess

Von Manfred Scherer
 Foto: red

Sie ist jung, sie ist hipp, sie schreibt im Internet einen eigenen Blog. Über sich selbst und die schönen Dinge. Wie teure Taschen oder schicke Kleidung. Und sie hat ein Buch verfasst, in dem über ein „schreckliches Familiengeheimnis“ berichtet wird und in dem auf Seite 43 ein verbotener Satz steht.

 
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Der Satz lautet: „Meine Mutter wurde jahrelang von meinem Großvater missbraucht.“

Die 19-Jährige sagte am Mittwoch als Zeugin im Prozess gegen ihren Großvater aus. Der 71-Jährige steht, wie berichtet, vor dem Landgericht in Bayreuth. Die Anklage wirft ihm eine Serie von Sexualverbrechen vor. Fünf Frauen sollen demnach seine Opfer gewesen sein: Seine heute 47-jährige Tochter, seine Ex-Frau, seine zwei Enkelinnen und eine Freundin der Enkelinnen. Vier von ihnen haben bereits im Prozess als Zeuginnen ausgesagt, die 19-jährige Bloggerin ist die letzte in der Reihe. Auch sie beschuldigt den Angeklagten zweier Taten: Einmal soll er ihr in einem Aufzug eines Urlaubshotels das Kleid heruntergerissen haben. Ein anderes Mal soll er sich von hinten an sie herangemacht haben, so dass sie durch seine Hose sein erigiertes Geschlecht gespürt haben will.

Was ihrer Mutter wiederfahren sein soll, hat "eine andere Dimension"

Was ihr wiederfahren sein soll, ist für die Zeugin nicht so schwer wiegend, wie das, was ihr ihre Mutter erzählte: „Das hatte für mich eine ganz andere Dimension.“ Wie berichtet, behauptet die Mutter der Zeugin, sie sei jahrelang vom Angeklagten missbraucht und vergewaltigt worden.

Das Buch wurde von einem Gericht gestoppt

Der 71-Jährige äußerst sich zu den Vorwürfen nicht. Sein Verteidiger kämpft vor Gericht darum, zu beweisen, dass sein Mandant Opfer eines Komplotts sei, einer Verschwörung. Er hat den 71-Jährigen bereits anwaltlich vertreten, als es darum ging, das Buch der Enkelin aus dem Verkehr zu ziehen und ihr den einen Satz zu verbieten. Ein Gericht hat einstweilen verfügt, dass der Satz über den Großvater zu streichen sei. Die Zeugin sagt dazu: „Weil ich keine Beweise dafür habe. Aber ich glaube meiner Mutter.“

Von der Mutter "hineinmanövriert"?

Der Verteidiger hält der Zeugin einen anderen Satz aus ihrem Internet-Blog vor, den sie bestätigt: „Meine Mutter ist für mich eine Inspiration.“ Seinen Verdacht äußert der Verteidiger im Wege einer Erklärung, die mit dieser Frage endete: „Wurde sie von der Mutter in diese Lage hinein manövriert?“

Die Richter haben Fragen zum Buch

Das Buch der Zeugin ist zurzeit nicht mehr zu kaufen. Deshalb stellte Verteidiger Johann Schwenn dem Gericht ein Exemplar zur Verfügung. Danach hatten die Richter Fragen: Ob die Zeugin den Satz ins Buch geschrieben habe, um es „reißerischer“ zu machen, damit es sich besser verkauft? Die Antwort der Zeugin: „Nein. Ich habe bis heute 200 Euro damit eingenommen.“ Warum im Buch nichts über ihre eigenen Erlebnisse mit dem Großvater steht? Die Zeugin wiederholt den Satz von der „anderen Dimension“.

Augenzeugin für das Herunterreißen des Kleides im Fahrstuhl soll die Ex-Lebensgefährtin des Angeklagten sein – diese hat das vor Gericht bezeugt. Eine Leumundszeugin, die den Angeklagten als Liebevollen Vater und Großvater und als „Gentleman“ bezeichnet, stellt die Ex-Lebensgefährtin in ein negatives Licht. Die Frau habe auf Kosten des Angeklagten jahrelang ein extremes Luxusleben gelebt und habe darauf nicht verzichten wollen.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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