Ein Unbeugsamer an der Studiobühne

Von Michael Weiser
"Der Boxer": Am Freitag feiert das Stück mit Lukas Stühle an der Studiobühne Premiere. Foto: Thomas Eberlein Foto: red

Ein Champion, ein Außenseiter: Die tragische Geschichte des Sinto-Boxers Johann Rukeli Trollmann feiert an der Studiobühne Premiere.

 
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Das Ganze klingt nach Hollywood: Ein Außenseiter, der sich von den Nazis nicht unterkriegen lässt, als Boxer, der gegen alle Widersacher besteht und im Ring triumphiert. Es ist die Geschichte von Johann Trollmann. Aber anders als die meisten Erzählungen aus Hollywood hat sie kein Happy End. Trollmann wurde 1945 von den Nazis ermordet.

Als Sinto wurde er ausgegrenzt, schikaniert und schließlich ins KZ verschleppt. Von seinem Leben und Leiden, von seiner Unbeugsamkeit erzählt Felix Mitterer in seinem Drama „Der Boxer“. Am Freitag hat das Stück an der Studiobühne Premiere, in der Regie von Birgit Franz. „Dann werde ich froh sein, dass das Thema für mich erstmal abgeschlossen ist“, sagt sie. Froh deswegen, weil das Thema sie so berührt hat. „Eine tragische, eine harte Geschichte“, sagt sie.

Ein Mann wie ein Baum

Trollmann trug den Spitznamen Rukeli, was in der Sprache der Roma auf einen Baum hinweist, als Anspielung auf seinen baumlangen starken Körper. Den Schlägen seiner Gegner wich er aus, er umtänzelte sie auf schnellen Füßen, bis sie mürbe waren. Gutaussehend war er, ein Mann, der bei Frauen einen Schlag hatte. Ein kommender Star.

„Der tanzende Zigeuner“ hieß es in der Sportpresse, allerdings mitunter versehen mit dem Hinweis auf den „undeutschen Stil“. 1928 strich man ihn von der Teilnehmerliste für die olympischen Spiele in Amsterdam; Trollmann wurde nun Profi, gewann zahlreiche Kämpfe und blieb fatalerweise auch nach der „Machtergreifung“ der Nazis in Deutschland. Boxen hieß nun „Faustkampf“. 1933 siegte er im Kampf um den deutschen Titel im Mittelgewicht – doch der Titel wurde ihm aberkannt. Er wurde schikaniert, in die Wehrmacht eingezogen, als rassisch Verfemter ausgeschlossen und schließlich ins Konzentrationslager Neuengamme verschleppt. Der halb verhungerte, ausgelaugte Ex-Boxer musste sich dort nach der Arbeit mit SS-Leuten prügeln. Einen letzten Sieg errang er, gegen einen Kapo, der ihn daraufhin hinterrücks erschlug.

Späte Anerkennung

Erst 2003 wurde der Meistertitel Johann Rukeli Trollmann wieder zuerkannt, und dass diese Geste so unsäglich lange auf sich warten ließ, sagt viel aus darüber, wie Deutschland den Völkermord an Sinti und Roma aufarbeitete: zögerlich, zunächst ohne das geringste Unrechtsbewusstsein. Noch 1956 sprach der Bundesgerichtshof Sinti und Roma mit dem Verweis auf „eigene Asozialität, Kriminalität und Wandertrieb“ eine Mitschuld an den Verbrechen des NS-Staats zu. Erst spät wurde die Geschichte Trollmanns wieder erzählt. Birgit Franz begegnete ihr beim Konzert des Zamir-Chors zum Holocaust-Gedenktag in Genf. „Mich hat das Thema sofort gepackt.“ Schließlich erfuhr sie, dass Felix Mitterer ein Stück darüber geschrieben hatte, das 2015 in Wien uraufgeführt worden war. „Ich finde seine Lebensgeschichte beispielhaft“, sagt sie, „möglichst viele junge Leute sollten sie erfahren, auch wegen seiner Fairness und Kraft. Und weil er sich bis zum Schluss nicht hat beugen lassen.“ Auch als einen Akt der Wiedergutmachung empfindet sie die Aufführung. „Dass es bis 2003 gedauert hat, bis ihm der Titel wieder zuerkannt wurde – das ist ja das eigentlich Skandalöse.“

Ein Boxer spielt den Boxer

Für die Rolle Trollmanns hat sie Lukas Stühle gewonnen, für sie ein Glücksfall schon deswegen, weil Stühle selber boxt. 27 Jahre ist er alt, seit einigen Jahren steigt er in den Ring, auch Kämpfe hat er schon bestritten. „Es ist für mich ein Stück, das mir persönlich viel bedeutet“, sagt er. „Ich wollte es unbedingt spielen, auch weil das Thema immer unter den Tisch gekehrt wird.“

Als Sportler weiß er, wie er sich bewegen soll, auch seinen Mitspielern auf der Bühne konnte er Tipps geben: darüber, wie man sich beim Kämpfen bewegt, wie man schlägt, sich deckt. Auch die Anspannung vor einem Fight kennt er. Dem Menschen Trollmann aber musste er sich auch erstmal nähern. „Ich hab mich eingelesen, auch eine Biographie habe ich gelesen“, sagt Stühle. Was ihm imponiert: „Dass er immer gesagt hat, was er dachte, dass er, als die Sache unter dem Regime der Nazis ernst wurde, zu einem Kampf mit Mehl bestäubt und mit goldener Perücke in den Ring stieg.“

Auch diese Persiflage auf den arischen Herrenmenschen gehört zu Trollmanns Geschichte. „Er war eine mutige Persönlichkeit“, sagt Stühle, „ich hoffe, dass auch viele Schüler dieses Stück sehen.“

INFO: Felix Mitterer, „Der Boxer“, Regie Birgit Franz, Premiere an der Studiobühne am Freitag, 27. Oktober, um 20 Uhr, nächste Termine 4., 5., und 7. November. Außerdem an der Studiobühne: am Samstag., 28. Oktober, „Tarte d’Ort – Bayreuth. Ein improvisierter Krimi“, Gastspiel vom „Ensemble Ernst vom Leben“, 20 Uhr; am Sonntag, 29. Oktober, Lesung „Goethe und Jean Paul – zwei Gegensätze“, 17 Uhr.

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