Klavierkonzerte in der Kirche
Klaviermusik in der Kirche? Doch doch, das geht – vorausgesetzt, sie wird von Musikern gespielt, die ihr Handwerk verstehen. Zum anderen vorausgesetzt, dass sie der vielfältigen Gattung „Geistliche Musik“ angehört. Liszt hat mit seinen Symphonischen Dichtungen und Oratorien derart die Grenzen zwischen Kirche und Konzertsaal gesprengt, dass die Aufführung einer „Dante-Symphonie“ in einem Gotteshaus nicht weniger Sinn macht als in einer Stadthalle.
So also endete der zweitägige und vierteilige Liszt-Marathon, den Regionalkantor Christoph Krückl zu Liszts 130. Todestag in der Schlosskirche arrangierte: tief beeindruckend, zudem mit politischer Symbolik aufgeladen. Das Konzert des ungarischen Klavierduos Edit Klukon und Dezsö Raki kam in Zusammenarbeit mit dem ungarischen Ministerium für Kultur (und dem anwesenden Zoltán Balog, dem Minister für „Humanressourcen“, interessanterweise einem ausgebildeten calvinistischen Seelsorger) zustande, und Pfarrer Steger lobte Liszt als völkerverbindenden Europäer, der „die Sprache des Christentums sprach“ und an das Gute glaubte, „das von oben kommt“. Von unten klang die Musik in die Höhe der Emporen: zwei Ausnahme-Werke, die die kongenialen Pianisten dialektisch aufeinander bezogen: zuerst das Fest, die Aussicht aufs Paradies, dann der Leidensweg, die Passion, der Tod Jesu.
Man hätte die Stücke auch in umgekehrter Reihenfolge spielen können, aber es war doch magisch, mit welch Spannung die letzten kargen Töne des Kreuzwegzyklus „Via crucis“ in die Schlosskirche drangen. Liszt schrieb mit diesem Stück eine Zukunftsmusik, die vom Verleger nicht angenommen und erst 43 Jahre nach dem Tod des Komponisten uraufgeführt wurde: eine Konzentrationsmusik, die das geistig wie geistlich anspruchsvolle Programm krönte.
Eine strenge Musik, viel strenger als der "Parsifal"
Zwei Klaviere können kein Orchester ersetzen, aber die Klanggestaltung, mit der das Pianistenpaar sich Liszts Klavierfassung der Dante-Symphonie widmet, ist vorbildlich: von den Hammerschlägen der Hölle zu den Nebelgebilden des Magnificat, dem der Chorgesang imaginär eingeschrieben ist. Hier die flirrende Liebesepisode von Francisca da Rimini („Sieh jene Kraniche in großem Bogen...“, wie Brecht so schön schrieb), dort die Akkordmassen des Inferno. Hier die einsamen Stimmen im Fegefeuer, dort die Klangwölkchen des Paradieses, die in einen bekennerhaften Fortissimo-Schluss münden. Die Neun-Uhr-Glocken der Schlosskirche besiegeln das musikalische Triptychon von oben.
Die Schlosskirche ist, so betrachtet, ein idealer Raum für Liszts Werke: auch aus akustischen Gründen. Wunderbar, wie schließlich die Andachtsmusik der „Via crucis“ die Zuhörer bannt. Dabei ist das eine strenge Musik, so streng, dass dagegen der weihevolle „Parsifal“ die Lockerheit einer französischen Operette besitzt.
Spannender hätte der Abschluss der Liszt-Feiertage nicht sein können.