Ein Kulturplan? Noch weit entfernt

Von Michael Weiser
Das Jazzforum würde gerne wachsen. Bislang läuft der Laden allerdings auch ohzne Kulturentwicklungsplan. Der Jazznovember, den Aline Frazão & Band starteten, zog 800 Besucher an. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Wo steht die Bayreuther Kultur, wo soll, wo kann sie hin? Die Uni werkelt für die Stadt an einem Kulturentwicklungsplan. Gut fünf Monate nach dem Beginn des Projektes zeichnet noch keine Richtung ab. Ein Treffen mit Veranstaltern brachte jetzt aber doch Überraschendes: Hoch- und Subkultur sind sich in Bayreuth viel näher als man glaubt. In einem Punkt zumindest.

 
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Die Uni Bayreuth, dort wo sie am ältesten ist. An den Türen der Seminarräume hängen die üblichen Zettel, die darauf hinweisen, dass Mitnahme von Speisen und Getränken nicht erwünscht sei. Ist auch nicht nötig, was von zu Hause mitzunehmen: Schnittchen und Getränke warten schon drinnen. Für einen besonderen Abend, es kommt schließlich selten vor, dass gestandene Kulturveranstalter zu etwas Erstsemesterverdächtigem wie einem Workshop gebeten werden. Und es ist auch eher selten, dass so viele Veranstalter und Künstler aus so vielen Bereichen in eine Arena gebeten werden.

Jazz ist nicht Musik

Also, ein Workshop: Sechs Gruppen werden eingeteilt, von „Bildende Kunst und Fotografie“ bis hin zu „Theater und Kino“. Jazz ist nicht "Musik", Jazz ist Szene und Subkultur. Was Jazz ärgert. "Warum sind wir nicht Musik?", fragt Susanne Horn. Projektleier Manfred Miosga lächelt entschuldigend und sagt, dass die Musik trotz zweier Gruppen ganz schön ausgebucht sei. Jazz wurde in ein anderes Zimmer gebucht. Bayreuth, man sieht es, ist eine Musikstadt.

Die Diskutanten bekommen Hausarbeiten mit. Drei Szenarien haben ihnen die Uni-Leute aufgeschrieben, drei Modelle, wie man sich die Kultur der Zukunft vorstellen muss. Sieht man genauer hin, geht’s eher um die Lage der Stadt. Um die finanzielle Lage. Man könnte auch sagen, die Uni lässt die Kulturschaffenden sagen, wie sie die Chancen der Stadt sehen. Das Engagement ist ja da. Aber auch das Geld? Es geht um die Wirtschaft, Blödmann! Kurz nach den US-Wahlen fühlt man sich an diesen Slogan von Bill Clintons Kampagne erinnert.

Eine der klarsten Ansagen macht Marcus Leclaire, ziemlich am Ende einer langen Veranstaltung, ziemlich genervt: Warum niemand vorher gesagt habe, wie lange dieser abendfüllende Workshop dauern würde? Und warum es niemand für nötig gehalten hatte, die Szenarien den Gruppen vorher mitzuteilen, um das Procedere wenigstens abzukürzen? Leclaire arbeitet an der Studiobühne, hat also an diesem Abend in der Gruppe „Theater“ gebüffelt. In den anderen Gruppen aber hat man ähnliches hören können.

Wo bleibt das Publikum?

So deutlich sind wenige Statements. Die meisten Gruppen verfehlen mehr oder weniger absichtsvoll das Thema der Hausaufgabe, diskutieren gar nicht so sehr über die Wahrscheinlichkeit der Szenarien und damit über die Zukunft. Sondern machen so was wie Bestandsaufnahme.

Was dabei herauskommt? Dazu hätte es keines eigenen Workshops bedurft: Viele Kulturschaffende in Bayreuth fühlen sich allgemein vernachlässigt, zu wenig vernetzt, vom Publikum zu wenig geschätzt. Das kann sehr einfache Gründe haben (das Programm ist nicht attraktiv genug), oder sehr komplexe: dass sich Stadt und Bürger zu wenig für Kultur interessieren, zum Beispiel. Oder beides zusammen. Oder nichts davon. Der Abend sieht nicht so aus, als könne er darüber Aufschluss geben.

Ein holperiger Start, vielleicht auch, weil das Echo dieser Veranstalter auf die Fragen der Uni vorerst schwach ausfällt. Vor Monaten war an alle Bayreuther Veranstalter ein Fragebogen ausgefertigt worden. Fünfzig Prozent ungefähr, so sagt Prof. Miosga, haben den Fragebogen bislang ausgefüllt zurückgeschickt.

Der Abend bleibt sicher auch deswegen vage, weil wichtige Veranstalter und Anbieter fehlen. Steingraeber ist nicht dabei, Agenturen wie Semmel Concerts auch nicht, die Bamberger Symphoniker fehlen, auch das Theater Hof. Ein ganz wichtiger Faktor im Kulturbusiness taucht gar nicht auf: das Publikum. Und damit wird die wichtigste, die einfachste Frage vorerst nicht gestellt: Wen soll das eigentlich interessieren, was in Bayreuth auf großen, kleineren und kleinsten Herden geköchelt wird?

Braucht Subkultur einen Plan der Stadt?

Die Bayreuther Veranstalter kreisen an diesem Abend um sich selbst. Und versuchen dabei herauszufinden, wo sie selber stehen. Um die anderen, um das, was man mit den anderen gemeinsam machen könnte, geht es nur manchmal und nicht an allen Tischen.

Von zwei Gruppen gibt es überraschende Antworten: Die so genannte Subkultur und die Bayreuther Festspiele, vertreten durch Geschäftsführer Holger von Berg und Pressesprecher Peter Emmerich, machen sich über Szenarien der Stadt keine besonderen Gedanken. Hoch- und Subkultur: Sie nehmen die Zukunftsmodelle, höflich gesagt, zur Kenntnis. Das Glashaus, ebenso die Sübkültür, das Jazzforum – sie funktionieren weitgehend abseits der offiziellen Kulturpolitik der Stadt, wünschen sich für ihre Arbeit vor allem, dass man ihnen keine Steine in den Weg legt. Ideelle Anerkennung, das ist die Währung die hier zählt.

Auch die Festspiele, der Supertanker, der in Bayreuth vor Anker liegt, sieht kein Bayreuther Szenario, das die eigenen Planungen besonders beeinflussen könnte.

Soll Bayreuth auf Leuchttürme setzen?

Für eine Gruppe der Musikveranstalter – es gibt zwei - spricht an diesem Abend Manuel Becher, Chef der Bayreuth Marketing- und Tourismus GmbH. Er formuliert das Ziel von tourismusträchtigen Leuchttürmen für Bayreuth. Das ist nur eine Stimme unter mehreren an diesem Abend. Aber eine, die das Mittelfeld der Veranstalter, das Gros zwischen Sub- und Hochkultur, herausfordern müsste: Wo sind die Angebote, die über Stadtgrenzen hinausleuchten?

Kulturreferent Fabian Kern war erkrankt, er hatte sich entschuldigen lassen. Sollte er sich von einem Gutachten der Universität Argumente für die Abkehr vom Gießkannenprinzip erhoffen, dürften ihm die Aufschlüsse dieses Abends in die Karten gespielt haben.