"Die haben alles mitgenommen"
Und er weiß um die Ereignisse des Jahres 1945, als die Sowjets den Osten Deutschlands überrannten und die meisten im Windschatten der Sieger ihren Vorteil suchten. „Für die Leute aus der Umgebung war das so was wie ein Baumarkt. Die haben alles mitgenommen, den Dielenboden, die Fenster, die Türen, sogar eine gusseiserne Dienstbotentreppe haben sie rausgerissen.“ Jetzt ist Schloss Broock so etwas wie eine Ruine, ohne Fenster, mit einem kaputten Dach. Kaputt. „Wie ein maroder Bau“, sagt Schmidt. Bourgeoisie halt, um deren Hinterlassenschaften kümmerte sich in der DDR niemand.
Dann die Wiedervereinigung. Ein Investor trat an. Und verhob sich. Und dann kam ein neuer Investor, der Architekt Stefan Klinkenberg. Einer mit Ahnung und Plan, einer, der schon ein paar größere Projekte gewuppt hat. Und dieser Stefan Klinkenberg traf auf Christian Schmidt. Und jetzt sind wir bei dem Punkt der Erzählung, der unbedingt zu einem verwunschenen Schloss gehört. Wir sind bei: der Liebesgeschichte.
Schmidt verliebt sich in das Schloss
Schmidt, er lebt in Berlin, hatte beruflich in der Gegend zu tun gehabt. Irgendwann war er es leid, nur die Autobahn rauf- und runterzurauschen. Zwei Stunden rauf, zwei Stunden runter, zurück nach Berlin. Das soll’s gewesen sein?
Schmidt machte eine Liste. Sehenswürdigkeiten. Gerne auch Abseitiges. Unter letzterem fand sich Schloss Broock. Schmidt fuhr hin. Und konnte nicht mehr davon lassen. „20 Minuten waren eingeplant, für ein paar Fotos. Es wurden fünf Stunden daraus. Ich hatte mich verliebt, rettungslos verliebt.“ Er forschte nach, grub in Archiven, fragte Zeitzeugen, kannte sich bald so gut aus, dass sich sogar die Denkmalpfleger an ihn wandten, wenn’s um Schloss Broock ging.
Das Rad der Geschichte zurückdrehen
Und dann kam Klinkenberg, er kaufte das Schloss und hörte irgendwann von diesem Liebhaber aus Franken, der seine Liebe auf einer Facebookseite ausbreitete. Schmidt und Klinkenberg sprachen zwei Stunden miteinander – und waren danach einig, das Rad der Geschichte um Jahrzehnte zurückzudrehen.
Schmidt ging als Projektmanager an Bord, kümmern soll er sich ums Netzwerken, um Öffentlichkeitsarbeit, auch um Konzepte für die Zeit danach. Was macht man eigentlich mit so einem Kasten, der fast zweieinhalbtausend Quadratmeter Fläche bietet, Salons, Säle, Flure, Küchenräume und Werkstätten? „Ich kenne mich da aus“, sagt Schmidt, „ich habe das als Schauspieler und Organisator der Aids-Gala ja schon gemacht.“ Er verweist auf Reihen wie die „Spiegel“-Gespräche, zu denen er Persönlichkeiten wie den Alt-Bundespräsidenten Horst Köhler oder die Power-Frau Anke Engelke einlud. Und er betont die Chancen des sanften Tourismus für eine verschlafene Region.
So kaputt, dass niemand rein darf
Aller Anfang ist schwer, dieser ist – ein echtes Problem. Irgendwann, vielleicht schon im Jahre 2021, soll das Schloss wieder ein Mittelpunkt für eine weite Region werden, ein Event-Schloss. Die See ist nicht weit, die Seenplatte noch näher, da geht was, findet Schmidt.
Davor sind Tonnengewichte zu stemmen. Das Schloss ist so kaputt, dass eigentlich niemand reindarf. „Die Notsicherung ist schwierig, keine Firma lässt da ihre Handwerker arbeiten. So zu gestalten und zu planen, dass wir eine Genehmigung bekommen, wird unsere erste Aufgabe sein“, sagt Schmidt. „Der Mitteltrakt ist mehr oder weniger eingestürzt.“ Ist das erstmal geschafft, sollte es einfacher werden, glaubt er.
50 Schwäne vor der Haustür
Eine Dienstwohnung wird er beziehen, in einem Wirtschaftsgebäude am Schloss, ein paar Kilometer vom nächsten Dorf entfernt, eine halbe Ewigkeit von der Kreisstadt Demmin. Die meiste Zeit wird er bei Schloss Broock verbringen, weit weg von allem Möglichen, so nah wie möglich an dem, was ihn interessiert. „Man sieht Seeadler dort, manchmal sieht man Hirsche direkt vorm Schloss“, erzählt er.
„Einmal hörte ich ein unfassbares Geräusch, ich blickte auf und sah ungefähr 50 Schwäne heranschwirren.“ Möglich, dass er übertreibt. Aber irgendwie auch vorstellbar an einem Ort, an dem Fuchs und Hase einander gute Nacht sagen. „Der Himmel ist anders als in Franken“, sagt Schmidt, „es ist – so eine Weite.“ Nie werde es richtig dunkel in der Nacht, fern am Horizont, dort, wo das Meer anbrandet, schimmere immer so etwas wie ein Silberstreif.
Das mit dem Silberstreif möchte man, bei aller Liebe, auch als Verheißung für Schloss Broock verstehen.