Ehe für alle: Wie die Abgeordneten stimmen

Von Renate Allwicher und Peter Rauscher
Demonstration für die Ehe für alle: Die Chancen stehen gut, dass es im Bundestag dafür an diesem Freitag eine Mehrheit geben wird. Von den drei Bayreuther Abgeordneten wird jeder anders abstimmen. Foto: Archiv/Stephanie Pilick/dpa Foto: red

Ehe für alle. Ganz schnell soll im Bundestag an diesem Freitag durchgesetzt werden, worüber seit langem gestritten wird. Gleichgeschlechtliche Paare sollen künftig standesamtlich heiraten dürfen. Zu dem Thema hat der Kurier die Bayreuther Hochschulgruppe Queer, einen protestantischen Pfarrer, einen Rechtsprofessor und die hiesigen Bundestagsabgeordneten befragt.  

 
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Vier Abgeordnete und alles dabei: Ja, nein, Enthaltung

Hartmut Koschyk (CSU): Ich werde im Deutschen Bundestag gegen eine Öffnung der Ehe mit Nein stimmen, da ich der Überzeugung bin, dass die Ehe zwischen Mann und Frau und damit verbunden die Familie ein schützenswertes Gut in unserem Land bleiben sollte. Im Kern geht es bei den Antrag im Deutschen Bundestag um die Frage eines vollen Adoptionsrechts. In anderen Bereichen ist bereits eine Gleichstellung erfolgt, und alle Diskriminierungen sind im Grunde bereits beseitigt worden. So können gleichgeschlechtliche Paare bereits seit 2001 ihre Lebenspartnerschaft offiziell eintragen lassen. Inzwischen wurden diese Paare in vielen Fragen verheirateten heterosexuellen Paaren gleichgestellt, so etwa bei der Unterhaltspflicht, im Erbrecht und beim Ehegattensplitting.

Silke Launert (CSU): „Ich werde mich am Freitag bei der Abstimmung enthalten. Bei der Entscheidung war zu berücksichtigen, dass im Wesentlichen nur noch der Begriff der „Ehe“ zur Debatte steht und nicht mehr die rechtliche Gleichstellung. Diese haben wir bis auf die Volladoption, die im Laufe der Zeit wohl auch noch kommen wird, schon erreicht. Wir diskutieren also über die Frage, ob verheiratete Homosexuelle eine Ehe führen oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft. Ich kann nachempfinden, dass sich Homosexuelle diskriminiert fühlen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch immer wieder betont, dass die Ehe nach dem herkömmlichen Verständnis zwischen einer Frau und einem Mann besteht. Wenn man das ändern will, dann muss man die Verfassung ändern. Dafür bin ich offen.“ 


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Anette Kramme (SPD): Die SPD hat 2001 das Lebenspartnerschaftsgesetz eingeführt und immer darauf gedrängt, rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, zu beseitigen. Wir setzen uns für die Ehe für alle ein. Im Bundesrat wurde bereits beschlossen, den Gesetzentwurf des Landes Rheinland-Pfalz zur "Ehe für alle" auf den Weg zu bringen. Die Abstimmung im Bundestag ist daher kein Schnellschuss, sondern der Abschluss jahrelanger Diskussionen. Wir ergreifen die Chance, die gesellschaftliche Realität anzuerkennen – deshalb stimme ich mit ja.

Emmi Zeulner (CSU): Ich werde dem Antrag „Ehe für alle“ nicht zustimmen. Vorab: Dieses Thema derart für den Wahlkampf und die politischen Zwecke zu missbrauchen, wie es die SPD getan hat, ist unwürdig. Ich bin entschieden gegen jegliche Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren, und sollte ich eine solche Ungerechtigkeit in meinem Umfeld erleben, habe ich mich in Vergangenheit und werde ich mich auch zukünftig couragiert gegen eine solche stellen. Ich habe selbst in meinem engen Freundeskreis gleichgeschlechtliche Paare und respektiere selbstverständlich ihre Meinung zur „Ehe für alle“. Im Gegenzug hoffe ich auch, dass meine Meinung respektiert wird. Die hier geforderte Toleranz muss für beide Seiten gelten. Denn letztlich geht es darum, dass wir die Werte des anderen hören, respektieren und im besten Fall nachvollziehen können. Ich stehe hinter dem Grundsatzprogramm der CSU. Dies stellt die Ehe von Mann und Frau unter staatlichen Schutz und erkennt zugleich an, dass die Werte, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gelebt werden, grundlegend für unsere Gesellschaft sind. Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass alle Paare, gleichgeschlechtlich oder nicht, offiziell als „verheiratet“ bezeichnet werden. Somit wäre der Begriff der Ehe, die als Wesensmerkmal die Verschiedengeschlechtlichkeit innehat, nicht betroffen. Letztlich ist es für mich aber keine reine Gewissensentscheidung. Denn ich habe als direkt gewählte Abgeordnete einen Auftrag von meinen Wählern erhalten, sie auch in Berlin zu vertreten. Diese haben mich in dem Vertrauen gewählt, dass bestimmte Grundsätze nicht angetastet werden. Letztlich haben sich die gesellschaftlichen Werte und Anschauungen gewandelt, aber das christliche Wertebild ist in den Grundzügen dasselbe geblieben. Diese Beständigkeit hat nichts mit Diskriminierung zu tun, sondern ist Ausdruck einer Verlässlichkeit. Deswegen werde ich dem Antrag „Ehe für alle“ nicht zustimmen.

Das sagt Queer: „Meiner Meinung nach würde die Änderung zumindest von staatlicher Seite die strukturelle Diskriminierung homosexueller Menschen beseitigen“, sagt Anna Kretschmer, Sprecherin des Arbeitskreis Queer, der Teil des Hochschulparlaments der Universität Bayreuth ist. Die wichtigste Neuerung sei ihrer Ansicht nach die damit einhergehende Änderung des Adoptionsrechts. „Weil dadurch homosexuellen Paaren endlich zugesprochen wird, dass sie ebenso gut wie heterosexuelle Paare in der Lage sind, Verantwortung für Kinder zu übernehmen und ihnen Werte zu vermitteln. Schließlich zeigen Studien,  dass Kinder aus Regenbogenfamilien teilweise sogar toleranter sind als andere. Diese Entscheidung ist längst überfällig.“

Das sagt der Pfarrer: „Ich halte den Vorstoß der Bundeskanzlerin, dass die Entscheidung über die Ehe für alle eine Gewissensfrage ist, für angemessen“, sagt Martin Bachmann, einer von vier Pfarrern und Pfarrerinnen der evangelischen Kirchengemeinde St. Georgen. Er kann die verschiedenen Positionen aber gut nachfühlen: Die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe sei von staatlicher Seite gedacht sinnvoll, Diskriminierung und Nachordnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in der Gesellschaft hält Bachmann für nicht akzeptabel. Auch wenn er persönlich etwas anders fühlt: „Viel hängt ja davon ab, wie man selbst ins Leben geschickt wurde. Und ich glaube, dass es für ein Kind besser ist, wenn es in einer Partnerschaft von Vater und Mutter aufwächst, denn von jedem Geschlecht bekommt es ein Stück an Orientierung, an Prägung. Das fühle, empfinde und glaube ich – aber daraus darf sich natürlich keine rechtliche Benachteiligung ableiten“, sagt Bachmann. „Ich bin mir schließlich auch bewusst, dass viele Kinder in Partnerschaften aufwachsen, die nicht ideal laufen.“

Einzelne biblische Aussagen jedenfalls dürfen Bachmanns Meinung nach nicht als Argument gegen gleichgeschlechtliche Liebe hergenommen werden. „Vieles, was an biblischen Gegenargumenten genannt wird, muss man in dem zeitgeschichtlichen Kontext sehen, in dem sie stehen“, sagt er: „Für mich ist das Entscheidende, dass für Christen das Liebesgebot die oberste Regel ist, die im Ernstfall andere Regeln überbietet.“

In der evangelischen Kirche können aktuell gleichgeschlechtliche Paare eine Segnung erhalten. Ob dies in die eigenen Gemeinden möglich machen, entscheidet der jeweilige Kirchenvorstand. In St. Georgen ist dies möglich, im vergangenen Jahr gab es eine. Bachmann findet das gut: „Die Kirche hat in ihrer Geschichte an vielen Stellen lieblos gehandelt. Die Segnung einer homosexuellen Partnerschaft ist für mich in Ordnung.“ Er habe Kolleginnen und Kollegen, die homosexuell sind, sagt Bachmann: „Und ich finde es gut, dass dies in der evangelischen Kirche inzwischen möglich ist, dass eine völlige Gleichstellung im Dienstlichen gegeben ist.“

Das sagt der Rechtsprofessor: Die Unionsparteien bezweifeln die Verfassungskonformität der Ehe für alle. Das geplanten Gesetze sei nicht mit Artikel 6 des Grundgesetzes vereinbar, in dem die Ehe zwischen Mann und Frau geschützt wird. „Hier wird oft aneinander vorbeigeredet“, sagt Heinrich Wolff, Lehrstuhlinhaber für öffentliches Recht an der Universität Bayreuth dazu. Es gelte, gut zwischen dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und dem Grundgesetz  zu unterscheiden.

Der Gesetzgeber ändere nun voraussichtlich den Begriff der Ehe im BGB. Dies sei Wolffs Einschätzung nach in Ordnung – denn der Gesetzgeber sei nicht in der Pflicht, im BGB die gleichen Begriffe wie im Grundgesetz zu verwenden. „Es ist durchaus denkbar, dass das Grundgesetz von Ehe spricht und gemeint ist die Ehe zwischen Heterosexuellen. Und dass das BGB von Ehe spricht und gemeint ist die Ehe im Sinne des Grundgesetzes und zusätzlich die Ehe zwischen Homosexuellen. Dahinter stecke letztlich die Frage, ob der Grundgesetzartikel 6 so zu lesen ist, dass der einfache Gesetzgeber den Ehebegriff nur in diesem eingeschränkten Sinne lesen darf und genau das hält Wolff für unwahrscheinlich.

Eine zweite Frage sei, ob der Artikel 6 inhaltlich verbietet, dass homosexuelle Paare gleichgestellt werden. Auch zu dieser Frage glaubt Wolff aber, dass gleichgestellt werden darf: Die Entscheidungen liegen jeweils beim Bundesverfassungsgericht und bisherige Auslegungen und Äußerungen weisen Wolffs Einschätzung nach alle in diese Richtung.

Die Frage, die bleibt, sei aber: Reicht das? Für das eigentliche politische Ziel, das hinter der Ehe für alle steckt, müsste man an die Verfassung ran, sagt Wolff. Denn es gebe immer wieder Fälle, in denen die Verfassung zur Auslegung gebraucht wird, vor allem, wenn es um den Schutzanspruch geht, der im Artikel 6 steckt - zum Beispiel wenn es um den Nachzug von Eheleuten geht. „Dafür müsste man mit einer verfassungsrechtlichen Änderung an den Artikel 6 ran“, sagt Wolff. Dafür bedarf es Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat.

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