EHC-Trainer: Stolz auf seine Siegertypen

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Trainer Sergej Waßmiller gibt die Richtung vor, die Spieler folgen. Der große Zusammenhalt beim EHC Bayreuth war
 eines der Erfolgsgeheimnisse in dieser Saison. Foto: Peter Kolb Foto: red

Die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte ist für den EHC Bayreuth mit der Oberliga-Vizemeisterschaft und dem sportlichen Aufstieg in die DEL2 zu Ende gegangen. Viel Anspannung ist von Trainer Sergej Waßmiller abgefallen. Offen spricht er über die Schlüsselmomente der Saison, den Charakter seiner Mannschaft, den möglichen Aufstieg – und seine persönliche Zukunft.

 
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Als Sie am Mittwochmorgen aufgewacht sind, mussten Sie sich da zwicken? DEL2-Aufstieg und Vizemeister – das klingt doch wie ein Traum.
Sergej Waßmiller: So richtig realisiert habe ich das noch nicht. Zuerst musste ich heute Morgen aber an unsere Abfahrt in Tilburg denken. Wir sind Mitternacht in den Bus gestiegen, dann sind Trappers-Fans auf die Straße gekommen und haben uns applaudiert. Diese Anerkennung für unsere Leistung ist toll – und es war nicht die einzige: Aus ganz Deutschland und sogar aus dem Ausland haben wir Glückwünsche bekommen.

Vor der Saison hätten Sie bestimmt jeden für verrückt erklärt, der diese Saison vorausgesagt hätte?
Waßmiller: Stimmt, das war alles so nicht zu erwarten. Erst recht nicht, als früh Unruhe aufkam, weil der ehemalige EHC-Vorsitzende mit seinen hohen Saisonzielen enorm viel Druck auf die Mannschaft aufgebaut hat. Seine Forderungen vermittelten auch den Fans ein falsches Bild. Wir haben bewusst auf jüngere Spieler gesetzt, aber die brauchten auch Zeit, sich zu entwickeln. Doch es war schwierig, das in Ruhe anzugehen. Aber ich habe immer an die Mannschaft geglaubt und mit ihr konzentriert weiter gearbeitet. Ich wusste, dass wir eine tolle und charakterstarke Truppe haben. Und nach und nach haben alle mein System und meine Philosophie verstanden. Zudem hat jeder Spieler sehr viel Arbeit in den Erfolg gesteckt, deswegen sind wir so weit gekommen. Ab Dezember haben wir uns stetig verbessert und am Ende geniales Eishockey gezeigt.

Aber im Dezember lag auch noch der Tiefpunkt der Saison mit Spielern, die gehen mussten, einigen schlechten Auftritten und Waßmiller-raus-Rufen der Fans.
Waßmiller: Tiefpunkt würde ich das nicht nennen. Wir hatten einige Probleme, weil die Ergebnisse nicht gestimmt haben. Die Kritik war aber ungerecht, schließlich waren wir immer noch Zweiter. Und einer der Schlüsselmomente der Saison war die Trennung von einigen Spielern. Klar gab es Unruhe, aber in dieser Situation habe ich meine Mannschaft erst richtig kennengelernt. Man hat sofort gesehen, dass dieses personell reduzierte Team den Weg mit dem EHC weitergehen will. Die Jüngeren haben mehr Verantwortung übernommen, jeder hat seine Rolle gefunden. Die Atmosphäre stimmte von da an in der Mannschaft und es hat niemand den Fokus verloren. Es gibt eben nichts Größeres als das Team. In der schwierigen Phase ist das Team gewachsen und im Nachhinein muss ich sagen: Vielleicht haben wir diese Rückschläge gebraucht.

Was haben Sie aus der schwierigen Phase gelernt, in der Ihr Rauswurf gefordert wurde?
Waßmiller: Jede Erfahrung – ob gut oder schlecht – bringt mich als Person weiter. Ich denke, ich bin mit der Kritik sehr fair umgegangen. Es war eine wichtige Lehre für mich, aus der ich die richtigen Schlüsse gezogen habe.

Die von Ihnen angesprochene Entwicklung des Teams – war das der Schlüssel zum Erfolg?
Waßmiller: Ganz sicher. Jeder Spieler hat einen wahnsinnigen Sprung nach vorne gemacht. Viele haben gesehen, was durch harte Arbeit, die passende Einstellung, mentale Stärke, die richtige Vorbereitung auf das Training und die Spiele alles möglich ist. Ein Begriff charakterisiert die Mannschaft besonders: Siegertypen. Egal wie es steht, ans Aufgeben denkt keiner.

Dieser Kampfgeist brachte den Tigers viele Siege ein. Welche Erfolge zählen Sie zu den Höhepunkten der Saison?
Waßmiller: Die Halbfinalserie gegen Regensburg war brutal, auch die drei gewonnenen Derbys gegen Selb vor vollem Haus bleiben in Erinnerung. Aber der Höhepunkt war eigentlich, dass es uns gelungen ist, in der Region Bayreuth eine Eishockeyeuphorie auszulösen. Das schafft man als Sportler selten. Mit unserem kleinen Kader solche tollen Playoff-Spiele aufs Eis zu zaubern und das noch vor solchen Kulissen, es war alles wie ein Traum. Der enge Spielrhythmus hat uns nicht viel Zeit zum Nachdenken gelassen. Wir sind gerollt, gerollt und gerollt.

Doch irgendwann war der Akku leer, für den Titel hat es ja nicht ganz gereicht.
Waßmiller: Wir haben alles gegeben, mussten aber anerkennen, dass Tilburg mit seinen ausgeglichen besetzten Reihen eben besser und frischer war. Jeder von uns hätte noch mal zehn Prozent zulegen müssen, doch dafür waren wir zu platt. Unser Endspiel war zudem schon das Halbfinale. Da haben wir alles reingeworfen und den großen Favoriten Regensburg besiegt.

Wie viel Kraft hat Sie diese Saison gekostet?
Waßmiller: Sehr, sehr viel. Ich bin momentan richtig leer und muss dringend abschalten. Ich fliege demnächst mit meiner Frau einfach mal weg, schalte das Handy aus und denke nicht über Eishockey nach.

Aber die nächste Saison wird kommen. Was ist Ihr Wunsch für die kommende Spielzeit: DEL2 oder Oberliga?
Waßmiller: Ganz klar wünsche ich mir, dass der EHC Bayreuth in der DEL2 startet. Die Mannschaft hat sich den Aufstieg einfach verdient. Man darf ja nicht vergessen, dass das Gerüst des Teams schon zu Bayernliga-Zeiten für den EHC spielte. Seitdem haben sich die Spieler immer weiter entwickelt. Bayernliga-Titel, dann in der Spitze der Oberliga festgesetzt und jetzt der Aufstieg in die zweite Liga. Hut ab!

Hat Sie ein Spieler in dieser Saison besonders beeindruckt?
Waßmiller: Wichtig war, dass wir ein starkes Team geworden sind. Jeder, wirklich jeder Spieler hat seine Rolle ausgefüllt. Eine Überraschung war natürlich,  wie Jan Pavlu als Verteidiger gespielt hat, dann hat Fedor Kolupaylo eine überragende Entwicklung genommen. Oder Spieler wie Johannes Feuerpfeil, die immer weiter an sich gearbeitet haben. Dann ist da Christopher Kasten, der spielerisch und menschlich gereift ist. Ich könnte jeden Einzelnen hier aufzählen, jeder hat Lob verdient. Gleiches gilt für die Betreuer, die Fans, die Sponsoren. Alle haben zu diesem Erfolg beigetragen. Wir hatten keinen einzigen blinden Passagier an Bord. Deshalb war die Saison auch für mich so beeindruckend, so etwas habe ich noch nie erlebt.

Werden wir Sie ein weiteres Jahr als Trainer beim EHC erleben? Ihr Vertrag ist ja ausgelaufen.
Waßmiller: Die DEL2 reizt mich, und mit dieser Mannschaft kann man in jeden Krieg ziehen. Aber noch ist es zu früh, über eine Vertragsverlängerung zu reden. Ich muss jetzt zunächst die Saison Revue passieren lassen und mir selbst Gedanken über die Zukunft machen. Und wer weiß, ob der EHC-Vorstand überhaupt mit mir weiter arbeiten will. Das müssen wir in gemeinsamen Gesprächen klären. Spätestens Ende Mai wissen wir mehr.

 

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