Egloffstein trauert um Oleg Popow

Von Thomas Körbel,, und Renate Allwicher
Mit den Worten "als ob man Rosen an den Dornen anfasst", beschreibt der russische Clown und Pantomime Oleg Popov die Empfindsamkeit, die für das Clownsein nötig ist. Als freundlich und einfühlsam erlebten ihn sein 25 Jahren auch seine Egloffsteiner Mitbürger. Der Bürgermeister seiner fränkischen Wahlheimat würde Popov am liebsten ein Denkmal bauen. Foto: Horst Ossinger/dpa Foto: red

In der fränkischen Marktgemeinde Egloffstein kannte nahezu jeder Oleg Popow, den weltberühmten russischen Clown, sagt Bürgermeister Stefan Förtsch. Popow lebte hier seit 1991. Am Mittwoch ist er gestorben. Einen herzlicheren Abschied hätte er sich kaum wünschen können: Mitreißend und herzerweichend wie eh und je fing der 86-jährige Künstler bei einem Gastspiel im südrussischen Rostow am Don die Sonnenstrahlen in einem Korb ein – eine seiner beliebtesten Nummern. Am Abend starb Popow an Herzversagen. Er sei friedlich in einem Sessel eingeschlummert, heißt es.

 
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„Popow hat Egloffstein wohl als Rückzugsort angesehen“, sagt Förtsch. Hier war er nicht der weltberühmte Clown, sondern der ganz normale Mensch, der seine Sachen beim Bäcker, beim Metzger, beim Wertstoffhof erledigt.“ Die Marktgemeinde in der Fränkischen Schweiz ist der Heimatort von Popows Ehefrau Gabi. Seit 25 Jahren gehörte das Ehepaar Popow hier dazu. Weil Popow Deutsch zwar schlecht sprach, aber sehr gut verstand, war er beim gesellschaftlichen Leben in der Gemeinde voll dabei, berichtet der Bürgermeister, egal ob bei Theaterabenden oder beim Freibadfest.

Er liebte das fränkische Leben

„Er liebte das fränkische Leben und die fränkische Kultur, man hat gemerkt, dass er sich hier sehr wohl gefühlt hat“, sagt Förtsch. 2012 oder 2013 habe Popow ein Lied über Egloffstein gedichtet. Auf russisch – die Übersetzung ins Deutsche mit stimmigem Versmaß habe der Fränkische-Schweiz-Verein übernommen. „Ich könnte mir vorstellen, einen Gedenkstein für Popow in Egloffstein zu errichten“, sagt Förtsch, der den großen Clown zu runden Geburtstagen besuchte und ganz privat kannte. Am meisten werde er Popows warmherzige Art vermissen. „Er hatte immer ein Lächeln und ein offenes Ohr.“ Die Witwe hätte gerne, dass Popow in Egloffstein beerdigt wird, sagte der Bürgermeister. Noch habe Russland dem Wunsch aber nicht zugestimmt.

"Als ob man die Dornen einer Rose anfasst"

„Ein Clown sollte in erster Linie ein guter Mensch sein – sympathisch und optimistisch“, sagte Popow einst. „Lediglich eine rote Nase aufzusetzen und lustig zu sein – so einfach ist es nicht. Um gut zu sein, muss man so arbeiten, als ob man die Dornen einer Rose anfasst.“ Popows Leben begann nicht als das eines Spaßmachers, der damit rechnen durfte, 1981 den Goldenen Clown zu gewinnen, den Oscar der Zirkuswelt. Geboren 1930 in der Ortschaft Wyrubowo bei Moskau, verlor er früh seinen Vater. Der Uhrmacher wurde 1941 wegen angeblicher „Missachtung“ von Sowjetdiktator Josef Stalin verhaftet und starb im Gefängnis.

"Ein Clown sollte nicht einer Partei folgen, sondern seinem Gewissen"

Nach einer vom Mangel in Weltkriegszeiten geprägten Kindheit begann Popow eine Schlosserlehre. Als er mit einem Auftritt bei einer Sportveranstaltung auf sich aufmerksam machte, bekam er überraschend einen Platz in einer renommierten Artisten-Schule. In der Sowjetunion nahm Popow eine zweideutige Position ein. Einerseits wurde er als Volkskünstler gefeiert und mit Preisen geehrt, andererseits parodierte er bei Auftritten auch das Politbüro. Mitglied der Kommunistischen Partei wurde er nie. „Ein Clown sollte nicht einer Partei folgen, sondern seinem Gewissen“, sagte Popow später.

Fast ein Vierteljahrhundert fern der russischen Heimat

Nach dem Ende der UdSSR 1991 brach er mit seiner Heimat. Popow stritt um die Zirkusleitung und verlor in der russischen Bankenkrise viel Geld. Fast ein Vierteljahrhundert lang kehrte Popow Russland den Rücken. Erst 2015 kehrte er für einen Gastauftritt in Sotschi nach Russland zurück. Später sagte er darüber, er habe lange daran gedacht, seine Karriere zu beenden. „Aber als ich in die Arena kam und der ganze Zirkus aufgestanden ist und applaudiert hat, und ich gefühlt habe, dass die Zuschauer den ganzen Tag so klatschen könnten, da habe ich so etwas wie einen zweiten Atem bekommen. Die Russen haben mir diesen Atem eingehaucht.“ Die Zirkuswelt feiert Popow als das Gesicht einer Ära, die mit seinem Tod zu Ende geht. „Es gibt heute im russischen Zirkus keine Figur von der Bedeutung Oleg Popows“, sagt Edgard Sapaschni, Leiter des Moskauer Staatszirkus. „Der letzte Mohikaner ist gestorben.“

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