Mit der Regionalbahn durch Deutschland
Der junge Mann stürmt los, das Paar sieht enttäuscht aus. Nach Berlin würden sie fahren, hatte Kamil Aid, der Mann, erzählt. Aber Berlin heißt Burbach. Und heute kommen sie nicht mehr aus Bayreuth weg. Mit der nächsten Verbindung müssten die beiden nämlich nach Mitternacht stundenlang in Gießen auf den Anschluss warten. „Da kann zu viel passieren, ich nehme Sie mit in die Unterkunft“, sagt Vogler. Also in die Wilhelm-Busch-Straße. „Da haben Sie ein Dach überm Kopf und bekommen etwas zu essen.“
Bayreuth ist für die Hälfte der Ankömmlinge Durchgangsstation. Viele werden mit dem Bus durch die Republik vor ihre Unterkunft gefahren. Würde aber kein Bus voll, weil die Flüchtlinge auf unterschiedliche Orte verteilt werden, müssen sie den Zug nehmen. Also die Regionalbahn, weil die am günstigsten ist. Und wenn es von der Endstation noch sechs Kilometer zur Unterkunft sind, müssen sie sich dorthin durchschlagen. „Es gibt Flüchtlinge, die sind noch nie in ihrem Leben Zug gefahren“, sagt Vogler.
Helfer könnten Flüchtlingen das Bahnfahren erklären
Deshalb hat der Verein Bunt statt Braun von Oktober bis Dezember 2014 den Flüchtlingen die Fahrpläne am Bahnhof erklärt, sagt Isabel Löwentraut vom Vorstand. „Danach haben wir uns zurückgezogen, weil das nicht die Aufgabe von Ehrenamtlichen sein kann.“ Sie stand schon allein mit 30 Flüchtlingen im Bahnhof, die in zehn verschiedene Städte fahren sollten. Die Regierung habe den Verein vor Kurzem aber gebeten: Wenn sich Helfer melden, schickt sie zum Bahnhof. Damit sie nach Flüchtlingen Ausschau zu halten und ihnen das Bahnfahren erklären.
Vogler erklärt ihnen jetzt etwas anderes. Dass sie es in kleine Städten einfacher haben als in großen. Weil dort weniger Menschen sind, die sie umso schneller aufnehmen, ihnen bei der Arbeitssuche helfen können. Dass sie dort schneller Deutsch lernen. „Wenn Ihr könnt, geht in kleine Städte.“ Er wohnt in einem kleinen Ort. Dort wissen die Leute, dass er mit Flüchtlingen arbeitet. Und stellen für sie Stofftiere und Kleider hinter seine Garage.
Abdullah Sarhan geht heute erst mal nirgendwo hin. Er hat den Zug nicht verpasst. Aber nur drei Cent in der Tasche. Ohne Taschengeld will ihn Vogler nicht auf die Reise schicken. Er könnte sich bei der Hitze nicht einmal ein Wasser kaufen. Heißt: Noch eine Nacht in Bayreuth.
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