Drogenhandel aus der Entzugsklinik heraus?

Von Marie-Christine Fischer
Symbolfoto: David Ebener/dpa Foto: red

Weil er Crystal-Meth nach Deutschland geschmuggelt und hier verkauft haben soll, muss sich Michael Peter S. aus dem östlichen Landkreis vor dem Landgericht Bayreuth verantworten. Am ersten Verhandlungstag wird schnell klar: Eine weiße Weste hat der 27-Jährige nicht. Nur: War S. nur Mittäter? Oder vielmehr derjenige, der das Geschäft erst so richtig ins Rollen brachte - und selbst dann noch die Fäden zog, als er im Bezirkskrankenhaus einsaß?

 
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Insgesamt vier Mal, so steht es in der Anklage, ist Michael Peter S. im November und Dezember vergangenen Jahres nach Tschechien gefahren, um dort auf einem illegalen Markt Crystal zu kaufen. Mit im Wagen saßen Andreas G. (22) und Michael S. (23). Schmuggelten die drei bei ihrer ersten Fahrt 50 Gramm Crystal über die Grenze, waren es bei der zweiten und dritten je 100 Gramm, bei der vierten gar 130 Gramm. Wiederverkaufswert: rund 50 Euro pro Gramm.

Zeugenaussagen widersprechen sich massiv

Bevor Michael Peter S. zu ihnen stieß, hatten G. und S. schon mehrfach zu zweit Crystal aus Tschechien nach Deutschland geschmuggelt. Beide wurden deshalb zwischenzeitlich verurteilt, beide sitzen ein - doch während S. den Angeklagten am Mittwoch mit seiner Aussage entlastet, belastet G. den Angeklagten massiv.

In der Version von S. geht die Geschichte so: Die drei lernen sich über einen Mann in Bamberg kennen, den Abnehmer der Drogen, die G. und S. beschaffen. Man versteht sich. "Wir haben die gleichen Interessen, an Autos herumschrauben und Autorennen." Sie verabreden, gemeinsam nach Tschechien zu fahren - jedoch ohne, dass dem Angeklagten klar ist, dass sie dort Crystal kaufen werden.

"Michael hat mir erzählt, dass er früher mal Drogen geschmuggelt hat, damit aber nichts mehr zu tun haben will", berichtet S. "Ich habe trotzdem Crystal mitgenommen, ohne, dass er davon wusste." Eine ziemlich abenteuerliche Geschichte, befindet Richter Michael Eckstein. Doch S. hält daran fest.

War der Angeklage Anführer der Truppe?

Ganz anders stellt sich die Sache in der Version von Andreas G. dar. Bei der ersten gemeinsamen Tschechienfahrt hätten die drei besprochen, dass Michael Peter S. "jetzt mit einsteigt". Mehr noch: Der Angeklagte habe schnell "das Wort übernommen." "Ab dem Zeitpunkt, wo er dabei war, hat er die Geschäfte geführt." Glaubt man G., ist Michael Peter S. auch mindestens einmal bei der Übergabe der Drogen an den Bamberger dabei und bringt selbst einen zweiten Abnehmer ins Spiel, einen Mann aus Hollfeld.

Entzug scheint nichts zu ändern

Ende Dezember 2015 muss Michael Peter S. ins Bezirkskrankenhaus, Drogenentzug. Der Anklage zufolge mischt er jedoch aus der Klink heraus weiter in dem illegalen Geschäft mit. G. stützt den Vorwurf. Als er Michael Peter S. im Februar im Bezirkskrankenhaus besucht habe, eine Packung Zigaretten in Gepäck, habe der ihm aufgetragen, sich bei den Abnehmern in Bamberg und Hollfeld zu melden und weitere Fahrten nach Tschechien zu organisieren.

Ob Michael Peter S. ihm mit Konsequenzen gedroht hat, für den Fall, dass er das Geschäft nicht am Laufen hält, will Staatsanwalt Holger Gebhardt wissen. "Nein, Drohungen gab es nicht", antwortet G. Dennoch lässt er das Geschäft nicht einfach sein. Er fährt noch zwei weitere Male für den Bamberger, zwei weitere Male für den Hollfelder zum Drogeneinkauf.

Urteil steht noch aus

Endgültig Schluss damit ist erst im März. G. ist ins Visier der Fahnder geraten. Nach einer Tschechien-Fahrt mit seiner Freundin nimmt die Polizei ihn fest, wenngleich G. von dieser Tour ohne Drogen im Gepäck zurück kommt.

Welche Rolle spielte Michael Peter S.? Selbst sagt der Angeklagte am Mittwoch nicht aus. Über seine Verteidigerin Doris Benker-Roth lässt er wissen, er sei in den Rauschgifthandel nie richtig eingebunden geschweige denn der Anführer der Truppe gewesen. Die Aussage von Andreas G. legt anderes nahe - zumal sich dieser mit seinen Aussagen teils selbst belastet hat. Sein Urteil wird das Gericht voraussichtlich am Freitag fällen.

Hintergrund: Crystal weiterhin ein Riesenproblem

Crystal ist leicht herzustellen, macht extrem schnell abhängig - und ist in Mode. Im Lauf des Jahres 2010 hatten bayerische Zollfahnder rund 5,6 Kilogramm Crystal sichergestellt. Die Zahl stieg rasant, auf 36 Kilogramm 2013. Zwar ging sie dann dann wieder zurück, auf rund 15 Kilogramm 2015 (Zahlen für 2016 liegen noch nicht vor).

Anlass zur Entwarnung sieht das bayerische Innenministerium aber noch lange nicht. Die rückläufige Menge sei vielmehr Ergebnis der massiven Kontrollen durch Schleierfahnder. "Auch 2016 setzten wir hier einen entsprechenden Schwerpunkt."

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