Drei Geschichten zum Fun Run

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Rudolf Boisits ist mit 79 Jahren ältester Teilnehmer beim diesjährigen Fun Run. Foto: Peter Kolb Foto: red

Das größte Laufereignis der Region Bayreuth jährt sich am kommenden Sonntag zum 15. Mal. Fast alle Startplätze von Maisel’s Fun Run sind vergeben. Viele der Teilnehmer verbinden mit dem Lauf eine persönliche Geschichte – vier Starter erzählen, warum der Fun Run für sie etwas Besonderes ist.

 
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DER RENNENDE RENTNER

Rudolf Boisits kann nicht ruhig sitzen. Ob in seiner Wohnung oder in der Natur, der Warmensteinacher ist permanent auf Achse. Das Besondere daran: Boisits ist bereits 79 Jahre alt – und damit der älteste Starter beim diesjährigen Fun Run.

„Ach weißt, ich muss einfach immer was tun“, sagt der gebürtige Burgenländer. Der österreichische Dialekt schlägt auch nach 50 Jahren in Deutschland noch durch. Boisits richtet seinen Körper auf, seine Augen beginnen zu strahlen: „Und das Laufen, das gibt mir ein Gefühl der Freiheit.“

Einengen ließ Boisits sich in seinem Leben noch nie. Er beginnt zu erzählen. Von seiner Zeit beim Militär. Von seiner Lehrzeit als Kellner und Koch. Von seiner Arbeit in einem Restaurant nahe der Oper in Wien.

Autogramm von Elizabeth Taylor

Plötzlich springt der 79-Jährige auf, rennt in das Nebenzimmer seiner Wohnung, sucht etwas: „Ach, das glaubst ja gar nicht. War das eine schöne Zeit.“ Er lacht. In seiner Hand ein Büchlein, er blättert. Auf jeder Seite eine Unterschrift und ein Datum. Die meisten Autogramme sind von Opernsängern, aber auch die Ex-Bundeskanzler Willy Brandt (Deutschland) und Bruno Kreisky (Österreich) haben sich darin verewigt.

Doch die für ihn berühmtesten Promis traf Boisits 1965: Mittlerweile hatte er den Job gewechselt und als Steward auf dem Kreuzfahrtschiff Queen Elizabeth angeheuert. Unter den Gästen waren auch die Hollywoodstars Elizabeth Taylor und Richard Burton.

„Und kurz drauf haben sie mich erwischt, als ich ein paar Zigaretten geschmuggelt habe“, erinnert sich der Warmensteinacher. Wieder dieses markante Lachen. „Aber das Rauchen habe ich 1974 aufgehört, nur abends ein Pfeifchen und einen kleinen Whiskey – das gönne ich mir schon gerne.“

Man müsse nicht asketisch leben, um fit zu bleiben. Auf seine Ernährung achtet er aber schon: Viel Salat, oft vegetarisch und wenig Fett beim Kochen.

Schon immer viel Sport

„Und viel Sport habe ich schon immer gemacht.“ Nach dem Aufstehen geht es für zehn Minuten auf den Hometrainer. Jeden Tag Bewegung, und wenn es nur „ein paar Kilometer Laufen“ sind.

Seinen blauen Kleinwagen nutzt der Rentner nur selten, 3000 Kilometer im Jahr fährt er damit, mehr nicht. „Den Rest lege ich mit dem Rad oder zu Fuß zurück. Aber richtig mit dem Laufen habe ich erst relativ spät angefangen.“

Als er Anfang der 1990er Leiter der Gastronomie in der Hofer Freiheitshalle war – sein eigenes Restaurant am Bodensee hatte er zuvor nach zehn Jahren aufgegeben – wurden die Trainingsrunden am Untreusee immer intensiver. Damals war Boisits 54.

Wenige Jahre später konnte er auf fünf Starts beim Berlin-Marathon zurückblicken. Die 42,195 km lange Strecke in Wien lief er 1999 – nur ein halbes Jahr nach einer Bandscheibenoperation.

Die Wohnung ist ein Archiv

„Ach, mei“ – wieder springt Boisits auf, kramt eine dunkle Flasche hervor und wischt eine mehrere Millimeter dicke Staubschicht weg. Ein Wein, Jahrgang 1989. „Das war mein Preis für die Teilnahme am Médoc-Marathon. Ein toller Lauf durch französische Weinberge.“

Boisits’ Wohnung ist ein Archiv. Nahezu jeder Einrichtungsgegenstand des leidenschaftlichen Sammlers erzählt eine Geschichte. Eine Geschichte, die Teil seines Lebens ist: Eine Sammlung Bierkrüge, alle von der Erlanger Bergkirchweih. Dort ist er seit Jahrzehnten Stammgast. Die Anreise? Natürlich mit dem Rad.

Ein Schachspiel aus Zinn, gekauft im südafrikanischen Kapstadt. Aktuell spielt er das „Spiel der Könige“ oft mit Flüchtlingen – nachdem er ihnen Deutschunterricht gegeben hat. Ein Bild von der Prager Altstadt, dort ist Boisits auch schon einen Marathon gelaufen.

Scherzhafte Warnung vom Friseur

Und natürlich gibt es auch eine Wand mit Erinnerungen an seine drei Starts beim Fun Run. „Das ist immer eine Gaudi“, sagt der Rentner. Er freut sich auf die familiäre Atmosphäre, auf die laut applaudierenden Zuschauer, die gerade ihm als älteren Läufer immer wieder anerkennend zunicken.

Dann denkt Boisits an seinen mehr als vierzig Jahre jüngeren Friseur. Der hat ihn scherzhaft gewarnt, Boisits solle ihn diesmal nicht wieder auf der 10-km-Strecke überholen. „Ich hab’ halt Ausdauer und bin fit“, sagt der 79-Jährige und klopft sich auf den Bauch, um zu zeigen, dass da kaum ein Gramm Fett zu finden ist.

Er ist stolz auf seine sportlichen Leistungen – und lehnt sich zum ersten Mal seit längerer Zeit gemütlich in seinen Stuhl zurück.

DER EHEMALIGE SPORTMUFFEL

Anja Hornig startet in diesem Jahr zum zehnten Mal beim Fun Run. Der Bayreuther Lauf ist für die Bindlacherin eine Herzensangelegenheit, denn ihre erste Teilnahme veränderte ihr Leben. Auch wenn die 29-Jährige dabei „durch die Hölle gehen musste“.

An den 14. Mai 2007 kann sich Hornig genau erinnern: „Ich habe gedacht, meine Oberschenkel brechen auseinander. Ich konnte vor Schmerzen nur geradeaus gehen – und das nur mit durchgestreckten Beinen.“

Vom Fun Run zum Marathon: Anja Hornig lief die 42,196 Kilometer auch schon in Chicago. Foto: privat

Am Tag zuvor war sie zum ersten Mal zehn Kilometer beim Fun Run gelaufen. Sie, die zuvor zwei Jahre lang bekennender Sportmuffel war. Sich auf der Coach wohl fühlte und an Ausdauersport keinen Gedanken verschwendete. „Irgendwann wusste ich: So kann es nicht mit mir weitergehen.“ Hornig raffte sich auf, ging mit einer Arbeitskollegin auf eine „langsame Joggingrunde“ und meldete sich kurz darauf für den Fun Run an.

Wendepunkt im Leben

„Diese Entscheidung war ein Wendepunkt in meinem Leben“, sagt die 29-Jährige. Jetzt gab es kein Zurück mehr, sie packte der Ehrgeiz, man will sich ja nicht bei seiner Laufpremiere blamieren und Letzter werden. Fitness-Fortschritte stellten sich ein.

„Mir ging es allgemein immer besser, ich war ausgeglichener – und bald passten mir auch zwei Nummern kleinere Hosen.“ Und dann war da noch das Gefühl nach dem Zieleinlauf beim Fun Run 2007. „Diese Euphorie, dieses Adrenalin – ein geiler Stoff –, diese Emotionen“, beschreibt Hornig, was in ihr vorging. „Davon zehrt man Wochen, Monate. Die körperlichen Probleme sind da schon lange weg. Schmerz geht, Stolz bleibt – ich habe heute noch bei jedem Marathon-Zieleinlauf Tränen der Freude in den Augen.“

Süchtig nach Glücksmomenten

Richtig, mittlerweile ist Hornig Marathonläuferin. Bereits 2009 – zwei Jahre nach ihrem Laufdebüt – absolvierte sie die 42,195-km-Strecke in Wien, danach in Luxemburg, München, Hamburg, Dublin und Chicago. Die Bestzeit der Bindlacherin liegt bei 3:45 Stunden. Sport und vor allem der Langstreckenlauf sind für sie unverzichtbar geworden: „Ich bin süchtig nach diesen Glücksmomenten beim Laufen.“

Dabei kommt es der Freizeitläuferin – so bezeichnet sie sich selbst – nicht auf Platzierungen an. Wichtiger sei es, Spaß zu haben. Sich selbst wieder ein Stück besser kennengelernt zu haben. Zu wissen, dass der innere Schweinehund ein weiteres Mal verloren hat.

Zudem genießt sie die Anfeuerungsrufe der Zuschauer, saugt die Stimmung auf. Und beim Fun Run, ihrem Lieblingslauf, macht sie das besonders gerne. „Man trifft viele Bekannte, meine Familie feuert mich an“, sagt Hornig. „Bayreuth steht einfach für drei Stunden Kopf. Ich hoffe, den Fun Run gibt es noch ewig.“

DIE AMBITIONIERTEN NACHWUCHSLÄUFER

Bereits lange vor dem Beginn des Halbmarathons herrscht im Startbereich beim Fun Run großer Trubel. Eltern sprechen ihren Kindern Mut zu, kleben Startnummer auf T-Shirts. Jugendliche machen sich warm, dehnen sich. Nervosität macht sich breit. Gleich starten die Nachwuchsläufe. Auch Paula Goebel (13 Jahre) und Katharina Schupfner (14) sind dieses Jahr wieder beim Schülerlauf dabei.

„Die 2,5 Kilometer sind kein Problem, das schaffen wir locker“, sagt Paula. Sie weiß, wovon sie spricht: Bambini-Rennen (400 Meter), Kinderlauf (800 m) und jetzt der längste Nachwuchswettbewerb – Paula hat alles schon absolviert. „Der Fun Run macht einfach Spaß“, sagt die 13-Jährige.

Fit für den Fun Run: Die Schülerinnen Paula Goebel (rechts) und Katharina Schupfner. Foto: Ernstberger

„Und es ist schon cool, wenn man auf der Strecke die Jungs überholt“, ergänzt ihre Schulfreundin Katharina. Zwar haben sich die beiden keine bestimmte Einzelplatzierung vorgenommen, aber Ehrgeiz entwickeln sie schon. Mit ihrem Fünferteam wollen sie die schnellste Mädchengruppe sein. Dafür gibt es auch die eine oder andere Trainingseinheit – alleine und auch mit dem Team.

Motivation durch die Familie

„Es ist ein tolles Gefühl, wenn man weiß, dass man vorne dabei ist. Das macht einen schon stolz“, sagt Paula. Genauso genießt sie die Anfeuerungsrufe des Publikums im Startbereich und am Marktplatz. Wenn sie an ihrer Familie vorbeiläuft, erhöht sie ihr Tempo nochmals. Man will ja zeigen, was man drauf hat.

Katharina spart sich ihre Kräfte für den Schlussspurt und hat sich schon eine Taktik zurechtgelegt: „Ich suche mir einen vor mir laufenden Konkurrenten aus und gebe alles, um ihn auf den letzten Metern noch einzuholen.“ Doch egal, welche Taktik, bei einem Punkt sind sich die beiden Schülerinnen einig: Der Lauf geht viel zu schnell vorbei.

Und auch nach dem Zieleinlauf bleibt nicht viel Zeit. Jetzt werden die beiden Hobbyläufer zu Fans. Die Rennvorbereitungen der Erwachsenen werden genau studiert, vielleicht kann man sich ja noch Tricks abschauen – und dann wird angefeuert. „In einigen Jahren wollen wir auch die 10–Kilometer-Strecke laufen“, sagen die zwei Nachwuchssportlerinnen.

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