Dreharbeiten: DDR in der Stadthalle

Von Michael Weiser
Besuch am Filmset von "Vorwärts immer" in der Stadthalle. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Die Filmcrew von "Vorwärts immer" ist für Dreharbeiten nach Bayreuth gekommen. Nicht, weil die Stadt so hübsch ist, sondern wegen des angestaubten Charmes der Stadthalle. Wir waren zu Besuch in der DDR - ääh, am Set.

 
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Auf der Bühne des Großen Hauses der Stadthalle ist ein Büro entstanden. Parkettboden, holzgetäfelte Wände, daran Erinnerungsfotos sozialistischer Männerfreundschaften, es dominiert ein Schreibtisch mit mächtiger Lenin-Büste, am Fenster kümmert ein Kasten mit einer Topfpflanze vor sich hin. Einige Männer hasten hin und her, schleppen Kabel und Gerät, hinter den Wänden wachsen Masten empor, sie tragen quadratische Segel, die Licht reflektieren. Irgendwann ersucht jemand um Ruhe, eher mild, nicht im Tone eines Diktators, er verziert die Aufforderung sogar mit einem „Bitte!“ Binnen weniger Sekunden können die Proben beginnen.

Ja, doch, einigermaßen entspannt laufe das alles, die Dreharbeiten, sagt Franziska Meletzky, die Regisseurin des Films „Vorwärts immer“. „Wunderbares Team, die Mitarbeiter, die ich immer haben wollte“. Nur die schmalen Lippen verraten, dass sie unter Stress steht. Vier Tage Dreharbeiten haben sie und ihr Team in Bayreuth, 50 Leute, die koordiniert werden müssen, und irgendwas ist immer.

Draußen stehen Techniker vorm Catering-Laster, sie nippen am Pappbecher, treten von einem Fuß auf den andern, die Jackenkragen hochgeschlagen. Es ist eher windig und nass als kalt, dennoch ungemütlich. Vielleicht drückt das Wetter auf die Stimmung.

Wieder ist ein Diktator im Spiel

Bayreuth ist zuletzt in „Er ist wieder da!“ zu sehen gewesen, dem Film über den in die Gegenwart zurückgekehrten Hitler. Nun gibt die Stadt wieder die Kulisse ab für einen Film über einen abgehalfterten Diktator:

Erich Honecker, in den letzten Tagen seines Regimes. Der sächselnde Saarländer an der Spitze der DDR schlägt verzweifelt um sich, und Schauspieler, die eigentlich für ein subversives Stück proben, müssen ihre Kunst auf einmal im Ernst des Lebens zeigen. Das klingt spannend, das führt sicherlich zu Verwicklungen, derlei kann bei aller Tragik sogar witzig werden, wie man an Ernst Lubitschs Film „Sein oder Nichtsein“ sehen kann. Nur: Lubitschs Streifen aus dem Jahre 1942 ist ein Klassiker, der Film hier ist erst im Entstehen.

Mehr DDR geht nicht

Die Filmcrew hat 48 Parkplätze auf dem Geißmarkt gebucht, die Schauspieler wohnen im Hotel Rheingold, die Stadthalle einschließlich des kleinen Hauses dient als Kulisse. Nach Bayreuth ist man nicht wegen der besonderen Schönheit der Stadt gekommen, sondern wegen des angestaubten Charmes der Stadthalle. Irgendwann, so sieht es das Drehbuch vor, wird die Kamera vom Büro auf der Bühne zurückschwenken, in den Zuschauerraum. Schließlich geht es in dem Film um Theater im Theater. Darum auch, was Wirklichkeit in einer Welt des Blendens und Täuschens ist. Und um zu zeigen, wie überkommen diese Wirklichkeit ist, haben die Filmemacher keinen besseren Ort gefunden als die Stadthalle: Mehr DDR geht nun wirklich nicht.

An den Protagonisten der Filmproduktion lässt sich ganz gut ablesen, wie die Stadthalle Meinungen spalten kann. Andre Jung ist am einen Ende des Meinungsspektrums. Er spielt den Erich Mielke, in der hellen Kluft eines DDR-Generals. „Ich bin kein Freund von Uniformen“, sagt er, er hat ein schlechtes Gefühl dabei, „als ich mal einen Wehrmachtsoffizier spielen musste, wurde mir ganz anders“. Andre Jung ist ein begnadeter Theaterschauspieler, er wirkte lange Jahre an den Münchner Kammerspielen. „Ich habe so viele Theater gesehen, dass mich nichts mehr wundert“, sagt er. Aber: „Man müsste schon ein sehr gutes Ensemble haben, um hier spielen zu wollen.“

Regisseurin schwärmt von der Architektur

Regisseurin Franziska Meletzky hingegen denkt nur an ihren Film, ans matte Grün und fahle Gold der Stadthalle. „Großartige Architektur“, sagt sie, „große Farben“. Und sie mag die Bühne: „Das sind genau die Bretter, die ich mir vorstelle, die Bretter, die die Welt bedeuten.“ Deutschlandweit habe sie nichts dergleichen gesehen: „Wunderbar.“

Das gilt für den Film, wie gesagt. In ein paar Tagen zieht die Karawane weiter. Und die Bayreuther werden weiter darüber beraten, wie sie umgehen mit einer Bühne, die die Welt bedeutet. Die Welt von gestern.