Domküken: Schöne Routine

Von Frank Piontek
Der Nachwuchschor der Regensburger Domspatzen in der Schlosskirche. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Regensburger Domspatzen, war da nicht mal was? Ja, auch an dieser altehrwüridgen Schule gab es Gewalt. Man denkt kurz daran und vergisst es beim Konzert des Domspatzen-Nachwuchschors in der Schlosskirche schnell - wegen der schönen Gewalt der Musik. 

 
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Manchmal kommt dem Musikkritiker ein ketzerischer Gedanke: Scheint es nicht so, als sei die Musik das Originellste gewesen, was das Christentum erfunden hat?

Denn ausnahmslos alle Züge, die mit der historisch kaum nachweisbaren Lebensgeschichte Jesu zusammenhängen, finden sich bereits einschließlich Krippe und Jungfrauengeburt in den antiken Religionsmythen.

Im mystischen Dämmer

Nur die christliche Kirchenmusik hat sich in immer neuen Formen ausgeprägt. Zumal Weihnachten kann der Kirchenbesucher es erfahren, und besonders schön, scheint's, wenn ein Ensemble wie die Regensburger Domspatzen ins Haus kommt, das zum Ende des Konzerts in jenen mystischen Dämmer getaucht wird, wie er für die Erinnerung an eine der bedeutendsten Heiligen Nächte der Mythologie passen mag.

Gewalt und Schönheit

Seltsam: So sehr auch die Regensburger Domspatzen in den letzten Jahren im kritischen Fokus der Öffentlichkeit standen, weil inzwischen bekannt ist, dass mindestens etwa jeder Dritte der rund 2100 Schüler der „Spatzen“ zwischen 1953 und 1992 unter körperlicher Gewalt der Lehrer litt -, so sehr vergisst der informierte Hörer diese grundlegenden Informationen über das Institut. Das macht: Die Gewalt, aber auch die Schönheit der Musik.

Unmöglich, sich ihr zu entziehen.

Die gut 50 jungen und sehr jungen Sänger des Nachwuchschors der „Spatzen“ absolvieren in der Schlosskirche ihr letztes Adventskonzert dieses Jahres, was man ihnen nur selten und dann sehr sacht anhört. Tatsächlich überzeugen sie unter Kathrin Giehl, zusammen mit einem Streichquartett und einem Keyboard, mit einem gemischten Programm: vom Barock zur nicht allzu modernen Gegenwart. Hier der einstige Bayreuther Kapellmeister Telemann und Namen wie Briegel und Commer, dort die flotten Töne John Rutters.

Vorfreude auf den Messias

Unter der Überschrift „Tochter Zion, freue dich“ werden einige schlichte Hirtenmonologe eingelegt: mit Vorfreude auf einen Messias, der den Armen nah sein soll, weil er traumhafterweise in eine Krippe gelegt wird. Cäcilianische Männerchorklänge, die von den jungen Stimmen betörend authentisch gebracht werden, weil die Akkorde an neugotische Domsäulen erinnern, akzentuieren die Botschaft wie die schwungvollen barocken Kleinodien; ein alpenländischer Ländler, die Erinnerung an die Siciliana der südländischen Hirten bergend, wurde um 1900 von Josef Güttler als heimeliges Hirtenlied vertont. Ehre den Kleinmeistern, deren Werke, im Vergleich zu einer Chorkomposition Bachs, wie musikalische Zuckerschnecken schmecken. Das alles klingt so, wie es klingen soll: festlich. Interessant auch, dass die Aufmerksamkeit manch weiblichen Zuhörers nicht nur der Akustik der Knaben gilt.

Ein bisschen geschäftsmäßig

Zwischendurch darf der kritische Zuhörer daran denken, dass ein derartiges 40. Tournee-Konzert, bei aller vokalen Vollkommenheit, in seiner dramaturgisch sortierten Abfolge von Alt und Neu den Hauch des rein äußerlich Konzertanten und allzu bewusst Geschniegelten, ja Geschäftsmäßigen besitzt. Es könnte an den vielen anderen Weihnachtskonzerten liegen, die in diesen Tagen allenthalben stattfinden.

Der Gedanke verfliegt schnell, aber er ist doch, wie die eingangs erwähnten, im Raum – bis der Nachwuchs Adolphe Adams „Heilige Nacht“ einfach nur noch schön und schön laut in den vollbesetzten Raum schickt.