Dirigent Hartmut Haenchen wird 75

Hartmut Haenchen wird 75. Foto: Musacchio & Ianniello Foto: red

Vor Beginn der Festspielsaison 2016 war plötzlich die Not auf dem Grünen Hügel groß. Der vorgesehene „Parsifal“-Dirigent Andris Nelsons hatte kurzfristig abgesagt. Schnell musste ein neuer her. So kam es zum Bayreuth-Debüt von Hartmut Haenchen, der 2016 und 2017 in Bayreuth „Parsifal“ dirigierte. An diesem Mittwoch feiert der Dresdner seinen 75. Geburtstag.

 
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Die Aufgabe, die sich Haenchen damals selbst gestellt hat, hätte gewaltiger nicht sein können. Nicht nur, dass er in kürzester Zeit die „Parsifal“-Neuproduktion zu übernehmen hatte. Überdies versuchte er, bei den Orchestermusikern seinen eigenen Interpretationsansatz durchzusetzen, der von intensivem Quellenstudium geprägt war. Es galt zunächst einmal, Widerstände zu überwinden. Dennoch wird sein Dirigat in Erinnerung bleiben. Eine der Folgen seines Bayreuth-Engagements: Plötzlich war Hartmut Haenchen in aller Munde. 2017 wurde er von der Fachzeitschrift „Opernwelt“ aufgrund seiner quellenkritischen „Parsifal“-Durchleuchtung zum Dirigenten des Jahres gewählt.

Den Eintritt ins Rentenalter hatte der Dirigent ohnehin schon vor zehn Jahren auf unbestimmte Zeit verschoben. Damals wünschte er sich als 65-Jähriger nur zwei Dinge: „Noch viele musikalische Einsichten und Gesundheit, um diese zu verwirklichen.“ Mit 75 hält der gebürtige Dresdner mit internationaler Karriere daran fest, auch wenn er es fortan „ein bisschen ruhiger“ angehen will: „Aber so genau kann man das in meinem Beruf nicht steuern. Im Moment habe ich eine ruhige Phase“, sagt der Maestro kurz vor seinem Geburtstag an diesem Mittwoch. Aber schon bald sei es mit diversen Opernprojekten und einem Bruckner-Zyklus wieder anders.

Stimmung gegen ihn

Haenchen gilt als musikalischer Weltbürger. Ein Journalist beschrieb ihn mal als einen, „der nie richtig wegging aus dem Osten und nie richtig ankam im Westen“. Zumindest in den Niederlanden hat sich Haenchen mit seiner Familie wohlgefühlt, obwohl der Beginn als Chefdirigent der Niederländischen Philharmonie und Generaldirektor der Oper in Amsterdam 1986 kein leichter war. In den Medien gab es anfangs auch Stimmung gegen ihn. Warum gerade ein Deutscher zwei so wichtige Positionen im Musikleben der Niederlande einnehmen sollte, leuchtete nicht allen ein. Als er 1996 zum Ritter im Orden vom Niederländischen Löwen ernannt wurde, war das Eis schon gebrochen.

Bei allen internationalen Verpflichtungen hat Haenchen Dresden immer die Treue gehalten. Hier leitete er zwischen 2003 und 2008 die Musikfestspiele. Dass seine Heimatstadt durch Umtriebe von Pegida in Verruf geriet, hat ihn zuletzt des Öfteren leiden lassen. „Ich war in den vergangenen Monaten viel in Tokio, Paris und auch Mailand unterwegs. Überall werde ich auf Dresden angesprochen, aber im negativen Sinn. Man nimmt Dresden nicht mehr wie früher üblich zuerst als Kunst- und Kulturstadt wahr“, ärgert sich der Dirigent.

Ständchen mit der Familie

Im Mai musiziert Haenchen in Dresden mit der Königlichen Kapelle Kopenhagen erstmals im neuen Saal des Kulturpalastes.

An seinem 75. Geburtstag will er ausnahmsweise mal nicht dirigieren. An diesem Tag freut sich Haenchen vor allem auf ein Ständchen seiner Familie.

roko/dpa

 

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