Harmonisch schattiert, subtil differenziert: Über das Konzert der Staatskapelle Weimar Diese Frau spielt zum Weinen schön

Von Sönke Remmert
Berg und Mahler: Catherine Manoukian (Violine) beim Konzert der Weimarer Staatskapelle in der Bayreuther Stadthalle. Rechts: Dirigent Stefan Solyom. Foto: Harbach Foto: red

Zwei außergewöhnliche Werke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts standen auf dem Programm des Konzerts, das die Staatskapelle Weimar unter der Leitung von Stefan Solyom in der Stadthalle gab. In beiden Fällen handelt es sich um die letzte Komposition des jeweiligen Meisters, und beide Komponisten wurden jeweils nur 50 Jahre alt.

 
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Den Auftakt bildete das Violinkonzert von Alban Berg „Dem Andenken eines Engels" – entstanden nach dem Tod der 18-jährigen Manon Gropius, der Tochter Alma Mahlers und des Architekten Walter Gropius. Regen Anteil an sehr ausdrucksstarken Interpretation des Werks hatte die Solistin des Abends, Catherine Manoukian. Ihr Spiel wirkte nie verkitscht, sondern stets wunderbar differenziert. Besonders für die Zitate der österreichischen Volksweise ist dies besonders hervorzuheben, zumal diese oft unangebracht süßlich wirken.

Zu Beginn konnte man über das recht flotte Tempo vielleicht ein wenig verwundert sein. Doch im weiteren Verlauf zeigte sich, wie subtil Dirigent und Solistin die Zeitmaße, die Dynamik und die Artikulation differenzierten. Besonders eindrucksvoll gelangen die Varianten des Bachchorals am Ende des Werkes. Man konnte spüren, dass Alban Berg sehr wohl Zweifel an der Trost-Funktion der Kirchenlied-Melodie ausdrückte – vor allem in den sehr diffizilen harmonischen Schattierungen.

Wie das Berg-Violinkonzert ist auch Mahlers 9. Sinfonie ein Werk des Abschieds. Wir erleben das Ende der rund 150jährigen österreichischen Sinfonien-Tradition, die von Haydn zum ersten Höhepunkt geführt wurde und mit Mozart, Beethoven, Brahms und Bruckner zahlreiche Titanen hervorbrachte. Mahlers Neunte ist jedoch kein Abschied mit Triumph, sondern zugleich ein Rückblick voller Wehmut und ein Quasi-Ausblick in die Katastrophe des ersten Weltkrieges.

Auch hier gelang Stefan Solyom gemeinsam mit der Staatskapelle eine sehr differenzierte Interpretation. Am Beginn des Kopfsatzes waren sehr gut die quasi-stockenden Herzschläge zu verfolgen. Deutlich war zu spüren, dass der zweite Satz von der Ländler-Tradition der österreichischen Folklore und von den Menuetten in Haydns Sinfonien herkommt, diese aber gleichsam karikiert. Als dramatisches Katastrophen-Szenario gestaltete das Orchester die „Rondo-Burleske" des dritten Satzes.

Ganz außerordentlich subtil wurde das Finale geboten: Ein Adagio, das sich mehrfach zur strahlenden Apotheose aufzuschwingen versucht, letztlich jedoch mit langsamem Ersterben und schließlich Verstummen endet. Besonders die abschließenden „Adagissimo"-Takte gelangen unter Solyoms Stabführung außerordentlich.

Stefan Solyom, das hat der Abend in der Stadthalle gezeigt, gehört zur Elite der jüngeren Dirigenten.