Diese Gruppen haben nichts vom Wirtschaftsaufschwung Arbeitsmarkt: Die Verlierer des Booms

Von Peter Engelbrecht

Die Wirtschaft wächst, die Zahl der Jobs nimmt zu - doch Langzeitarbeitslose und Schwerbehinderte profitieren kaum davon. Dabei klagt die Wirtschaft doch immer wieder über Fachkräftemangel. Wie passt das zusammen?

 
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Die Zahlen der Arbeitsagentur in Bayreuth belegen: In der Stadt und im Landkreis sank die Arbeitslosigkeit im jeweiligen Jahresdurchschnitt um 13,5 Prozent. Das betrifft 2010 bis 2014. Aber die Zahl der gemeldeten Schwerbehinderten wuchs in diesem Zeitraum um 17,6 Prozent, die der Langzeitarbeitslosen sank nur um 1,9 Prozent.

Trotz guter Arbeitsmarktlage sei bei der Langzeitarbeitslosigkeit seit 2014 im Jahresdurchschnitt wieder ein leichter Anstieg zu erkennen, sagt Martina Bauer, Pressesprecherin der Arbeitsagentur Bayreuth-Hof. Langzeitarbeitslosigkeit sei häufig mit "komplexen Problemlagen" wie Alter, gesundheitliche Einschränkungen oder fehlende Qualifikation verbunden. Die Agentur für Arbeit und die Jobcenter unterstützten die Jobsuche mit Qualifizierungsprojekten oder Zuschüssen für Arbeitgeber.  

Auch schwerbehinderte Menschen profitierten nur beschränkt von der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt, sagt Bauer. Ein Großteil von ihnen sei älter als 50 Jahre, dies erschwere zusätzlich die Suche nach einem Arbeitsplatz. Arbeitgeber erhalten hohe staatliche Zuschüsse für die Wiedereingliederug, etwa bis zu einem Jahr maximal 50 Prozent des Lohns. Für Schwerbehinderte ab 50 Jahren kann die Zuschussdauer auf bis zu drei Jahre verlängert werden. 

Für Ältere und Schwerbehinderte sei die Suche nach einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz schwierig, bestätigt  Kreisgeschäftsführer Christian Hartmann vom Sozialverband VdK in Bayreuth. "Diese Gruppe profitiert nicht vom Wirtschaftsaufschwung", sagt er. Die tatsächliche Zahl der Betroffenen sei höher, denn Langzeitarbeitslose und Schwerbehinderte in Qualifizierungsmaßnahmen fielen aus der offiziellen Statistik raus. Hartmann schätzt, dass durchschnittlich 20 Prozent der Arbeitgeber nach Ende der staatlichen Förderung die Schwerbehinderten wieder entlassen, diese quasi als billige Arbeitskräfte nutzen. Hartmann wundert sich über die Klagen der Wirtschaft. "Es gibt keinen Fachkräftermangel. Wenn die Wirtschaft den Mut hätte, ältere und schwerbehinderte Arbeitslose einzustellen, gäbe es genug Fachkräfte."

"Langzeitarbeitslose und Behinderte profitieren nicht vom Aufschwung", sagt auch Marion Hofmann von der Beratungsstelle für Arbeitslose in Kulmbach. Viele Arbeitgeber hätten Vorurteile gegen Schwerbehinderte und Langzeitarbeitslose. Es gebe die Furcht, sie nicht mehr loswerden zu können beziehungsweise, "dass etwas nicht stimmt, wenn Menschen länger als ein Jahr ohne Job sind."       

Info: 4467 Menschen waren im Jahresdurchschnitt 2014 in der Stadt und im Landkreis arbeitslos gemeldet. Davon waren 581 schwerbehindert und 1208 mehr als ein Jahr ohne Job. Gleichzeitig hatte die Arbeitsagentur in Bayreuth und im Landkreis zwischen 2010 und 2014 Hunderte Personen aus der offiziellen Arbeitslosenstatistik gestrichen. Das ist laut Sozialgesetzbuch möglich, wenn die Betroffenen älter als 58 Jahre sind, ein Jahr Grundsicherung bezogen hatten oder ihnen binnen Jahresfrist keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten wurde. 2010 waren es 155 Personen, die auf diese Weise rausgefallen sind, 2014 sogar 344. Deren Zahl hat sich im Laufe der Jahre kontinuierlich gesteigert. Zu diesem Personenkreis gehören auch Schwerbehinderte. eng

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