Die Schatten des Exportrekords

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Deutschland steht wegen seiner hohen Handelsüberschüsse am Pranger. Wirtschaftsvertreter – auch in  Oberfranken – weisen die Kritik zurück. Wer hat denn nun recht?

 
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Wer mit Unternehmern über die Vorwürfe gegen Deutschland wegen dessen hoher Exportüberschüsse spricht, der erntet Unverständnis. Was können wir dafür, wenn unsere Produkte im Ausland so gefragt sind – so lautet häufig sinngemäß die Antwort. Allerdings gibt es auch in Deutschland Stimmen, die das „deutsche Exportmodell“, wie manche ausländische Politiker es formulieren, kritisch sehen. Deutschland exportiert deutlich mehr Waren und Dienstleistungen als es importiert. Was soll daran schlimm sein?

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, schrieb in einem Gastkommentar für das „Handelsblatt“, es gebe einen breiten internationalen Konsens, dass der deutsche Leistungsbilanz-Überschuss von rund 270 Milliarden Euro oder fast neun Prozent der Wirtschaftsleistung viel zu hoch sei. Grund dafür seien auch Fehler der deutschen Wirtschaftspolitik. Der Ökonom hält nicht die hohen Exporte für das Problem, sondern die geringen Importe. Ursache hierfür seien wiederum die zu niedrigen privaten Investitionen und die hohe Sparquote der Deutschen. 

Auf Dauer gewaltige Probleme

Gustav Horn, Leiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, warnt ebenfalls: Es ergäben sich auf Dauer gewaltige Probleme, wenn immer die gleichen Volkswirtschaften Handelsüberschüsse beziehungsweise -defizite aufweisen. Im ersten Fall entstehe immer mehr Kapital, im zweiten Fall verschuldeten sich die Länder immer stärker, schreibt er in seinem Buch „Des Reichtums fette Beute“. 

Die oberfränkischen Industrie- und Handelskammern werten ein dynamisches Exportgeschäft in erster Linie als Zeichen von wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Wenn die großen globalen Ungleichgewichte im Handel reduziert werden sollen, dürfe das Ausland nicht immer nur mit dem Finger auf Deutschland zeigen, klagt Sonja Weigand, Präsidentin der IHK für Oberfranken in Bayreuth. Vielmehr müssten andere Volkswirtschaften ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern.

Weigand: „Reformen sind erforderlich, etwa beim Arbeitsmarkt oder beim Steuersystem – so wie das Präsident Emmanuel Macron in Frankreich plant.“

Friedrich Herdan, Präsident der IHK zu Coburg, sagt, er freue sich über den weltweiten Erfolg der Unternehmen aus dem Coburger Raum. Von der Exportstärke Deutschlands profitieren nach seinen Worten auch andere Volkswirtschaften. Er verweist auf  eine aktuelle Studie des Gutachterinstituts Prognos, die von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) in Auftrag gegeben worden war. Demnach sichert die Stärke der deutschen Wirtschaft in den übrigen Staaten der Europäischen Union (EU) fast 4,8 Millionen Jobs.

Deutsche tragen ihr Geld ins Ausland

Kapitalexporte sind das Spiegelbild von Exportüberschüssen. Überspitzt ausgedrückt: Die Deutschen tragen ihr Geld also lieber ins Ausland, statt es im eigenen Land zu investieren. Falsche Schlüsse sollten daraus allerdings nicht geschlossen werden, warnt Herdan: „Auch wenn die deutsche Exportstärke einen Kapitalexport in Form von Krediten und Direktinvestitionen im Ausland mit sich bringt, kann niemand ernsthaft fordern, dass wir freiwillig unsere Exporte reduzieren.“

Manche Analyse aus dem Ausland hält er für dermaßen „unausgegoren“, dass er sie gar nicht kommentieren möchte. Das gilt vor allem für US-Präsident Donald Trump, der Deutschland eine „unfaire“ Handelspolitik vorwirft. Doch auch der Internationale Währungsfonds (IWF) und zahlreiche – meist ausländische Ökonomen – kritisieren die gewaltigen Exportüberschüsse, die Deutschland in den vergangenen Jahren erzielt hat. 

Mehr in die Infrastruktur investieren

Doch was kann die Bundesrepublik für eine ausgeglichenere Handelsbilanz tun? „Gegenlenken kann Deutschland eigentlich nur, wenn die Inlandsnachfrage stimuliert wird, etwa durch mehr staatliche Investitionen in die Infrastruktur“, sagt die Bayreuther Kammer-Präsidentin Sonja Weigand. Aber nicht nur der Staat müsse mehr investieren, er müsse auch Investitionsanreize für Unternehmen und Private erhöhen, mahnt sie. Das könne geschehen, indem zum Beispiel Projekte wie die „Förderoffensive Nordbayern“, mit der Innenstädte und Ortskerne saniert und neue Wohnungen errichtet werden sollen, auf private Investoren ausgeweitet würden. „Investitionen stellen sicher, dass der Standort Deutschland auch in zehn oder 20 Jahren noch attraktiv und begehrt ist. Außerdem kurbeln sie die Binnennachfrage an“, unterstreicht Weigand. 

Friedrich Herdan bezeichnet Investitionen als ein probates Mittel, um den von manchen kritisierten Exportüberschuss abzuschmelzen. Breitband-Netze ausbauen, Schulen und Berufsschulen technisch für die Digitalisierung rüsten, Straßen modernisieren – solche Investitionen seien dringend nötig, hebt er hervor. 

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