Die Photovoltaik hat ein Imageproblem

Von Moritz Kircher
Nach Einschätzung der Energieagentur Oberfranken ist nur ein Fünftel der geeigneten Dachflächen in der Region mit Solarzellen belegt. Foto: red Foto: red

Im Landkreis Bayreuth kommen 57 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbarer Energie. Damit liegt er deutlich über dem bayerischen Durchschnitt von 39 Prozent. Der Löwenanteil an Ökotrom im Kreis wird von Photovoltaikanlagen erzeugt. Aber der Ausbau ist fast zum Erliegen gekommen. Markus Ruckdeschel von der Energieagentur Oberfranken rät Hausbesitzern trotz sinkender Einspeisevergütung: Macht weiter. Und er erklärt auch, warum.

 
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Solarstrommeister im Landkreis sind die Bürger aus Kirchenpingarten. 1332 Kilowattstunden – in keinem Ort wurde pro Kopf im vergangenen Jahr mehr Strom aus kleinen, privaten Photovoltaikanlagen gewonnen. 1332 Kilowattstunden entsprechen rund einem Drittel des Stromverbrauchs eines durchschnittlichen Haushaltes mit drei Personen. Doch der Ausbau ist fast zum Erliegen gekommen. Der Landkreis liegt damit im deutschlandweiten Trend. Die Menschen glauben, eine kleine Anlage auf dem Dach lohnt sich nicht mehr. „Aber das ist grundfalsch“, sagt Markus Ruckdeschel von der Energieagentur Oberfranken.

Leistung der Photovoltaikanlagen im Landkreis Bayreuth nach Gemeinden

Eine weitere Grafik zur Photovoltaik im Landkreis finden Sie hier.

Die Unterschiede zwischen den einzelnen Landkreisgemeinden sind groß. Während in Kirchenpingarten fast ein Drittel des in den Haushalten verbrauchten Stroms aus Solarzellen auf den Dächern kommt, ist es ein paar Kilometer weiter in Haag mit 231 Kilowattstunden pro Einwohner nicht einmal ein Zehntel.

„Das Thema Photovoltaik zündet sehr unterschiedlich in den Gemeinden“, sagt Ruckdeschel. Die Energieagentur führt jedes Jahr Dutzende Beratungen, Coachings und Infoveranstaltungen im Landkreis durch. Ruckdeschel stellt dabei immer wieder fest, dass nur einer den Anfang machen muss. Sobald zum Beispiel ein Landwirt seine Dachflächen mit Solarzellen pflastere, zögen andere aus der Nachbarschaft kurz darauf mit. „Weil sie dann sehen, dass es sich lohnt“, sagt der Energieberater.

Im Rekordjahr 2011 gingen kreisweit 867 PV-Anlagen in Betrieb

Die ersten Solaranlagen im Kreis gingen Ende der 1990er Jahre in Betrieb. „Das waren damals noch Idealisten, die eine Anlage gebaut haben“, sagt Ruckdeschel. Sechs Anlagen waren es im Jahr 1998 und vier im Jahr darauf. Dann stieg der Ausbau sprunghaft an. Im Rekordjahr 2011 gingen kreisweit 867 PV-Anlagen in Betrieb. Doch seitdem gerät der Ausbau zunehmend ins Stocken. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde mehrfach reformiert. Die Einspeisevergütung für den Solarstrom schrumpfte immer weiter.

Und trotzdem sagt Ruckdeschel: „Wirtschaftlich gesehen macht Photovoltaik absolut Sinn. Da muss man nicht einmal an das ökologische Gewissen der Menschen appellieren.“ Denn die Preise für die Anlagen seien drastisch gesunken. Der Energieberater sagt: „Man erzeugt den Strom deutlich günstiger selbst, als man ihn beim Versorger einkauft.“ Das Geschäft machen Hausbesitzer heute also nicht mehr mit der Einspeisung von Solarstrom ins Netz, sondern mit dem Eigenverbrauch.

Vom Ausbau profitieren die Unternehmen in der Region

Dass sich Photovoltaik lohnt, davon ist man auch im Landratsamt überzeugt. Deshalb übernimmt der Landkreis die Kosten für eine Beratung durch die Energieagentur – bis zu 60 Beratungen im Jahr. In Oberfranken tun dies neben Bayreuth noch die Landkreise Kulmbach und Kronach.

„In vielen Fällen mündet dieses Beratungsangebot in Investitionen in die energetische Gebäudesanierung“, sagt Landratsamts-Sprecher Michael Benz. „Davon profitiert in besonderer Weise das regionale Handwerk.“ Klimaschutz und Wirtschaftsförderung in einem sozusagen. Seit 2010 unterstützt der Landkreis die Klimaschutzbemühungen privater Haushalte. Seitdem hat es jedes Jahr durchschnittlich 62 Telefonberatungen und 55 Beratungen vor Ort gegeben.

Der Landkreis will in Sachen Klimaschutz vorausplanen

Wie sich das auszahlt, hält die Energieagentur in Zahlen fest. Der Verein schätzt, dass die beratenen Kunden im Landkreis rund 8,7 Millionen Euro in die energetische Gebäudesanierung und in die Erzeugung erneuerbarer Energien gesteckt haben. Neben dem Handwerk fließe das Geld auch an regionale Planer, Architekten und Gewerbebetriebe.

Der Landkreis will sich neue Ziele für den Klimaschutz stecken. Im Herbst soll eine neue Lenkungsgruppe die Arbeit aufnehmen und Klimaziele erarbeiten. Mit dabei sind Forscher, Energieversorger, Behörden, Umweltorganisationen, Kommunen, Landwirte, Vertreter aus dem Kreistag, der Kammern, Kunst und Kultur. „Das Gremium soll als Multiplikator für den Klimaschutzgedanken dienen, den Informationsaustausch verbessern und als Ideenschmiede wirken“, sagt Michael Benz. Was die Lenkungsgruppe erarbeitet, muss dann der Kreistag verabschieden. Benz sagt: „Die Klimaschutzziele sollten in einem festgelegten Zeitraum umsetzbar sein.“

Steigerung der letzten Jahre vor allem durch Biogas und Windstrom

Schon jetzt decken erneuerbare Energien nach Angaben des Landratsamtes mehr als die Hälfte des Strombedarfs im Landkreis. Dass der Wert von 35 Prozent im Jahr 2011 auf 57 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen ist, daran hat die Photovoltaik nur noch einen geringen Anteil. Die Zahlen zeigen, dass ein die Steigerung vor allem dem Biogas und der Windenergie zu verdanken ist.

Dabei sieht Markus Ruckdeschel das Potenzial für Photovoltaikanlagen auf privaten Hausdächern noch lange nicht ausgeschöpft. Er schätzt, dass maximal jede fünfte geeignete Dachfläche mit einer Solaranlage bestückt ist – mit starken lokalen Schwankungen. „Da ist noch unheimlich viel Luft nach oben“, sagt er. Er geht davon aus, dass kleinere Ortschaften rein rechnerisch ihren Strombedarf alleine aus Sonnenstrom decken könnten. „Das ist natürlich ein Zahlenspiel“, sagt Ruckdeschel. Denn nachts gibt es keinen Sonnenstrom. Und deutlich weniger, wenn im Winter die Sonne nicht so stark scheint. „Aber es gibt mal ein Gefühl für die Dimension.“

Der Akku im Keller rettet den Sonnenstrom in die Nacht

Energieberater verweisen aber darauf, dass sich gerade kleine, private PV-Anlagen immer besser mit Batteriespeichern kombinieren lassen. Mit einem durchschnittlich leistungsfähigen Akku im Keller, etwa so groß wie ein Kühlschrank, könne ein Haushalt mehr als die Hälfte seines Strombedarfs über eine Solaranlage auf dem Dach decken. Der Akku sorgt dann dafür, den über Tag erzeugten Strom in die Nacht hinüber zu retten. Strom, der dann noch überschüssig ist, könne derzeit für etwa zwölf Cent pro Kilowattstunde ins Netz eingespeist werden. Das ist allerdings die letzte Option. „Die Anlage rechnet sich dort, wo ich den Strom selbst verbrauchen kann“, sagt Markus Ruckdeschel.

Ähnlich wie bei den Photovoltaikanlagen seien auch die Preise für Energiespeicher in den vergangenen Jahren stark gefallen. Ruckdeschel schätzt, dass ein Paket, bestehend aus Dachanlage und Speichermodul, sich für einen Privathaushalt nach etwa zehn bis 15 Jahren rechnet.

Vorwurf: Die Bundesregierung tut nichts, um ihre Solar-Ausbauziele zu erreichen

Nach dem Rekordjahr 2011 sind im Landkreis zuletzt Jahr für Jahr deutlich weniger PV-Anlagen errichtet worden. Im vergangenen Jahr gab es einen Einbruch auf nur noch 43 Neubauten. Der Trend ist deutschlandweit sichtbar. Statistiken zeigen, dass die neu installierte Leistung im gesamten Bundesgebiet seit 2012 drastisch sinkt.

Markus Ruckdeschel will mit der Energieagentur gegen das Imageproblem der Photovoltaik kämpfen. Dass die Bundesregierung bei der letzten Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Sommer zumindest an den Ausbauzielen für die Photovoltaik festgehalten hat, wertet er schon als Erfolg. Das jährliche Zubauziel liegt bei 2,5 Gigawatt Leistung. Das entspräche jedes Jahr im gesamten Bundesgebiet rund 200 000 neuen Dachanlagen. Ruckdeschel kritisiert: „Es wird nichts getan, um das auch zu erreichen.“ In den vergangenen beiden Jahren habe der Zubau von Anlangen nur bei der Hälfte dessen gelegen, was der Bund als Ziel ausgibt.

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