Angelika Schnappauf leidet unter einer schweren Krankheit und ist dennoch das Gesicht des Hollfelder Pausenverkaufs Die Mutter der 1000 Kinder

Von Thorsten Gütling
So kennen die über 1000 Schüler der Hollfelder Gesamtschule Angelika Schnappauf: Seit mittlerweile acht Jahren leitet sie den Pausenverkauf. Dabei leidet sie unter einen schweren, unheilbaren Muskelkrankheit. Doch Schnappauf hat ein Kämpferherz und noch viel in ihrem Leben vor. Foto: red

Für 1000 Kinder der Gesamtschule Hollfeld ist sie das Gesicht des Pausenverkaufes. Seit 2005 leitet Angelika Schnappauf das kleine Gewerbe, ist verantwortlich für den Wareneinkauf, Buchführung und Essensausgabe. Dabei ist die 54-Jährige längst im Vorruhestand, eine unheilbare Krankheit sorgt dafür, dass sich ihre Muskeln immer weiter auflösen. „Die vorherigen Verkäufer hätten nicht gedacht, dass ich so lange durchhalte", sagt Schnappauf.

 
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Auf die Frage, was ihr fehlt, sagt die gelernte Kinderpflegerin: „Ein Eiweißstäbchen in der Zelle ist schuld." Das hat sich gedreht und macht den Muskel kaputt. Muskeldystrophie heißt das in der Medizin und vor 21 Jahren diagnostizieren Ärzte die Krankheit nach langem Rätseln bei der damals 33-Jährigen.

Dass mit ihr etwas nicht stimmt, ahnt Schnappauf aber schon lange vorher. „Als Kind konnte ich nicht pfeifen und keine Seifenblasen machen", erinnert sie sich. „Und nicht auf den Hacken gehen." Der Muskel, der den Vorderfuß anhebt, funktionierte nicht.

Die Diagnose zieht Schnappauf erst einmal den Boden unter den Füßen weg. Es folgen 14 Jahre der Resignation. Danach stürzt sie sich „ins Getümmel". 1997 beginnt sie in der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke (DGM) Verantwortung zu übernehmen. Bis heute leitet sie die Bayreuther Kontaktgruppe, 1999 wird sie in den Bundesvorstand gewählt. Sie bildet sich zur Hospizhelferin fort und kümmert sich um ALS-Kranke, Menschen, denen es noch schlechter geht, als ihr.

Bis sie 2002 auf Raten eines Arztes in den Vorruhestand geht, hat sie als Kinderpflegerin, zahnärztliche Assistentin und bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse gearbeitet. Dann wird sie Mitglied im Behindertenausschuss der Stadt Bayreuth. 2005 übernimmt sie den Pausenverkauf an der Hollfelder Gesamtschule, wo ihr Mann Gerhard Hausmeister ist.

„Kinder waren schon immer mein Ding, jetzt habe ich 1000", sagt Schnappauf, die selbst kinderlos geblieben ist. Die Schüler lieben sie dafür. Auf dem Weg zur Toilette nimmt sie eine Schülerin in den Arm und tröstet sie mit den Worten: „Meine Oma hatte auch einen Schlaganfall. In acht Wochen wird das wieder." Weil sie ihre Hand nicht drehen kann, muss sie alles, was sie den Schülern reicht, von oben fassen. Nur einmal äfft ein Schüler sie dabei nach. Die Schüler wissen, dass die Frau aus dem Pausenverkauf krank ist. Schon allein deshalb, weil sie nie auf dem kürzesten Weg durch die Schule geht. Weil sie Angst hat zu stürzen, geht sie immer an den Wänden entlang.

Alleine eine Straße hat sie schon lange nicht mehr überquert. „Man muss das nur richtig planen", sagt sie, oder den Ehemann dabei haben. Weil die beiden fast nur Arm in Arm unterwegs sind, denken viele „Mann, sind die verliebt", lacht Schnappauf.

Ein Rollator kommt ihr nicht ins Haus. Das hätte etwas Endgültiges, findet sie. Schließlich sei sie faul, sagt die 54-Jährige, und könnte sich daran gewöhnen.

Immer dann, wenn Schnappauf ihre Krankheit vergisst, passieren die schweren Stürze. Mehrmals hat sie sich schon die Zähne ausgeschlagen, erzählt sie und sich Platzwunden am Kopf zugezogen. Dabei sei sie doch so eitel. Medikamente – helfen sie auch noch so gut – mag Schnappauf schon deswegen nicht, weil sie dick machen.

„Ich werde die Hoffnung nie aufgegeben, dass man die Krankheit eines Tages heilen kann", sagt sie. Dazu hat sie einfach noch zu viel vor. Sie will eine Ausbildung zur Lebensberaterin machen und die Pyramiden in Ägypten sehen. „Das Glas soll immer halb voll sein", wünscht sie sich „und ich will in Zukunft noch viel mehr lachen". Sieben, vielleicht acht Jahre will sie den Pausenverkauf noch machen. Wenn Ehemann Gerhard in den Ruhestand geht, soll Schluss sein.

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