Die kleinen Leute im großen Krieg

Von Michael Weiser
Täter und Opfer zugleich: Callots Stich vom Baum der Gehenkten gehört zu den bekanntesten Bildern des 30-jährigen Krieges. Das Leben eines Söldners war im Zweifelsfalle auch nicht viel mehr wert als das eines Bauern. Illustration: Fränkische-Schweiz-Museum Foto: red

„Auf den Spuren der Musketiere“: Unter dieses Motto stellen der Tourismusverband Fränkische Schweiz und das Fränkische-Schweiz-Museum das Themenjahr zum Dreißigjährigen Krieg vor Führungen und Ausstellungen sollen nächstes Jahr an den Ausbruch des Krieges vor 400 Jahren erinnern. Einzelheiten dazu gab es nun in Plech zu erfahren.

 
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Sie ist gerade mal 15 Jahre alt und hat schon viel zu viel von der Welt gesehen. Maria Margareta Stumpf heißt sie, im Herbst 1632 wandert sie mehrmals von Bayreuth aus nach Kulmbach. Sie versucht dort, das Geld für ihren Vater zusammenzubekommen. Der ist in die Hände kaiserlicher Soldaten gefallen, die Bayreuth auspressen und sich aus dem Land ernähren, plündernd und auf Gewalttat aus. Maria kann ihren Vater schließlich auslösen – doch schon drei Tage später stirbt er an Entkräftung. Zwei Jahre später fällt auch noch die Mutter der Pest zum Opfer, Maria muss als 17-Jährige auch noch für vier jüngere Geschwister sorgen.

Mit 18 heiratet sie, bekommt acht Kinder, von denen fünf die ersten paar Jahre nicht überstehen. Marias Lebensgeister sind bald erschöpft: Gerade mal 28 Jahre alt, stirbt auch sie. Sie ist nur eine von Millionen, die an Hunger, Krieg oder Pestilenz zugrunde gehen, zu jener wirren und gefährlichen Zeit, „von welcher man glaubt, dass es die letzte sei“, wie es in Grimmelshausens Buch vom abenteuerlichen Simplicissimus heißt.

Europas größte Katastrophe

Der „Prager Fenstersturz“ hatte die europäische Katastrophe ausgelöst, die in deutschen Landen als der Dreißigjährige Krieg berüchtigt werden sollte. 2018 jährt sich der Ausbruch des Krieges zum 400. Mal. Die Tourismuszentrale Fränkische Schweiz und das Fränkische-Schweiz-Museum nutzen den Anlass, ein Themenjahr mit dem Titel „Auf den Spuren der Musketiere“ auszurufen. Damit sind verschiedene Veranstaltungen und eine große Ausstellung im Fränkische-Schweiz-Museum zusammengefasst, die Teil eines größeren Projekts sind, dem sich weitere Museen aus Oberfranken, Nordsachsen und in Tachov in der Tschechischen Republik angeschlossen haben. Einzelheiten stellten die Projektpartner in Plech vor.

Kernstück ist

Kernstück des Gedenkjahres ist die große Sonderausstellung im Fränkische-Schweiz-Museum: „Söldner, Schrecken, Seuchen“. Man wolle keine reine Kriegsgeschichte erzählen, sondern vielmehr das Hin und Her des großen Krieges aus der „Graswurzelperspektive“ betrachten, sagte Museumsleiter Rainer Hofmann – aus der Perspektive ganz normaler, kleiner Leute wie Maria Margareta Stumpf, die – ähnlich wie die Söldner jener Zeit – den Preis für den Ehrgeiz der Herrscher zahlten.

In der Ausstellung wird es demnach Waffen zu sehen geben, vor allem aber auch Dokumente und Alltagsgegenstände. Aus Trauerpredigten hat man Lebensläufe einfacher Menschen rekonstruiert, die als Audiodateien eingesprochen wurden und über Kopfhörer abzuhören sind.

In anderen Orten wie in Plech, Egloffstein, in Creussen oder Forchheim gibt es Aktionen wie geführte Wanderungen und Vorträge. Freilich seien die Planungen noch nicht abgeschlossen, man hoffe vielmehr, weitere Partner zu erreichen, die das Programm noch bereicherten, sagte Sandra Schneider von der Tourismuszentrale Fränkische Schweiz.

Ein Söldner, der ein

Der Musketier, an dessen Spuren man sich heften darf, heißt Peter Hagendorf. Er kämpfte im großen Krieg, wechselte mehrmals und offenbar ohne Bedenken die Seiten und marschierte in all den Jahren als Soldat zwischen Norddeutschland und Oberitalien weit über 20 000 Kilometer. Er war einer der zahllosen Handwerker des Tötens, die im Krieg ihre Bestimmung und im Feldlager ihr Zuhause gefunden hatten. Seinen Namen kennen wir, weil vor einigen Jahren sein Tagebuch entdeckt wurde. Und da schreibt Hagendorf von Strapazen, von Wetterunbilden, Kämpfen und Verwundungen, die ihn einmal vom Plündern abhalten (weshalb er vom Wundlager aus seine Frau auf Beutefang schickt), aber auch von den Glücksfällen des Söldnerlebens. Mit dem Vetter habe er ein Pferd versoffen, schreibt er in Dinkelsbühl. „Haben uns recht lustig gemacht drei Tage lang.“ Alkohol hatte ihn überhaupt erst zur kämpfenden Truppe gebracht, nachdem er sein letztes Geld, zusammengekratzt, um sich neue Schuhe zu kaufen, im Wirtshaus gelassen hatte. „Da ist der Wein so gut gewesen, dass ich die Schuhe vergessen habe.“ Die alten Sohlen trugen ihn gerade noch nach Ulm – zu den Werbern des kaiserlichen Heeres.

Bloß kein Schwedentrunk!

Von Ausstellungen über Vorträge bis zu Führungen reicht die Liste der Angebote. Als Sponsor ist eine Brauerei im Boot, die das Bild des Schwedenkönigs Gustav Adolf im Etikett führt – weil sich der auf dem Weg zur Schlacht von Breitenfeld mit Krostitzer Bier gelabt haben soll. Auch andernorts wird man kulinarisch in die Zeit des Krieges reisen können – was seltsam klingt angesichts der zahllosen Berichte über die Not, die die Menschen litten. Beim einen oder anderen Punkt wird man noch nachbessern dürfen. In Forchheim etwa werden Brot und „Schwedentrunk“ gereicht. Letzterer aber hatte, da muss man dem Simplicissimus glauben, ganz und gar nichts mit Genuss zu tun. „Den Knecht legten sie gebunden auf die Erd, stecketen ihm ein Sperrholz ins Maul und schütteten ihm einen Melkkübel voll garstig Mistlachenwasser in Leib“, schreibt Grimmelshausen. „Das nenneten sie ein Schwedischen Trunk.“

INFO: Im Internet finden Sie unter www.auf-den-spuren-der-musketiere.de/auf-den-spuren-der-musketiere.html weitere Informationen.

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