Auf dem Lichtmessmarkt bekommt man Dinge, von denen man dachte, sie seien ausgestorben Die Kittelschürze lebt

Von Susanne Will

Eine Strickstrumpfhose, Ferse und Spitze verstärkt, bis Größe 50/54, mit Komfortzwickel, auch in Kurzgrößen. Wer kauft das? Und vor allem wo? Auf dem Lichtmessmarkt in Bayreuth. Hier gibt es Sachen, von denen man dachte, sie seien ausgestorben. Eins vorne weg: Die Kittelschürze lebt.

 
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Elke Scholz hat ihren Stand direkt neben den Wela-Suppen, die sich auf Märkten ebenso hartnäckig halten wie die Senfflecken auf dem Mantel, die man sich im Getümmel holt. Elke Scholz sieht nicht aus wie eine, die Kittelschürzen verkauft. Die Frau im hippen Outfit samt Schirmmütze tut es dennoch. „Warum auch nicht? Ich habe  meine Mutter ohne Kittelschürze gar nicht erkannt.“ Doch die Frauen im Alter ihrer Mutter „sterben langsam weg und damit meine Kunden auch“. Doch solange die Nachfrage für Blaugeblümtes an langer Knopfreihe für 12 bis 15 Euro besteht, solange verkauft sie die Klassiker aus der Nachkriegsküche. Mit witzig bedruckten Tüchern und Schals arbeitet sie aber bereits an der nächsten Generation ihrer Kunden.

"Reparieren macht reich"

Christine Feuerer müsste eigentlich sehr flinke Hände haben, um die Tausenden von Litzen, Bordüren und Spitzen aus ihren Kisten zu fummeln – aber die Hände sind fast taub vor Kälte. Seit fünf Uhr steht sie auf dem Lichtmessmarkt und bietet Waren feil, die dem heute Mittfünfziger nur noch als Bordüre an der ausgestellten Cordhose einfallen. Doch die Kunden stehen drauf. „Es gibt Kunden, die rufen mich schon zwei Wochen vorher an, ob ich auch wirklich komme“, erzählt sie. Auch der Schlüpfergummi ist bei ihr als Meterware erhältlich. Gibt es wirklich noch Menschen, die den ausgeleierten Gummibund ihrer Unterhose erneuern? „Was denken Sie denn: natürlich! Und ich muss sagen: Das sind die Menschen, die heute noch ein Geld im Geldbeutel haben. Reparieren macht reich“, sagt sie und räumt die Reißverschlüsse ein.

Die Nähnadeln im kleinen Gebinde

Eine Kundin kommt, es ist Karin Müller aus Simmelsdorf bei Schnaittach. „Ich komme jedes Jahr hier her, mir gefällt der Markt so gut“, und zwar genau deswegen, weil sie hier alles kriegt – und zwar nur das, was sie tatsächlich braucht. Nähmaschinen-Nadeln beispielsweise, und zwar nur die einer gewissen Größe. „Mit den Hundertern kann ich nichts anfangen, die bleiben in dem Set, das ich sonst zu kaufen bekomme, immer übrig.“ Und das muss ja nicht sein: Bei Frau Feuerer kriegt sie die 70er, mehr braucht sie ja nicht.

Für alte und junge Vollbärte

Klopümpel, Flaschenbürsten und Rasierpinsel sind das Reich von Lorenz Grill. Die Rasierpinsel sehen aus wie aus dem vorletzten Jahrhundert. Sie sind handgemacht, kommen von einer kleinen Firma aus Bechhofen bei Ansbach. „Ich habe für die Rasierpinsel nur zwei Käufergruppen: die ganz alten Männer und jetzt die ganz jungen.“ Also die vollbärtigen Hipsters, die aussehen, als ob sie zum Bäumefällen ins Fichtelgebirge fahren, aber eigentlich nur auf dem Weg in ein Café zu einem Latte Macchiato sind – laktosefrei versteht sich.

Borsten vom Schwein

Die Flaschenbürsten sind teilweise auch handgemacht und sie haben ein cleveres Detail: Ganz unten ragen feine Zusatzborsten raus, mit denen man wirklich in die Rundung am Flaschenboden kommt. Die stellt Lorenz Grill entweder aus Schweineborsten oder aus den Fasern der Wurzel der Arenja-Blätterpalme her. Das Dumme für ihn ist nur: Die Flaschenbürsten scheinen ein Kittelschürzenlebenlang zu halten. Einen Flaschenbürstenkunden sieht er wohl nie wieder.

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