Die dunkle Seite des Wetters

Von Norbert Heimbeck
Der Bayreuther Wissenschaftler Christoph Thomas will erforschen, warum das Wetter nachts ganz anders ist als am Tag. Foto: Peter Kolb Foto: red

Er ist auf der Suche nach der "dunklen Seite". Eine Glasfaserharfe soll dabei helfen, die Finsternis zu erhellen. Was wie ein Science-Fiction-Film klingt, ist ein ehrgeiziges Forschungsprojekt. Professor Christoph Thomas will herausfinden, welche Faktoren das nächtliche Wetter beeinflussen: "Tagsüber, wenn die Sonne scheint und starke Winde wehen, verstehen wir meteorologische Prozesse schon sehr gut. Aber was nachts passiert ist wissenschaftliches Niemandsland."

 
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Christoph Thomas ist Professor für Mikrometeorologie an der Universität Bayreuth. Für seine Absicht, den meteorologischen "dark mix" zu erforschen, ist er jetzt vom Europäischen Forschungsrat mit einem ERC Consolidator Grant ausgezeichnet worden. Dieser begehrte Preis ermöglicht es exzellenten Wissenschaftlern, mit einem innovativen Projekt eine eigene Forschungsgruppe aufzubauen. Mit der Fördersumme von 1,9 Millionen Euro wird Thomas in den kommenden fünf Jahren meteorologische Phänomene untersuchen, die bisher buchstäblich im Dunkeln liegen.

Schadstoffe konzentrieren sich

Er erklärt an einem simplen Beispiel, was er erforschen will: "Wenn Sie nachts am Lagerfeuer sitzen, müssen Sie sich alle paar Minuten umsetzen, weil Ihnen der Rauch ins Gesicht weht. Das liegt daran, dass wir nachts nur einen schwachen Austausch von Luftströmen haben. Wir wollen herausfinden, warum das so ist." Das Ziel ist es aber nicht, das Sitzen am Lagerfeuer bequemer zu machen. Thomas: "Wie sich Licht und Wärme, Wasserdampf, Kohlendioxid und Luftschadstoffe in einer nur wenige Meter starken Schicht über dem Erdboden ausbreiten und mischen, hat großen Einfluss auf die Lebensqualität von Mensch und Tier." Kurz gesagt: Wenige Meter über dem Erdboden ist die Schadstoffkonzentration besonders hoch.

Neue Denkansätze nötig

Thomas: „Diese Schicht kann einen Zentimeter bis zehn Meter dick sein. Oftmals befinden sich mehrere solcher Schichten übereinander, ohne sich zu vermischen – wie bei einer Torte. Momentan wissen wir nur so viel, dass selbst unsere besten Transport- und Wettermodelle und die ihnen zugrundeliegenden Theorien hier versagen. Was wir brauchen, sind neue Denkansätze, die auf detaillierten räumlichen Beobachtungen beruhen. Dies ist der klassische Pfad der Wissenschaft.“

Die Glasfaserhafe

Die technologische Schlüsselinnovation von "DarkMix" ist eine aus optischen Glasfasern bestehende Messeinrichtung. Hier kommen kilometerlange, aus der Datenübertragung bekannte dünne Glasfasern zum Einsatz. Wenn ein Laserstrahl durch sie hindurchgeleitet wird, sind die Fasern in der Lage, selbst schwache Energie- und Luftströmungen in der bodennahen Schicht zu registrieren. Die neue Messanlage soll nicht nur Lufttemperatur und Windgeschwindigkeit, sondern erstmals auch die häufig wechselnden Windrichtungen präzise erfassen können. „Falls diese Technik funktioniert, würde dies eine messtechnische Revolution in der Meteorologie bedeuten“, sagt der Professor, der die neue Anlage als Messharfe (‚sensing harp‘) bezeichnet.

Experimente sind an drei Standorten geplant, die sich topographisch und klimatisch deutlich unterscheiden: auf einer Wiese im Weißenstädter Becken, am hochgelegenen Waldstein im Fichtelgebirge sowie auf einer großen unbebauten Fläche im Zentrum der Stadt Münster.

High risk, high gain

„“DarkMix“ ist ein sehr ambitioniertes Vorhaben. Wir können keineswegs mit Sicherheit sagen, ob wir alle Forschungsziele erreichen werden. Unser Projekt bietet aber die große Chance, in einem bisher weitgehend unbeachteten Gebiet der Meteorologie neue Erkenntnisse zutage zu fördern, die für eine Vielzahl ökologischer Herausforderungen relevant sind", sagt der preisgekrönte Wissenschaftler. Als Beispiele nennt er die Luftverschmutzung in Städten und auf dem Land, den Austausch von Treibhausgasen in der Atmosphäre und sinkende Erträge in der Landwirtschaft, die durch extreme nächtliche Kälte verursacht werden. „Die vom ERC geförderten Forschungsarbeiten verstehen sich auch als Teil einer breit angelegten interdisziplinären Forschung, die dem Klimawandel und seinen Folgen auf die Spur kommen will.“

Zur Person

Prof. Christoph Thomas wurde 1974 in Detmold/ Lippe geboren. Nach dem Abitur in Bad Neuenahr-Ahrweiler machte er zunächst eine Ausbildung zum Sprachmittler und arbeitete im Bereich Landwirtschaft in verschiedenen Regionen der Russischen Föderation. 1996 nahm er das Diplomstudium der Geoökologie an der Universität Bayreuth auf, 2005 erfolgte die Promotion. Forschungsaufenthalte am Baikalsee und in den USA sind wichtige Karrierestationen. Im Jahr 2010 erhielt Thomas den prestigereichen Preis "Career Award" der National Science Foundation, der bedeutendsten US-amerikanischen Organisation für Forschungsförderung. Im Oktober 2014 kehrte er an die Universität Bayreuth zurück und übernahm hier als Nachfolger seines früheren Doktorvaters die Professur für Mikrometeorologie.

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