Die Bullyparade von Wülfersreuth

Von Andreas Gewinner

Am meisten mag Wolfgang Wagner ihren Klang. Aber sie sind auch schmuck anzusehen. Die glänzend neu Lackierten ebenso wie die in Ehren rostig und stumpf gewordenen Arbeitstiere. Willkommen bei der Bullyparade von Wülfersreuth.

 
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Wagner ist auf einem Nebenerwerbsbauernhof groß geworden. Und damit auch mit Traktoren. Mit zwölf Jahren saß er erstmals selbst auf einem Bulldog. Vor 30 Jahren wurde daraus eine Liebhaberei. Wagner fand seinen ersten Oldtimertraktor, einen Deutz von 1949 in Marktschorgast, „in ziemlich schlechtem Zustand“, 15 Jahre hatte der Bulldog da schon gestanden.

Wagner, der heute bei der Ochsenkopfseilbahn arbeitet, hat Kfz-Mechaniker im damaligen VW-Autohaus Günther in Bad Berneck gelernt, schraubte und schweißte vor allem an Wolfsburger Alltagsautos. Er nahm den alten Deutz unter die Lupe: „Ich habe gemerkt, dass man eigentlich alles selbst reparieren kann“. Oldtimerbulldogs sind bekannt für ihre robuste und simple Technik. Bei einer Firma in Creußen bekam Wagner noch originale Ersatzteile für die Motorüberholung. Was fehlte, waren ein Reparaturhandbuch und technische Daten zur Motoreinstellung – „die hat mir zähneknirschend eine Werkstatt rausgegeben“. Der inzwischen fast 70 Jahre alte Deutz hat einen wassergekühlten Dieselmotor mit elf PS. Damit war der Bauer der frühen Nachkriegszeit der Chef auf dem Acker.

Bei Frostgefahr Kühlwasser ablassen

Armaturen hatte der alte Deutz noch nicht. Dafür ein Kühlwasserfernthermometer direkt auf dem Kühlerverschluss. Und ein Hinweisschild, das den Eigentümer auffordert, bei Frostgefahr das Kühlwasser abzulassen. Frostschutzmittel in Bulldogkühlern war damals offenbar noch nicht der Stand der Technik, „konnten sich die Bauern auch früher oft nicht leisten“, weiß Wagner. Die Folge war, dass jede Menge Motoren aufgefroren sind.

Der giftgrüne Deutz blieb nicht lange allein. Heute hat Wolfgang Wagner sechs alte Schlepper. Ein weiterer Deutz von 1968, zwei Hanomags (Baujahre 1954 und 1963) und als einzigen Ausländer einen Massey-Ferguson von 1963. Nicht mitgezählt sein zehn Jahre alter Traktor, der nicht der Liebhaberei dient, sondern fürs Arbeiten da ist. Und übrigens auch ein Deutz ist.

Nebeneinander aufgestellt machen die Ackerschlepper aus mehr als einem halben Jahrhundert die Entwicklung von Technik und Design für die Furche nachvollziehbar. Der schornsteinähnliche Auspuff verschwindet im Lauf der Jahre; wo der Deutz von 1949 die Scheinwerfer noch wie kecke Froschaugen oben am Kühler sitzen hat, wandern sie später nach unten. Die eckigen Kühlergehäuse und Motorhauben bekommen im Lauf der Jahre gerundete, fast stromlinienförmige Kurven. Der Hanomag von 1955 hat bereits eine Öldruckanzeige und eine Wassertemperaturanzeige hinterm Lenkrad im Blickfeld des Fahrers – „das war schon Luxus“, sagt Wolfgang Wagner anerkennend.

Nur zwei der alten Ackerschlepper sind restauriert. Der Hanomag „Perfekt 300“ von 1963 ist noch im Originalzustand, selbst der Motor wurde noch nie geöffnet und läuft seit über 50 Jahren anstandslos. Statt einem Kilometerzähler haben Bulldogs einen Betriebsstundenzähler, der Hanomag hat erst 5000, „das ist sehr wenig“, sagt Wolfgang Wagner. Sein 1963er Fendt Farmer dagegen hat schon 14 000 Betriebsstunden auf dem originalen Zählwerk, „das entspricht etwa 300 000 Kilometern bei einem Auto“, so Wagner.

Sein schnellstes Pferd kommt aus England

Sein schnellstes Pferd im Stall ist der in England produzierte Massey-Ferguson: „Der Engländer ist einfach ein bisschen schneller“, sagt Wagner. Relativ schneller. Statt 20 bis 25 Stundenkilometer wie seine deutschen Artgenossen schafft er 28 Stundenkilometer in der Spitze.

Wagner hat außer seinen Bulldogs noch drei normale Oldtimer: einen hellblauen Käfer von 1970, einen Mercedes SLC von 1980 und einen Benz CE 230 von 1984. Aber vor allem alte Bulldogs erfreuen sich seit Jahren steigender Beliebtheit, insbesondere bei jüngeren Leuten. Auch bei den Wagners ist der Alteisenvirus schon in zweiter und dritter Generation ausgebrochen. Wenn das dreijährige Patenkind von Wolfgang Wagners Sohn zu Besuch ist, dann gibt es nur eins: „Bulldog fahren! Die sind interessanter als Autos“, schmunzelt Wagner.

Die Oldtimer Wolfgang Wagners kann man im Rahmen des Festwochenendes 700 Jahre Wülfersreuth am 16. und 17. September besichtigen.

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