Sie sprachen vorhin von Festspielgästen und Bayreuth-Besuchern. Das Museum selbst steht ja aber nicht im luftleeren Raum – sondern in einer Stadt, die nicht nur aus Wagner besteht. Welche Rolle spielen Bayreuth und die Bayreuther für das Richard-Wagner-Museum?
Stölzl: Das ist eine große Herausforderung, die der Kulturföderalismus mit sich bringt. In Deutschland ist die Kultur ja Ländersache; zuständig ist jeweils, wie es so schön heißt, das Sitzland. Die Villa Wahnfried steht in Bayreuth, damit ist klar, wer dafür zuständig ist. Das heißt aber nicht, dass die Villa Wahnfried nur den Bayreuthern gehört. Das Werk Richard Wagners gehört der Welt. Und alles, was in diesem Zusammenhang stattfindet, wird – das ist bei den Festspielen ja auch so – von der ganzen Welt gesehen, als eine Angelegenheit mit extrem symbolischem Charakter für Deutschland. Dieses Objekt geht die Welt an, und die Welt wird aufmerksam darauf schauen. Das lädt aber den regionalen Verantwortlichen auch eine hohe Verantwortung auf.
Viele Bayreuther sorgen sich: Da wird ein Museum gebaut, für viel Geld und mit großem Aufwand, es wird einen großen Neubau geben – was ist, wenn dann keiner hingeht?
Stölzl: Das glaube ich nicht. In den Plänen ist Platz für Wechselausstellungen vorgesehen – das ist ganz wichtig, Sie müssen wechseln, das ist eines der Grundgesetze des Kulturlebens. Ein Opernhaus, das ständig die gleiche Oper spielt, ist auch bald leer. Und Themen gibt es genug – Richard Wagner und die Kunst, Richard Wagner und die unselige Politik, Wagner und seine Weltwirkung. Da hat man schnell Ideen für viele Jahre zusammen. Und dann wird auch immer jemand hinfahren – ganz selbstverständlich. Ich weiß nicht, wie viele Autos pro Stunde auf der A9 durch Bayreuth fahren – aber die Menschen sind ja da. Man muss sie nur näher heranlocken, und das geht nur, wenn da etwas sehr Attraktives steht.
Sind denn die angepeilten Besucherzahlen – eine Verdoppelung bis Verdreifachung der bisherigen Zahl von 25.000 Gästen pro Jahr – realistisch?
Stölzl: Da bin ich kein Experte, aber die Villa Wahnfried spielt eindeutig in der Liga der Schlösser Ludwigs II., dieser Ort gehört genauso zu diesem großen Mythos des 19. Jahrhunderts. Die Anziehungskraft dieses Themas ist sicher groß. Ich bin aber kein Tourismusexperte, ich kenne die Touristenströme außerhalb der Festspiele nicht. Aber wenn ich mir vorstelle, wenn ich als Kulturtourist durch Deutschland fahre, auf der Straße oder auf der Schiene, und ich sehe, in Bayreuth gibt es eine Richard-Wagner-Gedenkstätte – dann mache ich einen Stopp, das ist doch hochinteressant! Es muss allerdings sehr gut gemacht sein, mit allen modernen Medien, die Mischung aus moderner Informationstechnik und Fetischismus, der Magie des Authentischen, muss stimmen.
Wie viel Spielraum lassen die Planungen dem Kuratorium zum aktuellen Zeitpunkt noch?
Stölzl: Nach der ersten Sitzung kann ich das nicht sagen, es gibt aber einen Gedanken, der ganz wichtig ist: Wahnfried ist ein Objekt von nationaler und internationaler Bedeutung, und deshalb muss man darum kämpfen, dass der Bund dauerhaft in die Verantwortung kommt, zusammen mit der Stadt und dem Land. Es gibt viele Beispiele, bei denen das gut funktioniert: beim Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, beim Deutschen Museum in München, bei der Klassik-Stiftung in Weimar. Nur weil man im Besitz eines bedeutenden Kulturensembles ist, ist man nicht automatisch reich. Wenn man etwas macht, dann muss man es so gut, so faszinierend wie möglich machen. Sie können das nun einmal nicht allein über die Eintrittskarten finanzieren.
Das Richard-Wagner-Museum ist seit Herbst 2010 geschlossen und hat in letzter Zeit vor allem mit schlechten Nachrichten Schlagzeilen gemacht. Um die Akzeptanz der Unternehmung in der Bevölkerung – die ja knapp 17 Millionen Euro kostet – steht es nicht besonders gut. Was raten Sie: Wie kann man die Bayreuther dazu bringen, Wahnfried wieder zu mögen?
Stölzl: Ich finde, es kann nicht genug Information geben. Wie genau, müssen die Verantwortlichen entscheiden. Aber die Bayreuther Bürger sitzen als Steuerzahler mit im Boot. Und die sollen das Projekt lieben, unbedingt! Sie sollen unbedingt die Chance bekommen, die Unternehmung genau zu kennen, sich damit zu identifizieren und stolz darauf zu sein – darauf, dass da etwas Attraktives entsteht. Man kann da wirklich nicht genug informieren – auch mit einer großen kommentierenden Bautafel, auf der genau steht, was wann passiert, und auch, wie viel es kostet, warum denn nicht! Wir haben doch gelernt, mit Zahlen nicht mehr so ängstlich umzugehen. Und so viel kostet es ja auch wieder nicht.
Das Gespräch führte Florian Zinnecker.