Der „Welt“-Autor über die Reaktionen auf seine Bayreuth-Beschimpfung Interview mit Dennis Sand: "Die Bayreuther sind immer erstmal dagegen"

Von Florian Zinnecker
Näher an die Hölle als in der Geisterbahn auf dem Bayreuther Volksfest kommt man der Hölle hier nicht - auch wenn "Welt"-Autor Dennis Sand in seiner Bayreuth-Polemik anderes behauptet. Foto: Harbach Foto: red

Er ist der Mann, der den Volkszorn der Bayreuther zum Überkochen brachte: „Welt“-Redakteur Dennis Sand (28) veröffentlichte am Freitag eine Bayreuth-Polemik. Welche Folgen der Text für ihn hatte und was die Veröffentlichung mit seiner Doktorarbeit zu tun hat,  erzählt er im Interview.

 
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Herr Sand, stimmt das Gerücht, dass Ihr Bayreuth-Text in Wahrheit ein Experiment für Ihre Doktorarbeit an der Bayreuther Universität ist – eine Arbeit über Leserreaktionen im Netz?
Dennis Sand: Nein, das ist nicht so. Ich habe mich mit Medienskandalen immer wieder ausführlich befasst. Mein Text über Bayreuth hat mit meiner Promotion aber nichts zu tun.

Wie lautet das Thema Ihrer Doktorarbeit?
Sand: Das „Böse“ in den Medien. Ich befasse mich damit, inwieweit das mediale Bild des „Bösen“ Rückschlüsse auf die jeweilige Gesellschaft zulässt. Das „Böse“ ist ja immer eine Projektionsfläche. Was in den Medien als „böse“ gilt, sagt eigentlich immer mehr über die Leute aus, die das Böse zeichnen.

Seit Sie Bayreuth auf welt.de als urdeutsche Hölle bezeichnet haben, gelten in Bayreuth vielen Lesern Sie als das Böse. Welche Reaktionen haben Sie auf den Text bekommen?
Sand: Viel Zuspruch, aber auch viele Menschen, die mich am liebsten im Todesrinnla ertränken würden. Oder im Rotmain. Der – wie ich jetzt weiß – Roter Main heißt.

Überwiegt die Zustimmung? Oder die Ablehnung?
Sand: Es war halbe-halbe. Die Ablehnung war schärfer. Und natürlich wenden sich die meisten Leute, die sich aufregen, nicht an mich persönlich. Das liegt in der Natur der Sache.

Was war die schlimmste Beschimpfung?
Sand: Schon die Morddrohungen. Dass mich ein Leser wegen Volksverhetzung anzeigen will, fand ich sehr skurril. Ich warte aber noch auf den Brief. Gut fand ich die Idee von Radio Mainwelle – die machen jetzt eine Serie zur Frage, was in Bayreuth wirklich höllisch ist.

Verfolgen Sie die Diskussion im Internet und vor allem in Facebook?
Sand: Klar, natürlich, das macht ja total Spaß.

Die Sache mit den toten Fischen im Main, die Passage mit der Diagnose, dass nach den Festspielen nur noch das Elend bleibt – haben Sie das nicht vielleicht doch nur geschrieben, um zu sehen, wie groß die Empörungswelle wird?
Sand: Klar. Der Text ist ja kein wissenschaftlicher Aufsatz über Bayreuth, sondern eine Polemik, die provozieren soll – und die auch Diskussionen auslösen darf. Das ist ganz offensichtlich gelungen. Auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass ein bisschen mehr über die tatsächlichen Kritikpunkte diskutiert wird, die ich formuliert habe. Natürlich ist Bayreuth nicht die Hölle, natürlich sind die Fische nicht wegen der Apokalypse gestorben; keine Frage. Aber ein paar Punkte an Bayreuth sehe ich – und nicht nur ich – eben doch kritisch.

Was werfen Sie Bayreuth denn vor?
Sand: Ich werfe den Bayreuthern vor, dass sie sehr veränderungsunwillig sind. Und die Reaktionen zeigen: Ein Teil der Leser gibt mir da total recht gibt. Und der andere Teil, der, den ich ansprechen wollte, blockt total, macht zu und sagt: Völliger Blödsinn, Dennis Sand raus aus Bayreuth! Und das bestätigt leider komplett das, was ich sehe. Ich verstehe, dass man sich über den Text aufregt, das soll man ja auch. Aber natürlich ist nicht jede Zeile in diesem Text hundertprozentig ernst und auch nicht böse gemeint. Bayreuth ist nicht die Hölle. Bayreuth ist eine schöne Stadt.

Wenn Sie den mangelnden Veränderungswillen beklagen – sehen Sie da einen Unterschied zu anderen 70.000-Einwohner-Städten?
Sand: Ja, total. Der Satz, den ich am häufigsten in Bayreuth gehört habe, ist: Das haben wir immer schon so gemacht. Mit neuen Ideen stößt man erstmal auf Granit. Ich war Fachschaftssprecher, wir haben Lesungen organisiert, haben Thomas Gsella eingeladen und – da schließt sich jetzt der Kreis – auch Wiglaf Droste. Wir haben viele Partys und Aktionen organisiert – aber es war immer wahnsinnig schwierig, ein unglaublicher Kraftaufwand. Die Bayreuther sind grundsätzlich immer erstmal dagegen. Andere Städte sind viel offener, wenn eine Idee dann schlecht ist, dann läuft es halt nicht, aber man hat es wenigstens probiert. Das finde ich in Bayreuth schon gravierend.

Wie kam es zu dem Beitrag?
Sand: Das Thema entstand in einer Diskussion. Wir haben uns gefragt: Bayreuth kennt jeder über die Festspiele – aber was passiert dort eigentlich in der festspielfreien Zeit? Und dazu konnte ich etwas beitragen.

Trauen Sie sich noch, nach Bayreuth zurückzukommen?
Sand: Ja, natürlich. Immer mal wieder. Ich habe viele Freunde in Bayreuth, es ist ja auch eine schöne Stadt. Ich hasse Bayreuth nicht, ich könnte auch zehntausend schöne Stellen in der Stadt nennen und eine Menge Menschen, die nett und freundlich und super sind. Aber nochmal: Das war eine Polemik, die dazu diente, Diskussionen anzuregen. Und das hat sie geschafft.

  • "Warum Bayreuth die urdeutsche Hölle auf Erden ist", so war die Polemik von Dennis Sand überschrieben, die am 29. August 2014 auf der Internetseite der "Welt" erschienen ist. "Bayreuth ist nichts für Anfänger", war die Antwort von Kurier-Kulturchef Florian Zinnecker. Die Replik war beim Nordbayerischen Kurier zu lesen und auch auf welt.de.

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