Die Angst vor Gehaltskürzungen ist groß - Noch kein einziges Signal der Hilfe von Kirchenseite Diakonie-Mitarbeiter: "Im Stich gelassen"

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Das Heilpädagogische Zentrum, HPZ, ein Herzstück der gemeinnützigen GmbH Hilfe für das behinderte Kind. Diese Diakonie-Tochter hat Insolvenz angemeldet. Foto: Wittek Foto: red

Geld ist Thema Nummer eins – aber die Mitarbeiter fühlen sich im Stich gelassen. Hinter den Kulissen werden um die fehlenden drei Millionen Euro für die Diakonie Bayreuth gerungen. Jetzt droht noch eine Insolvenz. Doch von der Kirche kam noch kein Signal der Hilfe für die am heftigsten getroffenen Mitarbeiter.

 
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Es war die Frühförderung, deren Schieflage die ganze Diakonie mitriss. Seit mehr als sieben Jahre hat die Diakonie diese Einrichtung finanziell mitgeschleppt, immer wieder Geld reingepumpt – bis es nicht mehr ging. Etwa 2,4 Millionen fehlen in diesem Bereich, zusammen mit anderen, kleineren Fehlbeträgen summiert sich der Fehlbetrag auf knapp drei Millionen Euro. Klar ist: Es muss gespart werden. Klar ist auch: Die Mitarbeiter der betroffenen Diakonie-Abteilungen haben Angst. Denn sie sind die schwächsten in der Nahrungskette – was das Gehalt betrifft.

Diakonie = niedrigere Löhne

„Löhne und Gehälter gingen in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich nach unten“, sagt Gisela Sachs-Hartmann (57). Sie ist die Vorsitzende der Mitarbeitervertretung in der Abteilung der Diakonie, die am schlimmsten von der Misere getroffen ist: Hilfe für das behinderte Kind gGmbH, ein Tochter-Unternehmen der Diakonie, in der auch die pleite gegangene Frühförderung organisiert wird. Davor, dass Einrichtungen – auf Dauer – geschlossen werden, braucht kein Mitarbeiter Angst zu haben. Aber vor Gehaltskürzungen, die durch den Notstand möglich wären. Seit Anfang der Woche hat das Unternehmen im Diakonie-Verbund, das am schlimmsten betroffen ist, Insolvenz angemeldet (der Kurier berichtete): die gemeinnützige GmbH Hilfe für das behinderte Kind. Vor allem dort haben die Mitarbeiter Angst.

Bei der Diakonie verdienen „Erzieher bis zu 200 Euro schlechter“ als ihre Kollegen, die beim Öffentlichen Dienst angestellt sind. „Im Laufe des Berufslebens sind das einige tausend Euro weniger“, seufzt Sachs-Hartmann. Die meisten ihrer Kolleginnen arbeiteten, sagt sie, in „Zwangsteilzeit“, 20 oder sogar nur 15 Stunden die Woche. Vollzeit gebe es ganz wenige. Und der Verdienst bei Vollzeit für Kinderpflege- oder Heilerziehungspflege-Helfer ist schon mickrig: etwa 1300 Euro netto. Die meisten haben also eine Zweit-Job, in einer anderen Einrichtung der Diakonie. Manche gehen auch putzen oder bedienen. Sie träfe eine Gehalts-Kürzung hart.

Existenzangst kostet Kraft

„Die Existenzangst kostet Kraft, die im Job fehlt“, sagt Sachs-Hartmann. Und die ersten Mitarbeiter seien schon gegangen. Flucht aus dem zweitgrößten Arbeitgeber der Stadt.

In ihrer Not haben die Mitarbeiter einen Brief an die evangelische Landeskirche geschrieben. Darin bitten sie „dringend“ um „finanzielle Unterstützung zum Fortbestand aller Einrichtungsbereiche der Behindertenhilfe“ in der angeschlagenen Diakonie-Tochter. Die Mitarbeiter schreiben sich den Frust von der Seele: „Unter uns herrscht eine große Unsicherheit und Enttäuschung darüber, dass für uns bisher keine Zusage für finanzielle Hilfe erkennbar ist.“ Sie betonen in dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, dass sie die Krise „nicht verschuldet“ hätten. „Im Gegenteil, wir arbeiten seit Jahren am Limit“, was die Personalbesetzung und die Ausgaben angehe, die für die behinderten Menschen nötig seien. „Wir haben nie aus dem Vollen geschöpft.“

Jetzt kommt zur Verzweiflung bei einigen auch die Wut. „Tag für Tag leben wir … den christlichen Glauben, Monat für Monat zahlen wir unsere Kirchensteuern.“ Umso mehr fühlen sie sich „im Stich gelassen“, weil der Frühförderung die Schließung droht. Oder die Kürzung des Gehaltes. Fazit: „Der Glaube an die Dienstgemeinschaft und die gemeinsame Verantwortung für den Dienst der Kirche und ihrer Diakonie kommt uns in den letzten Monaten leider abhanden, da sich bisher niemand unserer Ängste und Sorgen für den Fortbestand unserer Einrichtung, über die weiter qualitativ gute Betreuung und Förderung der uns anvertrauten behinderten Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen bin hin über den Verlust des eigenen Arbeitsplatzes angenommen hat.“

Den Mitarbeitern bleibt nur noch die „Hoffnung“, dass die Kirche das „Evangelium lebt“, „in Worten und vor allem auch in Taten in Form finanzieller Hilfe.“ Unterschrieben von 104 Mitarbeitern.

Die Kirche schweigt

Doch die Landeskirche, bei der der Brief aus Bayreuth seit einem Monat liegt, schweigt, verweist auf das Diakonische Werk, mit dem man „eng zusammen arbeitet“. Franz Sedlak, Sanierer und Geschäftsführer der Diakonie Bayreuth, spricht von „Signalen“ aus Richtung der Kirche. Auch beim Diakonischen Werk Bayern, dem Dachverband, ist von „guten Signalen“ zu hören. Aber allein die guten Signale helfen den Mitarbeitern nicht. Die erste Umstrukturierung in ihrem Bereich ist geplant, eine Folge der Krise: Der Wohnbereich für erwachsene Behinderte soll an die Werkstätten für behinderte Menschen angeschlossen werden. Diese GmbH, eine andere Tochter der Diakonie, läuft wirtschaftlich sehr gut. So gut, dass auch ein anderer Bereich der Diakonie, das „Begleitete Wohnen“ angegliedert werden soll. Wie es mit der Frühförderung weitergeht, steht noch in den Sternen. Noch hängt das Damoklesschwert der Schließung über der Einrichtung.

Aber auch die Betriebsübergänge, eigentlich ein sicherer Hafen, sind nicht frei ohne Gefahr für die Mitarbeiter. Denn damit hätte der Arbeitgeber – theoretisch – die Möglichkeit, manchem Mitarbeiter eine Änderungskündigung vorzulegen. Die Angst wird also bleiben. Und die unbeantwortete Frage von Sachs-Hartmann und ihren Kollegen: "Was ist unsere Arbeit eigentlich wert?"

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