„Die Existenzangst kostet Kraft, die im Job fehlt“, sagt Sachs-Hartmann. Und die ersten Mitarbeiter seien schon gegangen. Flucht aus dem zweitgrößten Arbeitgeber der Stadt.
In ihrer Not haben die Mitarbeiter einen Brief an die evangelische Landeskirche geschrieben. Darin bitten sie „dringend“ um „finanzielle Unterstützung zum Fortbestand aller Einrichtungsbereiche der Behindertenhilfe“ in der angeschlagenen Diakonie-Tochter. Die Mitarbeiter schreiben sich den Frust von der Seele: „Unter uns herrscht eine große Unsicherheit und Enttäuschung darüber, dass für uns bisher keine Zusage für finanzielle Hilfe erkennbar ist.“ Sie betonen in dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, dass sie die Krise „nicht verschuldet“ hätten. „Im Gegenteil, wir arbeiten seit Jahren am Limit“, was die Personalbesetzung und die Ausgaben angehe, die für die behinderten Menschen nötig seien. „Wir haben nie aus dem Vollen geschöpft.“
Jetzt kommt zur Verzweiflung bei einigen auch die Wut. „Tag für Tag leben wir … den christlichen Glauben, Monat für Monat zahlen wir unsere Kirchensteuern.“ Umso mehr fühlen sie sich „im Stich gelassen“, weil der Frühförderung die Schließung droht. Oder die Kürzung des Gehaltes. Fazit: „Der Glaube an die Dienstgemeinschaft und die gemeinsame Verantwortung für den Dienst der Kirche und ihrer Diakonie kommt uns in den letzten Monaten leider abhanden, da sich bisher niemand unserer Ängste und Sorgen für den Fortbestand unserer Einrichtung, über die weiter qualitativ gute Betreuung und Förderung der uns anvertrauten behinderten Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen bin hin über den Verlust des eigenen Arbeitsplatzes angenommen hat.“
Den Mitarbeitern bleibt nur noch die „Hoffnung“, dass die Kirche das „Evangelium lebt“, „in Worten und vor allem auch in Taten in Form finanzieller Hilfe.“ Unterschrieben von 104 Mitarbeitern.
Die Kirche schweigt
Doch die Landeskirche, bei der der Brief aus Bayreuth seit einem Monat liegt, schweigt, verweist auf das Diakonische Werk, mit dem man „eng zusammen arbeitet“. Franz Sedlak, Sanierer und Geschäftsführer der Diakonie Bayreuth, spricht von „Signalen“ aus Richtung der Kirche. Auch beim Diakonischen Werk Bayern, dem Dachverband, ist von „guten Signalen“ zu hören. Aber allein die guten Signale helfen den Mitarbeitern nicht. Die erste Umstrukturierung in ihrem Bereich ist geplant, eine Folge der Krise: Der Wohnbereich für erwachsene Behinderte soll an die Werkstätten für behinderte Menschen angeschlossen werden. Diese GmbH, eine andere Tochter der Diakonie, läuft wirtschaftlich sehr gut. So gut, dass auch ein anderer Bereich der Diakonie, das „Begleitete Wohnen“ angegliedert werden soll. Wie es mit der Frühförderung weitergeht, steht noch in den Sternen. Noch hängt das Damoklesschwert der Schließung über der Einrichtung.
Aber auch die Betriebsübergänge, eigentlich ein sicherer Hafen, sind nicht frei ohne Gefahr für die Mitarbeiter. Denn damit hätte der Arbeitgeber – theoretisch – die Möglichkeit, manchem Mitarbeiter eine Änderungskündigung vorzulegen. Die Angst wird also bleiben. Und die unbeantwortete Frage von Sachs-Hartmann und ihren Kollegen: "Was ist unsere Arbeit eigentlich wert?"