Der Traum vom sozialen Aufstieg

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Sie erfüllen sich einen Traum: Lilaray Karki (rechts) und Surya Giri eröffnen am Freitag gemeinsam mit ihrem Frend Yagya Adhikari ihr eigenes Restaurant im zuletzt geschlossenen Gasthaus Grüner Baum. Foto: Gunter Becker Foto: red

Viele Jahre war Lilaray Karki nur ein Außenseiterleben erlaubt: Als er vor mehr als 20 Jahren als Flüchtling nach einer langen Odyssee in Bayreuth landete, mussten er und seine kleine Familie von dem leben, was die wöchentlich ausgeteilten Lebensmittelpakete boten. Doch Karki resignierte nicht. Als er endlich arbeiten darf, findet er einen Job als Küchenhilfe. Jetzt, wo er endlich die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, eröffnet er mit Freunden ein Restaurant: den Grünen Baum.

 
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Die Wände hat er schon gestrichen. Strahlend weiß kontrastieren sie mit dem dunklen Braun der Holzvertäfelung. Die robusten Stühle stehen noch auf den schweren Wirtshausholztischen. Auf dem Tresen stapeln sich Kartons mit bunten Zetteln, die von der Neueröffnung künden. Am Freitag beginnt im Leben von Lilaray Karki ein neuer Abschnitt. Zusammen mit seinem Freund und Partner Surya Giri wird er geladene Gäste und hoffentlich viele Besucher begrüßen in seinem eigenen Restaurant, dem Grünen Baum. Und mit ihnen feiern, was die beiden als die Erfüllung eines lang gehegten Traumes beschreiben.

Lange Odyssee

Die Hände in den Schoss legen und von staatlicher Hilfe leben war Lilaray Karki immer zuwider. Er war es gewohnt anzupacken. In seiner Heimat Bhutan, wohin seine Vorfahren aus Nepal ausgewandert waren, arbeitete er in der Landwirtschaft, verdiente gut, um seine kleine Familie ernähren zu können. Bis ihm sein politisches Engagement zum Verhängnis wurde. Karki musste mit seiner Frau und der kleinen Tochter aus Bhutan fliehen.

Nach einer lange Odyssee durch viele Länder landete die kleine Familie 1994 in Bayreuth. Für die nächsten Jahre sollten zwei kleine Zimmer im Asylbewerberheim an der Wilhelm-Busch-Straße ihre Heimat sein. Die staatliche Hilfe beschränkte sich auf Essenspakete. Der Umstand, dass keiner der beiden Staaten Bhutan und Nepal bereit waren, Karki und seiner Frau Pässe auszustellen, sollte sich für die Familie als Glücksfall erweisen. Die Ausländerbehörde spricht eine Duldung aus. Ab dem Zeitpunkt investieren Karki und seine Frau ihre ganze Kraft in die schulische Ausbildung ihrer mittlerweile zwei Kinder.

Die Wende zum Guten kommt im Jahre 2006 mit der von der Innenministerkonferenz beschlossenen Bleiberechtsregelung, die es der Familie Karki endlich ermöglicht, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Sie dürfen die Asylunterkunft verlassen, sich Arbeit suchen. Karki findet schnell eine Anstellung in der Küche eines Pizzaservices, seine Frau in der Küche eines Restaurants. Die Einkünfte sind bescheiden, bewegen sich auf Sozialhilfeniveau. Aber ausreichend, um die Kinder auf ein Gymnasium schicken zu können. Die letzten Jahre arbeitet Karki in einer Käserei, seine Frau wechselt in die Seniorenpflege. Die Kinder legen das Abitur ab und beginnen ein Studium.

Neuer Lebensabschnitt

Im Leben des ehemaligen Landwirts, der wie seine Familie seit zwei Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, beginnt ein neuer Abschnitt. Mit seinen Freunden Surya Giri und Ygaya Adhikari, die wie er aus Nepal kommen, schmiedet er den Plan, eine eigene Gaststätte zu eröffnen. Giri, der als Student nach Bayern kam, arbeitete viele Jahre in der Gastronomie, zuletzt in Südtirol. Den promovierten Naturwissenschaftler Adhikari hat es in die Hotellerie verschlagen.

„Jeder von uns hat die entsprechenden Kenntnisse, um gemeinsam ein Restaurant mit Übernachtungsmöglichkeiten führen zu können“, sagt Karki. Um ihrem Traum näher zu kommen, gründen sie die Rhino-Gmbh, bevor sie sich auf die Suche nach einem Lokal begeben, das ihren Vorstellungen und Ansprüchen entspricht. Fündig werde sie in Bayreuth. Der Besitzer des Gasthauses Grüner Baum sucht einen neuen Pächter, da der bisherige Gastwirt aus Altersgründen abtritt. Ihr Konzept überzeugt, sie erhalten den Zuschlag.

Vor dem Grünen Baum steht ein Nashorn

Nun, nach mehrwöchiger Renovierungsarbeit, kurz vor der Eröffnung, steigt die Anspannung: Die Räume sind gestrichen. In der Gaststube haben sie Stühle und Bänke mit blauem Stoff bezogen, im Nebenzimmer dominiert die Farbe rot. Es ist heller geworden in dieser Traditionsgaststätte. Und moderner.

Eine Spielecke für Kinder soll den Eltern ermöglichen, in Ruhe ihr Essen genießen zu können. Es sei ein Spagat, den sie im Grünen Baum machen müssen und wollen, sagt Karki. Sie werden auch weiterhin, wie es die Stammgäste gewohnt sind, typisch fränkische Gerichte anbieten. Aber auch kulinarische Ausflüge in ihre Heimat Nepal wollen sie ihren Gästen nicht vorenthalten. Finden die Speisen Anklang, kann man das Angebot erweitern.

Dass es schwer werden wird, in der Branche zu bestehen, ist den drei Partnern bewusst. Sie kennen die Anforderungen und Strapazen, die man bewältigen muss, um ein Restaurant nicht nur zu eröffnen, sondern auch erfolgreich zu führen. Die Kenntnisse haben sie, den Optimismus teilen sie und über die notwendige Kraft verfügen sie. Über viel Kraft sogar. Wie ein Nashorn, das in ihrer Heimat Nepal lebt und verehrt wird. Und deshalb – auch das ist neu – steht im Logo ab sofort ein Nashorn vor dem grünen Baum.

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