"Der Schluss schockiert Wagnerianer"

Von Michael Weiser

Sein Vater: Der berühmte Wotan aus Soltis "Ring". Seine Mission: Den "Ring" neu zu schmieden. Frank Nimsgern hat Wagners Riesen-Drama in ein Muscial gefasst, das am Samstag Premiere im Theater Hof feiert. Wir sprachen mit ihm über Feuer zum Schluss, über Leitthemen und eine Kindheit in Opern-Städten.

 
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Sie haben ein Sechzehn-Stunden-Drama auf zweieinhalb Stunden zusammengefasst. Wie kommt man auf so eine verwegene Idee?

Frank Nimsgern: Indem ich den „Ring“ so erleben musste, wie ihn wohl kaum ein anderes Kind erlebt hat. Ich habe ihn in Bayreuth erlebt, in New York, in Mailand – und da habe ich die ganze Geschichte irgendwie schon unbewusst aufgenommen. Ich fand das unglaublich spannend. Aber als Kind hatte ich den direkten Zugang nur zu „Rheingold“, bei der „Götterdämmerung“ und auch der „Walküre“ bin ich irgendwann ausgestiegen. Als ich dann ins Muscialfach kam, kam mir die Idee, die Geschichte zu verschlanken, die Essenz herauszuziehen. Wie Siegmund und Sieglinde den Siegfried zeugen, habe ich bewusst rausgelassen, auch um nicht in diese Arier-Geschichte mit Inzest zu kommen, aus der die Nazis schon immer so ein Ding gemacht haben. Auch von der Personalstruktur habe ich einiges geändert, in dem Punkt zum Beispiel, dass ich die Personage von Mime, Alberich und Hagen in Alberich zusammengefasst habe. Sie stammen ohnehin aus demselben Geschlecht. Wotan und Brünnhilde sind die einzigen Götter. Das ist die Herausforderung – diese Hauptessenz zu destillieren.

Aber es bleibt dabei: Am Ende brennt die Bude?

Nimsgern: Ähm, da haben wir einen andern Twist, einen, der viele Wagnerianer irritieren oder gar schockieren wird. In Bonn ist das Musical in einer etwas anderen Fassung erstmals gelaufen. Der Wagner-Verband hat mich dann sogar eingeladen, darüber zu referieren. Und da war ich echt gerührt. Man hatte akzeptiert, dass ich Wagner ernst nehme und da keine Comedy mache. Es ist ja auch so: Für mich ist Wagner das ultimative Music-Theater.

Spiel mit den Leitmotiven

Und doch etwas für Eingeweihte.

Nimsgern: Deswegen habe ich auch zehn Leitmotive interessant verpackt. Wo die versteckt sind, darüber haben die Theaterleute bei uns in Hof während der Proben schon Mutmaßungen angestellt.

Insgesamt sind es mehrere Dutzend Themen. Auf einige Themen wird man bei der engsten Auswahl nicht verzichten können. Das Siegfried-Motiv etwa…

Nimsgern: Hm, ja…

Das Walhalla-Motiv, weil’s so schön ist…

Nimsgern: Aber so schön auch!

… und das Motiv zum Erscheinen von Fasolt und Fafner. Das ist so süffig, das kann man sich in einem Rockmusical nicht entgehen lassen.

Nimsgern: Ich merke, Sie sind im Bilde. Ein paar Sachen sind aber absolut versteckt. Da spiele ich nur drei, vier Takte an, dann führe ich das Motiv ganz anders weiter, in meine musikalische Welt hinein.

Es endet anders als bei Wagner. Happy?

Und heißt es am Ende - „Starke Scheite schichtet mir dort“?

Nimsgern: Sie müssen sich‘s ansehen. Das werde ich nicht verraten. Mein Vater – also, als er sich’s in Bonn angesehen hat, war er schockiert. Am Ende hat er’s verstanden, es ist eben eine Metapher. (lacht) Aber ich merke schon: Spoiler Alert! Von mir erfahren Sie nichts!

Weil Sie ihn eben erwähnten: Ihr Vater. Der ist einer der Wagner-Heroen. Auch in Bayreuth, als „Wotan“.

Nimsgern: Der hat das zwanzig Jahre lang gesungen, auf der ganzen Welt, ja.

"Mein Vater ist stolz darauf"

Wie hat Sie das beeinflusst?

Nimsgern: Zu der Zeit, als Georg Solti ihn nach Bayreuth holte, war ich in meiner Präpubertät. Ich konnte keine Klassik mehr hören, nachdem ich in meiner Kindheit in New York, San Francisco und Mailand kaum etwas anderes gehört hatte. Da war dieses Verlangen, dass es doch da noch etwas anderes geben muss als „Tosca“ und Wagner. Zu besagter Zeit in Bayreuth war ich 12, 13 Jahre alt, und ich habe angefangen, Gitarre zu spielen. Ich konnte nichts mehr mit klassischer Musik anfangen, was ich heute sehr bedauere. Ich schaue mir das ab und zu auf Youtube an und sehe, was da für eine Qualität ist. Mein Vater hat auch in Bonn gesungen, und dann komme ich 20 Jahre später mit meinem eigenen „Ring“ ausgerechnet in Bonn raus. Da kannte jeder noch Nimsgern, und ich musste mich schon ein bisschen rechtfertigen. Auch in der Tagesschau wurde darüber berichtet, wie man dieses Erbe so interpretieren kann. Mein Vater ist auch stolz darauf gewesen. Weil er gesehen hat, dass das von der Leistung her so ist wie der eigentliche „Ring“. Es ist übrigens auch kein Musical zum Mitfeiern, es ist ein Drama.

Und jetzt führen Sie’s ausgerechnet vor den Toren der Gralsburg auf, wenige Kilometer von Bayreuth entfernt. Was für ein Gefühl ist das denn?

Nimsgern: Ich bin schon vor fünf Jahren vom Wagner-Verband nach Bayreuth eingeladen worden, das war, als Schlingensief noch gelebt hat. Da gab es ein Symposium über mein Musical. Auftreten durfte ich aber nicht (lacht). Ich habe für die Hofer Aufführung Katharina Wagner eingeladen. Wir gehen wirklich respektvoll damit um. Wissen Sie, ich habe so viel Regietheater gesehen, in dem Wotan mit einer Aktentasche rumrennt und der Alberich mit ner Aldi-Tüte…

So was wie Jonas Kaufmann für Hof

…und Siegfried mit einer Kalaschnikov?

Nimsgern: Richtig. Man kann das mögen, jedenfalls fühlte ich, dass es Zeit war, dass man sich mit der Musik auch ernsthaft wieder beschäftigt. Ich wollte der Musik alle Ehre erweisen.

Mit welchen Musikern stemmen Sie dieses Riesenprojekt?

Nimsgern: In der Tat, das ist die größte Produktion des Theaters Hofs, und ich bin sehr zufrieden, sowohl als Komponist als auch als Dirigent. Ich habe eine Extrafassung für Hof erarbeitet. Das Orchester ist ein Zuspiel, und dazu habe ich meine eigenen Musiker gecastet, eine Band. Apropos Casting: Wir haben als Sänger die Topleute in Deutschland engagiert. Das ist in unserem Bereich so, als ob Sie Jonas Kaufmann für eine Oper nach Hof holten.

Was hätte Wagner zu ihrem „Ring“ gesagt?

Nimsgern: Ich glaube, ich habe versucht, die Energie, den Druck, den Wagner in seinen Draman aufbaut, neu zu interpretieren. Was E-Gitarre und Schlagzeug betrifft: Wagner hätte auch mit neuem Instrumentarium gearbeitet. Wenn er diese Möglichkeiten gehabt hätte, dann hätte er sie eingesetzt. Und auch die Filmmusik basiert ja auch in weiten Teilen auf Wagner.

INFO: Premiere ist am Samstag, 29. Oktober, um 19:30 Uhr im Großen Haus, Weitere Vorstellungen: Sonntag, 30. Oktober; Samstag, 5., Sonntag, 6.,  Freitag, 18. und Samstag, 19. November.  Mittwoch 11 Januar, Donnerstag, 12. Januar.