Der Kuckuck macht sich rar

Von Claudia Schülke, epd
Ein Kuckuck. Foto: Nabu//P. Zeininger/dpa Foto: red

"Wann kommt der Kuckuck?" fragt der Naturschutzbund Nabu und ruft dazu auf, den ersten Frühlingsboten zu melden. Doch immer weniger Vögel kehren zurück aus dem Winterquartier. Forscher sind ihnen mit Satellitensendern auf der Spur.

 
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"Prinzregent" ist ein Streuner. Als der Kuckuck im Juni 2013 aus dem Donautal nach Afrika aufbrach, überflog er zunächst Oberösterreich, kehrte dann in sein Brutgebiet zurück, flog wieder nach Österreich und erst dann ganz in den Süden. Auch "Phil" aus dem südlichen Weißrussland nahm nicht direkt Kurs gen Afrika. Beide Vögel waren mit 4,8 Gramm leichten PTT-Satellitensendern ausgerüstet, die ihre Energie aus Solarmodulen ziehen. So konnten Forscher die Flugroute der Vögel in einem dreijährigen Projekt genau verfolgen.

Langstreckenzieher

Wenn der Frühlingsbote seinen charakteristischen Ruf in Mitteleuropa ertönen lässt, hat er schon einen weiten Weg hinter sich: Kuckucke gehören zu den Langstreckenziehern unter den Zugvögeln. Nur ihre Zugrouten und Rastplätze waren bisher unbekannt. "Es gab keine Ringfunde in Afrika", erklärt die  Biologin Friederike Herzog, die die Ergebnisse des Satelliten-Beobachtungs-Projekts auf der Frühjahrstagung der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz in Herborn vorgestellt hat. "Aber nun können wir den Vögeln bis auf drei Meter genau folgen."

Eine überraschende Erkenntnis: "Schon um den 20. Juni zogen die Kuckucke wieder nach Süden." Sie blieben also nur rund zwei Monate in ihren europäischen Brutgebieten.

Auf der Roten Liste

Der Forschungsbedarf ist groß: Der Kuckuck ist immer seltener zu hören. Mittlerweile steht er als "gefährdet" auf der Roten Liste der Vogelarten in Deutschland. Zwischen 1990 und 2013 haben die Bestände um 15 Prozent abgenommen, in Großbritannien sind sie zwischen 1995 und 2011 sogar um bis zu 65 Prozent eingebrochen.

Insgesamt acht Kuckucke hatte der bayerische Landesbund für Vogelschutz (lbv) im Donautal südlich von Regensburg mit einem winzigen Senderrucksack versehen, sieben in den weißrussischen Pripjet-Sümpfen. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der British Trust for Ornithology (BTO) unterstüzten das Projekt.

Nach Zentralafrika

Zwei bayerische Vögel überwinterten in Angola, zwei weißrussische in Mosambik und Südafrika, die meisten in Zentralafrika. Die sogenannten östlichen Zieher waren über Kroatien, Griechenland, Ägypten und Libyen geflogen, die westlichen über Italien, Tunesien und Nigeria. Als im Frühjahr 2014 in Afrika Regen einsetzte, zogen sie über die westafrikanischen Länder Ghana, Togo, Benin und die Elfenbeinküste zurück nach Europa.

"Wann kommt der Kuckuck?", fragt in diesem Frühjahr der Nabu in Hessen. Er ruft dazu auf, den ersten Kuckucksruf zu melden. Meist treffen die Vögel im Laufe des Aprils in Mitteleuropa ein. Immer häufiger ist das zu spät, um ein Kuckucksei in die Nester ihrer Wirtsvögel zu legen. Denn viele der Wirte sind Kurzstreckenzieher und kehren vermutlich aufgrund der Klimaveränderung früher in ihre Brutgebiete zurück.

Hochfrequentes Betteln

In der Oberpfalz werden die Wirtsvögel genau beobachtet: Von etwa 100 potenziellen Arten sind bereits 45 als Aufzuchtpaare nachgewiesen. Dazu gehört der Teichrohrsänger, in dessen Nest das Kuckucksweibchen ein Ei legt. Ist das Kuckucksküken geschlüpft, wirft es die übrigen Eier oder Brutgeschwister aus dem Nest. Denn es ist so groß, dass es sehr viel Nahrung braucht. "Dann sperrt es seinen orangefarbenen Rachen für die Stiefeltern auf und bettelt so hochfrequent um Futter, dass es sich anhört, als wären es mehrere Jungvögel", erläutert Herzog.

Warum aber merken die Wirtsvögel diesen Betrug nicht? Weil das Kuckucksei den Eiern des Teichrohrsängers, des Wiesenpiepers, der Bachstelze oder der Gartengrasmücke zum Verwechseln ähnlich sieht. Die Kuckucksweibchen sind genetisch auf bestimmte Wirtsvögel programmiert.

Vogeljagd und Intensivlandwirtschaft

Gründe für den Bestandsrückgang des Kuckucks könnten nach Angaben von Herzog auch die Intensivierung der Landwirtschaft in Europa und  Afrika sowie der Verlust von Lebensraum und Nahrung durch Abholzung sein. Noch nicht endgültig erforscht ist, ob die Vögel stärker in Europa, auf dem Zugweg, in den Rastgebieten oder den afrikanischen Überwinterungsgebieten gefährdet sind. Auch die Vogeljagd auf den Kuckuck könnte eine Rolle spielen.

Norbert Schäffer ist Experte der britischen Royal Society for the Protection of Birds (RSPB), die ebenfalls Kuckucke mit Sendern  ausgestattet hatte. "Wir fangen an zu verstehen, dass der Rückzug aus dem Winterquartier durch Regenfälle in Westafrika ausgelöst wird, dass die Verlustraten auf dem Herbstzug bedenklich sind und dass die Sterblichkeit der Altvögel im Brutgebiet als Erklärung für den Bestandsrückgang nicht ausreichen", erklärt er.

Nur gut die Hälfte der Kuckucke, die Friederike Herzog beobachtete, kam heil zurück. "Und Kuckuck ,Ruth' erreichte zwar Bayern, verendete aber dann an einer Fensterscheibe", berichtet die Biologin.