Der Jäger, der nicht tötet

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Großwildjäger wird Heino Krannich gern genannt. Der Mann aus Niedersachsen tötet seine Beute aber nicht, sondern legt sie mit Hilfe eines Narkosepfeils nur schlafen. Was zunächst mit Wildtieren begonnen hat, wird zunehmend für Hunde gebraucht. Mehr als 100 entlaufene Vierbeiner hat Heino Krannich mit Hilfe seines Narkosegewehrs schon „gesichert“, wie es in der Fachsprache heißt.Foto: red Foto: red

Er nennt sich Jäger, aber er tötet nicht. Er benutzt ein Gewehr, das aber keine Kugeln verschießt. Heino Krannich geht mit Betäubungspfeilen auf die Jagd. Zumeist, um entlaufene Hunde einzufangen.

 
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Als Heino Krannich mithalf, vor wenigen Tagen im Fichtelgebirge die beiden offenbar ausgesetzten Wolfshunde wieder einzufangen, hat er in der Region Schlagzeilen gemacht. „Der Großwildjäger mit dem Narkosegewehr“, wie sich der Mann aus Niedersachsen selbst gern beschreibt, betreibt eigentlich einen Tierparkservice.

„Ich bin bekannt wie ein bunter Hund“, sagt Krannich über sich selbst. Er transportiert Giraffen ebenso wie Büffel. Immer da, wo es gefährlich werden könnte, setzt er Narkosepfeile ein, die er mit einem Präzisionsgewehr verschießt. Doch längst sind nicht mehr nur die „Exoten“ Ziel. Immer öfter legt Krannich auch auf Hunde an, die ihren Besitzern entlaufen sind und nicht mehr von selbst zurückkommen. Vor ein paar Tagen war der 57-Jährige in Kulmbach und hat verzweifelten Hundebesitzern geholfen. „Wenn nichts mehr hilft, muss Vati ran“, sagt Krannich und lacht.

„Hündin Maya aus Kulmbach mittels Distanznarkose gesichert“, kann man auf Krannichs Facebook-Seite lesen. Die Huskymischlingshündin Maya war am 31. Juli entlaufen. Trotz aller Bemühungen hat sich das Tier nicht mehr einfangen lassen. Sechs Tage später blieb dann nur noch die Hoffnung, dass Heino das Problem löst.

Weshalb die Besitzer ihren eigenen Hund selbst nicht fangen konnten, ist schnell erklärt: „Maya war erst einen Tag zuvor aus Spanien bei ihren neuen Besitzern angekommen und kannte sich in der Gegend gar nicht aus“, weiß der Mann aus Niedersachsen. „Zum Glück jedoch nahm sie die Futterstelle auf dem Grundstück ihres neuen Zuhauses an. Als sie kurz vor 23 Uhr an die Futterstelle kam, traf sie der Pfeil perfekt und nach nur einer kurzen Fluchtstrecke von 80 Metern wurde sie schnell gefunden“, berichtet Krannich.

Mehr als 100 Hunde hat der 57-Jährige in ganz Deutschland schon mithilfe der Distanznarkose „gesichert“. Es werden immer mehr. Allein in der vergangenen Woche waren es drei. „Das passiert pausenlos. Ich habe da ein kleines Monopol entdeckt.“ So richtig freuen kann sich der Niedersachse aber nicht.

Der neue Geschäftszweig für seinen Tierparkservice konnte nur entstehen, weil, wie Krannich sagt, Tierschutz in Mode gekommen sei. Dabei geht es vor allem um Hunde aus dem Ausland, die über Rettungsaktionen ins Land kommen. Dem steht Krannich skeptisch gegenüber: „Wenn der Hund auf dem Internet-Bild süß guckt, wird er gekauft. Man kann diese Tiere ja direkt aus dem Internet bestellen, ohne sie je gesehen zu haben. Gutmensch sein ist zur Volkskrankheit geworden.“

Krannich liebt Tiere. Er arbeitet tagtäglich mit ihnen. Mit dem, was er modernen Tierschutz nennt, kann er dennoch nichts anfangen. „Die Leute haben nichts gelernt über Tiere und die Tierheime in den entsprechenden Ländern sind voll“, sagt er. Den Kunden werde dann gesagt, die Hunde seien noch „etwas ängstlich oder scheu“. Nicht berücksichtigt werde oft, dass diese Tiere ihr Leben lang verwildert gelebt haben. „Die kommen dann völlig verängstigt vom Transport. Wenn man so will, wurden die Hunde entführt, die wissen doch gar nicht, was passiert ist und sie empfinden im Zweifel das Sofa, auf dem sie sich wohlfühlen sollen, als Bedrohung.“

Irre sei, was da ablaufe, schüttelt der 57-Jährige den Kopf. „Ich lebe an der Front. Ich weiß, wo der Bartel den Most holt.“ Krannich erlebt immer wieder das Gleiche: Hunde aus Auslandsrettungsaktionen kommen in Deutschland an, der neue Besitzer macht in der Hoffnung, ein dankbares Tier vorzufinden, die Transportkiste auf, und schon ist das Tier weg und lässt sich höchstens noch auf sichere Distanz blicken, wenn man ihm eine Futterstelle einrichtet.

Oft genug hilft dann nur noch Krannich mit seinem Narkosegewehr. Die Tiere lassen sich nicht anfassen, halten Abstand, sind misstrauisch. Deswegen gehen sie meist auch nicht in Lebendfallen. Eingefangen werden müssen die Tiere aber schon zu ihrem eigenen Schutz. Sie könnten im Straßenverkehr getötet werden.

Wer einen Hund möchte, hat viele Möglichkeiten, einen zu bekommen: Ein Welpe vom Züchter, ein Hund aus dem Tierheim, einer aus dem Auslandstierschutz. „Dabei wird leider häufig vergessen, dass nicht nur die Herkunft des Hundes wichtig ist, sondern vor allem, dass der Typ und die Charaktereigenschaften zu unserem Leben passen. Leider wird immer wieder ein Hund nach seinem Aussehen ausgesucht und nicht nach seinen rassetypischen Merkmalen oder Eigenheiten“, weiß Krannich. Sein Appell: „Bitte überlegen Sie vor der Anschaffung des Hundes genau, ob ein Hund in Ihr Leben passt und wenn ja, welcher.“

Damit ist Krannich bei einem Thema angelangt, das ihn nicht erst beschäftigt, seit er am Einfangen der beiden Wolfshunde im Fichtelgebirge beteiligt war. Dass Wolfshunde gerade in Mode zu kommen scheinen, beunruhigt den Tierexperten. Diese Entwicklung hat sich nach Krannichs Überzeugung ergeben, seit immer mehr echte, wild lebende Wölfe in Deutschland gesichtet werden. „Jetzt gibt es sogar schon Kuschelschulen mit Wölfen oder Wolfsnächte. Wir züchten weiße Tiger und Löwen und machen die Zuschauer glauben, es entspreche der Realität, wenn eine Löwin mit einem Zebra friedlich am Wasserloch steht oder sei normal, wenn eine halb nackte Frau einen Wolf streichelt. Das ist nicht so“, sagt Krannich mit Nachdruck. Dann hält er kurz inne und fährt fort: „Für mich ist das moderne Tierquälerei.“

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