Der große Bierschwindel

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Es war eine merkwürdige Anzeige, die den Beamten der Zollfahndung Weiden im Dezember 2014 auf den Schreibtisch flatterte. Bulgarische Lkw-Fahrer beschwerten sich, dass sie zum einen immer das selbe Bier zwischen einem Lager im oberpfälzischen Michelfeld und einer Spedition bei Hof hin- und herfahren mussten. Zum anderen haperte es auch noch mit der Bezahlung. Monate später wussten die Ermittler und die Hofer Staatsanwaltschaft, dass sie auf der Spur eines gigantischen Karussells waren, bei dem viele Millionen Euro an Steuern hinterzogen wurden.

 
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Der ominöse Bierkreislauf zwischen Michelfeld und Hof war nur ein Teil des komplexen Plans. Das Bier wurde nur gebraucht, um einen großen Schmuggel zu verschleiern. Denn fast zeitgleich wie der Lkw in Michelfeld verließ ein anderer mit Bier beladener Lastzug ein Zolllager in Frankreich, Belgien oder den Niederlanden. Angekündigt wurde er mit einem elektronischen Dokument des europäischen ECMS-Systems. Bei der Spedition nahe Hof wurde die elektronische Vorgang abgeschlossen.

Steuer für immer das selbe Bier

Brav bezahlten die Importeure für immer das selbe Bier die hier anfallende deutsche Biersteuer. Die frische Ware rollte hingegen nach England, wo sie unversteuert auf dem Schwarzmarkt verkauft wurde. Befeuert werden solche Geschäfte durch die unterschiedlichen Biersteuersätze in Europa: In Frankreich ist die Steuer viermal höher als in Deutschland, in Großbritannien sogar zwölfmal höher.

Bei rund 3300 Lkw-Transporten zwischen dem September 2014 und dem November 2015 kam da allerhand zusammen. Da der überwiegende Teil der Ware aus einem Lager in Frankreich gekommen war, legt die Staatsanwaltschaft den dortigen Steuerausfall der Anklage zugrunde. Sie kommt auf rund 30,2 Millionen Euro, die dem französischen Fiskus entgangen sind.

Mindestens seit 2011

Hätte man den Steuersatz des Zielmarktes Großbritannien genommen wären es schon über 100 Millionen Euro gewesen. Tatsächlich ist der Schaden vermutlich noch wesentlich höher, denn der Türke Nihat H., der als Kopf des Systems gilt, hat nach Kenntnis des Zolls solche Geschäfte schon mindestens seit 2011 betrieben.

Als die Ermittler im Dezember 2015 nach langen Vorbereitungen zeitgleich in mehreren Ländern zuschlugen, hatte Nihat H. Glück. Er hielt sich gerade in der Türkei auf und zieht es seitdem vor, dort zu bleiben. Wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung wurden der Geschäftsführer der Hofer Spedition sowie zwei weitere Helfer im Dezember des vorigen Jahres im ersten Hofer Biersteuer-Prozess zu Freiheitstrafen zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Jahren verurteilt.

Zwei weitere Helfer vor Gericht

Seit dieser Woche müssen sich zwei weitere Helfer Nihat H.s vor dem Hofer Landgericht verantworten. Der 51-jährige Süleyman Y. und der 47-jährige Yakup E. werden vor allem vor allem vom schon verurteilten Mesut A. belastet. Er hatte vor seinem Prozess ausgesagt, dass alle Beschäftigten des Bier-Schwindels vom kriminellen Charakter der Geschäfts gewusst hätten.

Nach diese Aussage wurden Süleyman Y und Yakup E. im August 2016 wieder in Untersuchungshaft genommen, die sie zwischenzeitlich schon hatten verlassen dürfen. In ihrer Einlassung zu den Vorwürfen der Anklageschrift bestritten die beiden Angeklagten, Einblick in den gigantischen Schwindel gehabt zu haben, den Nihat H. aufgezogen hatte. Sie seien nur Handlanger gewesen und hätten Paletten beladen oder Lieferscheine auf Geheiß ausgefüllt.

Lieferscheine vernichtet

Zumindest Süleyman Y. räumte aber ein, dass er verdächtige Vorgänge mitbekommen hatte. So etwa, dass die Lkw-Fahrer in Michelfeld immer mit zwei Lieferscheinen losgeschickt wurden. Eine sollte immer dann vernichtet werden, wenn sie die Autobahn A 9 ohne Kontrolle erreicht hatten.

Nihat H. besitzt unterdessen in seiner Heimatstadt Mersin, einer traditionsreichen türkischen Schmuggler-Stadt eine ganze Firmengruppe. Ein großer Schnapsladen ist auch dabei.

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