Der Geist Raiffeisens in den Fluren

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 Foto: red

Am Freitag vor 200 Jahren erblickte der Vater des Genossenschaftsgedankens, Friedrich Wilhelm Raiffeisen, das Licht der Welt. Sind die Ideen von Raiffeisen nicht längst kalter Kaffee? Und hat eine Genossenschaftsbank in heutiger Zeit überhaupt noch die Möglichkeit, sich möglichst nach ihnen zu richten? Wir sprachen darüber mit Markus Schappert, Vorstandsmitglied der VR-Bank Bayreuth-Hof. Sie ist seit der Fusion mit einer Bilanzsumme von knapp 2,2 Milliarden Euro die mit Abstand größte VR-Bank in Oberfranken. Ihr Geschäftsgebiet erstreckt sich von Ottenhof südlich von Pegnitz bis Herlasgrün nördlich von Plauen.

 
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200 Jahre nach der Geburt von Friedrich Wilhelm Raiffeisen: Wie viel von seinem Geist weht noch durch eine VR-Bank, wie Ihre?

Markus Schappert: Der weht noch durch alle Flure und durch jede Filiale. Seine Idee, dass viele schaffen, was einer nicht schafft, das ist ja ein Grundprinzip unseres Hauses und jeder Genossenschaftsbank in Deutschland.

 

Was heißt das denn konkret?

Schappert: Das sieht man alleine schon am Spendenvolumen, das bei der fusionierten VR-Bank Bayeuth-Hof jetzt auf rund 300.000 Euro im Jahr für Wohltätigkeit, Sport und Kunst gestiegen ist. Dazu kommt unsere neue Crowdfunding-Plattform, die sehr gut angenommen worden ist. Bei einem ersten Projekt des Frauenhauses Bayreuth wurde die geplante Summe deutlich übererfüllt. Da kann man die Region gut mitnehmen, weil jeder Vorschläge machen kann. Nicht die Bank entscheidet, sondern die Abstimmenden. Die VR-Bank legt dann am Ende noch was drauf.

 

Raiffeisens Grundgedanke war ja die christliche Wohlfahrt, durch Hermann Schulze-Delitzsch kamen entscheidende Selbsthilfe-Gedanken hinzu. Machen es die Anforderungen, die im modernen Bankenwesen gestellt werden, egal wie groß
oder klein eine Bank ist, nicht sehr schwierig, nach den genossenschaftlichen Grundsätzen zu wirtschaften? Etwa, weil Sie nicht unerhebliche Gewinne machen müssen, um Eigenkapitalvorschriften erfüllen zu können?

Schappert: Ja, das ist eine Herausforderung. Es wird auch immer schwieriger vor dem Hintergrund des Zinstiefs und der regulatorischen Herausforderungen. Die Gewinnerzielung als solche wird also sicher nicht einfacher. Andererseits erleben wir aber aktuell eine Renaissance dieser beschriebenen Werte. Die Geiz-ist-geil-Zeit scheint ein Stück weit vorbei zu sein. Gerade die nachwachsende jüngere Generation, aber auch die regionalen Unternehmen, sind wieder auf der Suche nach nachhaltigen Finanzpartnern. Wir glauben, eine neue Modernität dieser Gedanken zu erleben – gottseidank.

 

Heißt das, dass Sie auch junge Leute eher erreichen, als das vor einiger Zeit der Fall war?

Schappert: Wenn wir in den Filialen sitzen und warten, dass die jungen Leute kommen, dann sicher nicht. Aber wir sind auch in den sozialen Medien aktiv, dort werden wir durchaus wahrgenommen. Und wir haben eine App, mit der man nicht nur seine Bankgeschäfte leicht am Smartphone erledigen, sondern auch seine weiteren finanziellen Angelegenheiten mit der genossenschaftlichen Finanzgruppe sehr gut organisieren kann. Aber wir müssen jetzt auch unsere durch die Fusion erreichte Größe nutzen. Größe allein ist ja noch keine Stärke. Darauf allein brauchen wir uns nichts einzubilden. Wir dürfen gerade dabei die genossenschaftlichen Gedanken nicht vergessen.

 

Wenn Sie einem völlig Ahnungslosen das Besondere an einer Genossenschaftsbank erklären müssten, was würden Sie herausheben?

Schappert: Das Besondere ist wirklich, dass die meisten unserer Kunden auch Mitglieder und damit Inhaber der Bank sind. Wir haben über 51.000 Mitglieder. Ich kenne in der Region keine größere Mitgliederorganisation. Und diese Mitglieder haben das Ziel, ihre finanziellen Belange gemeinsam nach genossenschaftlichen Prinzipien zu regeln. Im Gegensatz zu einer Aktiengesellschaft kann man seinen Geschäftsanteil ja auch nicht verkaufen, sondern nur zurückgeben. Unsere Mitglieder, von denen jeder nur eine Stimme hat, sagen uns, was wir tun und lassen sollen. Kein Politiker und kein Großaktionär. Und auch die Daten der Kunden bleiben bei uns.

 

Nochmal zu Ihrer neuen Größe: Geht da nicht doch die Nähe zu Mitgliedern und Kunden ein Stück weit verloren?

Schappert: Das darf natürlich nicht passieren. Deshalb gibt es bei uns die große Vertreterversammlung, und es gibt auch im kleineren Rahmen regionale Vertretergespräche, wo wir uns als Vorstand manchmal Lob, aber auch Kritik und vor allem Anregungen holen. Ich gebe zu, dass wir da auch Dinge hören, die wir so gar nicht auf dem Schirm gehabt hätten. Man muss die Ohren da offen halten, auch wenn man nicht jeden Wunsch erfüllen kann.

 

Trotzdem, zu dem Thema gibt es ja auch interessante Zahlen. 1970 gab es noch knapp 2000 VR-Banken in Bayern, aktuell sind es noch 244. Wo soll denn das hinführen und was bedeutet das für das genossenschaftliche Regionalprinzip?

Schappert: Das ist ein Punkt, der uns aktuell auch als Gruppe sehr bewegt. Es gibt eine Studie der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman, nach der es in zehn bis 15 Jahren noch etwa zehn Prozent der jetzigen Regionalbanken geben wird. Das würde umgerechnet auf Oberfranken bedeuten – noch drei VR-Banken. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob Oliver Wyman Recht hat. Ich jedenfalls glaube fest daran, dass die Vielfalt ein ganz großer Vorteil unserer Bankengruppe ist. Aber es braucht auch eine gewisse Größe, um regulatorische und Eigenkapitalanforderungen erfüllen zu können. Inwiefern kleine Häuser mit 15 oder 30 Mitarbeitern in zehn Jahren das noch leisten können, was uns da aus Brüssel und Frankfurt abverlangt wird, wird man sehen. Ich glaube also: Größe wird wichtiger, aber zu groß ist auch nichts. Die Herausforderung dabei wird sein, dass man trotz allem glaubhaft regional bleibt. Für uns heißt das zum Beispiel, dass unsere Kunden wenn irgendwie möglich ihre gewohnten Ansprechpartner behalten.

 

Aber dann wäre Größe ja egal?

Schappert: Wenn Größe allein entscheidend wäre, dann müsste die Deutsche Bank ja auch die erfolgreichste Bank sein. Ist sie zumindest derzeit aber sicher nicht. Nochmal: Auch VR-Banken werden eine gewisse Größe haben müssen. Aber das kann in Oberfranken eine ganz andere Größe sein als zum Beispiel in München oder Berlin. Wir haben ja schon immer betont, dass wir mit unserer Fusion auch eine Plattform schaffen wollen, bei der dann auch andere mitmachen können. Es wird auch hier bei uns in Zukunft größere Einheiten geben, auch wenn es natürlich das gute Recht jeder VR-Bank ist, selber zu entscheiden, ob sie selbstständig bleiben kann und will.

 

Noch mal 200 Jahre kann kein Mensch vorausschauen. Aber was glauben Sie: Wie werden die VR-Banken in – sagen wir – 25 Jahren dastehen?

Schappert: Auch das ist eine lange Zeit. Aber ich glaube, dass sie als Gruppe dann immer noch stabil dastehen werden, denn Friedrich Wilhelm Raiffeisens Lebenswerk ist aktuell und trifft den Nerv der Zeit.


Genossenschaften in Bayern und Oberfranken

Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) vertritt nach eigenen Angaben die Interessen von 1260 genossenschaftlichen Unternehmen. Dazu zählen 244 Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie 1016 ländliche und gewerbliche Unternehmen mit insgesamt rund 51.000 Beschäftigten und 2,9 Millionen Mitgliedern. Sie werden im laufenden Jahr etwa 450 Millionen Euro an Steuern zahlen, schätzt der GVB.

Der GVB-Bezirksverband Oberfranken betreut 84 Mitglieder. Darunter sind 25 Kreditgenossenschaften sowie 59 genossenschaftliche Waren- und Dienstleistungsunternehmen.

Die oberfränkischen VR-Banken haben mehr als 270.000 Mitglieder und kommen auf eine addierte Bilanzsumme von rund zwölf Milliarden Euro. Rund 60 Prozent der Oberfranken sind Kunden dieser Banken.

Bayernweit decken die genossenschaftlichen Waren- und Dienstleistungsunternehmen 35 Branchen ab. In Oberfranken gibt es neben Kreditgenossenschaften auch zahlreiche Energiegenossenschaften.

(Alle Werte zum 31. Dezember 2017)

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