Gelernter Schlosser, passionierter Maler, aber von Herzen Jäger: Erwin Peukert aus Warmensteinach Der einsame Jäger

Von Christina Knorz
Erwin Peukert wurde am 3. April 85 Jahre alt. Foto: Fischer Foto: red

Manche werden Verbrecher, andere Jäger, sagt Erwin Peukert. Er wurde Großwildjäger. Er erklärt das mit den Genen.

 
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Erwin Peukert hat an sein Einfamilienhaus vor einigen Jahren "das Knochenzimmer" angebaut, direkt neben dem Wohnzimmer. Voll mit ausgestopften Tieren. Zwischen Jagdspeeren hängen Zebrafelle, drängen sich die großen Raub- und Säugetiere Afrikas und der Nordhalbkugel: Grizzly, Löwe, Nashorn, Büffel, Eisbär, Antilope und Wolf. Jagdtrophäen. Im Wohnzimmer liegt ein Alligator, daneben steht ein Stachelschwein, die Essecke eingerahmt von Geweihen, überm Türrahmen duckt sich ein Puma, konserviert in schleichendem Gang. Es tschilpt fünfmal hintereinander. "Das war die Uhr", sagt Peukert. Ein Geschenk der Lebensgefährtin. "Damit hier irgendwas lebt", sagt Manuela Plaza, schüttelt den Kopf und lacht mit diesem Unterton, den Frauen für den Mann haben, den sie trotzdem lieben.

Es stecke im Menschen drin, das Jagen. "Ich weiß", sagt Peukert, "das Jagen sehen viele extrem anders." Das bloße Töten verachtet er. "Die Jagd will den Tierbestand erhalten, seine Qualität verbessern und den Lebensraum bewahren. Aber das lässt sich niemals ausdiskutieren." Ein Jäger wolle zudem alte Tiere herausnehmen. "Dass das aber nicht immer geschieht, lässt sich nicht wegdiskutieren."

In den Anfangsjahren der Menschheit habe ein guter Jäger über das Wohl der Familie entschieden. "War der Jäger gut, ging es der Familie gut." Die Jagd sei aber auch eine Gier. Zwischen Konzentration und Rausch. Von den Ländern habe er nie viel gesehen. "Dafür habe ich mir keine Zeit genommen." Auch das gehört zu den Sachen, die er manchmal bereut.

Peukerts Familie kam aus Maffersdorf (Böhmen). Der Vater baut den Familienbetrieb nach Vertreibung und Zweitem Weltkrieg 1946 in Warmensteinach wieder auf. Sie stellten Werkzeug für die Glasindustrie her, später spezialisierten sie sich auf Laden- und Metzgereieinrichtungen. Erwin Peukert lernte Schlosser, arbeitete auch als Schmied, mittlerweile malt er viel. Jäger war er vor allem. "Ich hab meinen Eltern Sorge gemacht mit meiner dauernden Schießerei." Der Vater habe ihn nur kritisiert, wenn die Arbeit litt. "Vater mochte keine Waffen. Er hasste den Krieg wie der Teufel." Peukert wird eingezogen, erlebt "wenige Kriegstage und ein paar Monate Hunger in Gefangenschaft". Was ihm vom Krieg geblieben sei, sei eine unterschwellige Spannung von Gefahr. Und das Gedankenkarussell: "Was würde ich tun, wie würde ich mich verhalten?"

Rhodesien, Ende der 70er. "Da war Bürgerkrieg, die Regierung lechzte nach Devisen. Da hat man fast nichts für einen Elefanten oder einen Büffel bezahlt." Peukerts Hände halten ein imaginäres Gewehr.  Im afrikanischen Busch wartete er stundenlang im Unterstand. Wegen eines Leoparden. "Diese Geräusche", sagt Peukert macht sie nach: "Pelikane und Tauben", er schnattert und gurrt. "Paviane", Peukert zieht die Mundwinkel hoch und keckert. "Unglaublich!" Mit einbrechender Dämmerung dann Scharren am Baum. "Das muss er sein." Peukert imitiert einen einschlagenden Schuss. Am Ende finden sie keinen toten Leoparden. Sondern einen Honigdachs. "Wir haben gebrüllt vor Lachen. Denn wir hatten solche Angst bei der Nachsuche, dass wir auf einen angeschossenen Leoparden treffen."

"Erst kam der Betrieb, dann sofort die Jagd." Die Familie kam erst danach. Seine Frau hat die Tochter erzogen. Peukert flog um die Welt. Der Betrieb wuchs auf 180 Mitarbeiter, zog Familien ins Fichtelgebirge. "Unsere Löhne waren am oberen Rand." Er saß im Gemeinderat.

Mitte der 90er begann der Sinkflug,  2003 der Konkurs. Geblieben sind ihm die Vorwürfe. "Der ewige innere Monolg: Du hättest was tun können, es zumindest versuchen müssen." Peukert guckt zur Decke. "Schade um den Betrieb." Er weint.

Wie damals, als er den großen Elefanten geschossen hatte. Als er neben dem toten Tier stand und dachte: "Warum machst du das?" Er hat gefühlt, dass er den "Tod in der Hand" hatte. Dann hat er doch weitergemacht. Mit seiner Jagd ist er allein in der Familie geblieben. Keiner interessiert sich für die Jagd und seine Trophäen. Er würde sie einem Museum schenken.

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