Der Donald Trump von Weismain

Von Thorsten Gütling
Die Methode Trump findet man auch in der Region. Fakten dringen dann zu den Bürgern nicht mehr durch, erklärt Reporter Thorsten Gütling. Foto: Tom Pennington/afp Foto: red

Von Wegen Brexit und US-Wahl: Um zu erkennen, dass in Diskussionen immer öfter Fakten weniger zählen als gefühlte Wahrheiten, muss man sich nur in der Region umsehen. In Hollfeld und Weismain.

 
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Wieder einmal ist ein Projekt in der Region gescheitert. Wieder einmal hat eine Person den Widerstand angeführt. Und wieder einmal ging es nicht um Fakten, sondern um gefühlte Wahrheit. Man braucht nicht auf Donald Trump zu schimpfen. Auch bei uns ist diese Methode längst Mode. Die Methode Bergmann.

Edwin Bergmann wohnt in Fesselsdorf, einem 85-Seelen-Dorf bei Weismain. Vor eineinhalb Jahren hat er eine Gruppe Krögelsteiner Bürger angeführt, um einen Windpark zu verhindern. Mit Erfolg. Schon damals erklärte Bergmann er sei nicht der Kopf der Bewegung. Auch das hat Methode. Bei öffentlichen Auftritten und Pressegesprächen war er dennoch Wortführer. Jetzt ist bei Weismain ein Gewächshaus des Nürnberger Gemüsebauern Scherzer gescheitert. Wieder sei er nur einer von vielen Gegnern gewesen, sagt Bergmann. Er habe von den 5000 in Umlauf gebrachten Flyern nicht einen einzigen selbst verteilt und keine einzige der 300 Unterschriften gegen das Projekt selbst gesammelt.

"Das ist Quatsch"

Das Problem der Methode Bergmann: Die Gegner des Projekts behaupten, ohne es beweisen zu können, dass die verbreiteten Informationen nicht der Wahrheit entsprächen. So sagt Bergmann, dass das Gewächshaus 30 Hektar groß werden soll, der Bauherr spricht von bis zu 15. Bergmann befürchtet ein Absinken des Grundwasserspiegels, weil täglich 1000 Kubikmeter Brunnenwasser entnommen werden müssten, Scherzer sagt, er plane ein großes Regenwasserbecken. Bergmann behauptet, das Unternehmen werde frühestens in 15 Jahren Gewerbesteuer zahlen, Scherzer sagt: Das ist Quatsch. Geld fließe, sobald man Gewinne erziele. Und um Gewinne zu erzielen, dafür trete man schließlich an.

Warum man der Gegenseite wenigsten zuhören sollte? Weil Bergmann und seine Mitstreiter schon vor einem Jahr auf Flyer drucken ließen, dass sich Bürgermeisterin Karin Barwisch persönlich an Windrädern bereichern wollte. Was nachweisbar falsch war. Die Satzung des Windenergieunternehmens sah die Posten im Aufsichtsrat ausdrücklich als Ehrenämter vor. Und als der Kurier darüber berichtete, hieß es, er stecke mit der Bürgermeisterin unter einer Decke.

"Informierte schalten auf Durchzug"

Was man einfach als Missverständnis bezeichnen könnte, das sich mit genaueren Informationen aus der Welt schaffen ließe, ist so einfach nicht, bei der Methode Bergmann und Trump. Denn die so "Informierten" schalten auf Durchzug. Gegenargumente dringen zu ihnen nicht mehr durch. In Weismain forderten die Projektgegner eine Bürgerversammlung - ohne Beteiligung des Bauherrn. Und ein Angebot dessen, ein bereits bestehendes Gewächshaus zu besichtigen, schlugen sie aus.

Erst in dieser Woche hat das Oxford Wörterbuch den Begriff "postfaktisch" zum Wort des Jahres gewählt. Es beschreibe Umstände, in denen die öffentliche Meinung weniger durch objektive Tatsachen, als durch das Hervorrufen von persönlichen Überzeugungen beeinflusst werde. Seit Brexit und US-Wahl sei der Begriff in Mode, heißt es. Wir hätten dieses Wort schon vor eineinhalb Jahren küren können. Hollfeld und Weismain waren Amerika und den Briten diesmal weit voraus.

thorsten.guetling@nordbayerischer-kurier.de