Der Eingriff wird live auf zwei Monitoren im OP gezeigt
Während er operiert, schaut der Neurochirurg durch ein Mikroskop in den offenen Schädel. Es zeigt ihm vergrößert an, was er vor sich hat. Das, was Trost sieht, wird live auf zwei Monitore im Operationssaal übertragen. So können von der Anästhesistin über die OP-Schwestern bis zum Assistenten alle das sehen, was der Operateur sieht.
Die Neurochirurgie an der Hohen Warte investiert gerade in den technischen Fortschritt der Ausstattung. Sämtliche Geräte, die Trost bei den Gehirnoperationen einsetzt, sollen demnächst miteinander kommunizieren können. Die Infrarot-Navigation wird dem Operateur bald ins Mikroskop einspiegeln, an welcher Stelle im Kopf des Patienten sich der Tumor befindet, noch bevor dieser freigelegt ist.
Der Hirntumor muss von innen nach außen operiert werden
Der Neurochirurg arbeitet sich jetzt durch das gesunde Gewebe zum Tumor durch. Er setzt unzählige feine Schnitte, kleinste Blutungen verödet er mit Strom, der Hitze erzeugt. Trosts Assistent saugt ständig Blut und Flüssigkeit ab, damit der Chefarzt eine saubere Umgebung hat und sieht, woran er arbeitet. Nach etwa zwei Stunden erreicht Trost den Tumor. Das Gewebe ist weiß und unregelmäßig strukturiert. „Der Tumor ist zu groß, als dass ich ihn in einem Stück rausnehmen könnte“, erklärt der Neurochirurg. Trost schneidet den Tumor auf und arbeitet dann von innen nach außen, um kein gesundes Hirngewebe zu verletzen. Zuerst entfernt er kleine Stücke, zuletzt eines, groß wie ein Tischtennisball.
Später erzählt der Mediziner, dass solche großen Operationen am offenen Gehirn künftig seltener werden. „Die Wissenschaft forscht an neuen Chemo- und Gentherapien, um Tumore im Kopf ohne chirurgischen Eingriff anzugreifen.“ Die Neurochirurgie werde sich mehr mit degenerativen Erkrankungen des Gehirns wie Alzheimer und Parkinson befassen. Über Elektroden im Gehirn wollen Neurochirurgen dann die Hirnareale stimulieren, die durch die Krankheiten geschädigt sind. Auch Unfallverletzungen wie Querschnittslähmungen hofft die Medizin künftig so behandeln zu können.
Vernetzung von Mensch und Smartphone ist schon Realität
Zukunftsmusik, aber näher als der Laie vermutet: die Vernetzung des menschlichen Gehirns mit dem Computer. „Das wird kommen, davon gehen wir alle aus“, sagt Trost. „Das Problem ist das Interface“ – die Schnittstelle, die dauerhafte Verbindung zwischen Gehirn und Rechner. Der menschliche Organismus stößt solche Fremdkörper irgendwann ab. „Die Wissenschaft arbeitet daran, dass sie die Verbindung zwischen Technik und Natur besser hinkriegt“, sagt Trost. Kann ein Computer die Informationen aus dem Gehirn lesen? Trost sagt: „In vielen Dingen ja Aber das ist eine wahnsinnige Datenmenge. Keiner von uns weiß, ob wir das Gehirn jemals ganz verstehen werden.“
Nur – wo Computer und Vernetzung im Spiel sind, kann es Eindringlinge geben. Noch macht das dem Neurochirurgen keine Sorgen. „So weit sind wir noch nicht. Aber es geht schnell.“ Erst kürzlich hat er einer Patientin ein Gerät am Gesäß eingesetzt, über das Strom fließt, der einen chronischen Schmerz im Bein unterbricht. Die Patientin steuert den Stromfluss über ihr Smartphone.
Noch im OP wird der Patient wieder aus der Narkose geholt
Zurück im Operationssaal: Der Eingriff am Gehirn des Patienten lief wie geplant. Wo vorher der Tumor war, klafft jetzt ein Loch. Die Blutung ist gestillt. Der Assistent füllt die Wunde mit einer Lösung auf. Dann verschraubt er das entfernte Stück Schädelknochen am Kopf, klappt die Haut zurück und näht die Wunde. Geschafft. Noch auf dem Operationstisch holt die Anästhesistin den Patienten nach vier Stunden aus der Narkose. Der Mann öffnet seine Augen, bewegt Arme und Beine, ist ansprechbar. Trost ist zufrieden, dass sein Patient offenbar keine Einschränkungen hat. „Das ist für mich immer ein schöner Moment“, sagt der Chefarzt.
Fünf Tage nach dem Eingriff, Trost besucht den Mann auf Station. Es geht ihm gut. Bald wird er entlassen. Er hat Ziele. Bald will er wieder Auto fahren und den Jagdschein machen.