"Der Diesel ist tot, mausetot"

Von Roland Töpfer
 Foto: red

Der Dieselmotor steht wegen hoher Abgasgifte massiv in der Kritik. Städte drohen mit Fahrverboten, Diesel-Käufer fühlen sich betrogen. Kann nachgerüstet werden, wer muss das bezahlen, ist der Diesel noch zu retten? Wir fragten nach bei Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in Hannover.

 
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Ist der Diesel noch zu retten?

Jürgen Resch: Nein, der Diesel ist tot, mausetot. Nach unseren Recherchen und Messungen sind offensichtlich nahezu alle modernen Diesel mit Abschalteinrichtungen ausgestattet, die in den USA als illegal und kriminell, weil Menschenleben gefährdend, eingestuft werden.

 

Das hat Konsequenzen…

Resch:  Die Konsequenzen sind Fahrverbote ab 2018 in mit dem Dieselabgasgift Stickstoffdioxid hoch belasteten Städten und auf Seiten der Hersteller Kosten für die Nachrüstung schmutziger Diesel-Pkw in Millionenhöhe. Jetzt rächt sich, dass die Autokonzerne über Kanzlerin Merkel durchgesetzt haben, bis 2023 in Europa schmutzige Diesel weiter verkaufen zu dürfen.

 

Was muss jetzt passieren?

Resch: Der Autokäufer muss den Diesel konsequent meiden. Selbst der ADAC unterschreibt diese frühe Forderung der Deutschen Umwelthilfe und rät ausdrücklich vom Kauf jeglicher Diesel inkl. Euro 6 Neufahrzeuge ab, und zwar ohne Ausnahme. Das Problem sind nun aber neun Millionen schmutzige Euro 5 und Euro 6 Bestandsfahrzeuge, die im Durchschnitt 50-mal mehr Stickoxid pro Kilometer ausstoßen als moderne Benzin-Pkw.

 

Wie kann nachgerüstet werden, was kostet das?

Resch: Wir haben nachgewiesen, dass ein Euro 5 VW Passat durch eine neue Abgasanlage auf ehrliche Euro 6 Abgaswerte auf der Straße nachgebessert werden kann. Materialkosten liegen hier bei 850 Euro. Im Durchschnitt gehen wir von 1000 bis 1500 Euro pro Fahrzeug aus.

 

Wer zahlt?

Resch:  Die Hersteller müssen diese Kosten übernehmen, da sie ja auch über die Jahre Milliardengewinne durch ihren Abgasbetrug verdient haben.

 

Hersteller planen Software-Updates für Euro-5-Diesel. Was ist davon zu halten?

Resch: Wir sehen an den unverändert oder nur geringfügig reduzierten Stickoxid-Emissionen der ebenfalls mit sogenannten „Software-Updates" behandelten VWs, Audis und Porsches, dass sich hier die Industrie auf Kosten der Gesundheit der Menschen einen schlanken Fuß machen möchte. Außerdem sollen die Abgaswerte bei Temperaturen im Winterhalbjahr praktisch unverändert bleiben. Die Fahrzeuge benötigen in der Regel eine neue Abgasanlage, den verbauten Murks kann man nicht per Software retten.

 

Auch Euro-6-Diesel sind nicht immer sauber?

Resch: Viele Euro-6-Diesel sind sogar schmutziger als 15 Jahre alte Euro-4-Diesel. Die DUH hat in ihrem Emissions-Kontroll-Institut bis zu 24-mal höhere Stickoxid-Emissionen bei einem Audi A8 4.2 Diesel auf der Straße gemessen als auf der Prüfrolle erlaubt. Solche Fahrzeuge in belastete Innenstädte einfahren zu lassen ist vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge. Eine generelle Ausnahme von Euro-6-Diesel von den Fahrverboten darf es daher nicht geben.

 

Die Politik trägt gehörig Mitschuld, weil sie realitätsferne Tests auf Prüfständen gesetzlich erlaubt?

Resch: Die Tests auf dem Prüfstand sind nicht das Problem, auch der alte Fahrzyklus bringt realitätsnahe Werte, wenn nicht betrogen wird.

 

Wo liegt dann das Problem?

Resch: Das Problem ist der Verzicht auf Kontrollen durch die Zulassungsbehörde und die aktuell praktizierte nachträgliche Akzeptierung im Prüfverfahren nicht offengelegter und damit eindeutig illegaler Abschalteinrichtungen. Bei vielen Diesel-Pkw ist es nahezu unmöglich, länger als ein paar Minuten im Saubermodus zu bleiben. Die amerikanischen Behörden zeigen uns seit Jahren eindrucksvoll, wie mit diesem Betrug umzugehen ist.

 

Der Diesel-Kunde ist der Dumme, weil sein Auto nun ein Problemfall ist?

Resch: Ja, die Käufer von Diesel wurden in Deutschland wie in den USA systematisch getäuscht. Man hat ihnen Euro-5- und -6-Diesel als klimafreundlich und sauber verkauft, immer mehr Gerichte sehen darin eine arglistige Täuschung. Daher kämpft die DUH als Verbraucher- und Umweltverband auch dafür, dass die Hersteller kostenfrei das Fahrzeug so nachbessern, dass es zu allen Jahreszeiten die Euro-6-Prüfwerte auch auf der Straße einhält.

 

Und wenn nicht?

Resch: Wenn sich die Hersteller weigern, das Fahrzeug nachzubessern, sollen sie den Kaufvertrag rückgängig machen, so dass sich der Kunde ein sauberes anderes Auto kaufen kann.

 

Aber der Diesel hat Verbrauchsvorteile, die es zu nutzen gilt?

Resch: Das ist heute nicht mehr richtig. Erdgas- und auf Effizienz entwickelte Hybridantriebe sind beim Klimagas CO2 gleichwertig oder besser. Und da Dieselmotoren vor allem in schweren SUVs verbaut werden und besonders leistungsstark ausfallen, zeigt die beim Kraftfahrt-Bundesamt geführte Zulassungsstatistik seit zehn Jahren gleich hohe CO2-Emissionen bei Benziner-Neuzulassungen wie bei Diesel.

 

Das Elektroauto kommt nur langsam voran. Verbrenner dominieren noch lange die Innenstädte. Wie sieht eine umfassende Gesamtlösung für bessere Luft aus?

Resch: Auf Jahre werden selbst in den optimistischsten Szenarien die Verbrennungsmotoren 90 bis 95 Prozent des Fahrzeugbestandes ausmachen. Daher müssen wir gezielt Diesel-Stinker aus unseren Städten aussperren. Die DUH führt derzeit 16 Rechtsverfahren in sechs Bundesländern und hat bislang jede Entscheidung gewonnen. Die ab Anfang 2018 kommenden Diesel-Fahrverbote können und müssen genutzt werden, um den ÖPNV attraktiver zu gestalten und den Menschen Alternativen jenseits der Individualmobilität anbieten.

 

Das Mobilitätsverhalten der Menschen wird sich gravierend ändern? Der autonome öffentliche Nahverkehr hat gute Chancen?

Resch: Schauen Sie sich Berlin, Kopenhagen, Stockholm an. Je besser das Angebot, desto weniger Pkw. Berlin hat beispielsweise pro 1000 Einwohner halb so viel Privat-Pkw wie die Autostadt Stuttgart.

 

Wie fahren wir in zehn, in 20 Jahren?

Resch: In den Städten nur noch im Ausnahmefall mit dem Privat-Pkw sondern mit abgasfreien Bussen und Bahnen. Und Diesel-Fahrzeuge gibt es nur noch im Museum.

 


Deutsche Umwelthilfe

Die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation mit Sitz in Hannover ist ein eingetragener Verein, der als gemeinnützig anerkannt ist. Die Finanzierung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) erfolgt vornehmlich über Projektzuschüsse aus öffentlichen Quellen und privaten Stiftungen sowie Spenden von Unternehmen und Privatleuten.