Ratschlag: Probestunde beim Fahrlehrer
Dr. Holger Lange, Chefarzt in der Klinik für Geriatrie am Klinikum Bayreuth, teilt die Einschätzung der Polizei. Erst ab 80 Jahren nehme das Risiko, einen Unfall zu verursachen, leicht zu. „Die meisten Unfälle verursachen immer noch die 18- bis 25-Jährigen, obwohl das begleitete Fahren mit 17 schon zu einer Besserung geführt hat,“ sagt Lange. Mit ihrer Erfahrung und ihrem vorausschauenden Fahren könnten ältere Fahrer oft ausgleichen, was sie an Reaktionsvermögen eingebüßt haben, sagt Lange. Außerdem führen sie in der Regel langsamer. Nachlassende Sehkraft, schlechteres Gehör, eingeschränkte Beweglichkeit des Kopfes oder fortschreitende Demenz könnten die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen, doch: „Kluge Menschen fahren dann nicht mehr Auto.“ Im Zweifelsfall rät der Chefarzt zu einer Probestunde bei einem Fahrlehrer, der Vertraulichkeit zusichere.
Grau am Steuer: Kommt das teuer?
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft geht noch weiter. Unfallforscher Siegfried Brockmann fordert verpflichtende Fahrtests für Autofahrer ab 75. Ab diesem Alter werde das Unfallgeschehen „sehr auffällig“. Diese Senioren verursachten drei Viertel ihrer Unfälle selbst, der Wert liege sogar höher als bei den 18- bis 21-Jährigen. Also Grau am Steuer – das kommt teuer? „Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko“, sagt Brockmann. Das Ergebnis der Fahrtests soll seiner Ansicht nach aber vertraulich behandelt werden, niemand solle zur Führerscheinrückgabe gezwungen werden.
Chefarzt Holger Lange würde sein Auto nicht mehr anrühren, wenn er Zweifel an seiner Fahreignung hätte. Aber freiwillig den Führerschein zurückgeben? „Niemals. Das ist fast wie eine Entmündigung.“ Wenn man weniger alte Menschen am Steuer haben wolle, gibt es aus seiner Sicht nur ein Mittel: Überall – auch auf dem Land – eine bessere Anbindung über öffentliche Verkehrsmittel schaffen.
So wichtig ist der Führerschein für Senioren:
Margot Eisenhut (75) aus Weidenberg: „Vor rund zwei Jahren musste ich meinen Führerschein aus gesundheitlichen Gründen zurückgeben. Freiwillig hätte ich das nie gemacht. Das hat mich fertig gemacht, ich habe es bis heute nicht verkraftet, denn ich habe meine Unabhängigkeit verloren. Früher habe ich mit dem Auto Ausflüge mit Freundinnen unternommen, bin zum Einkaufen auch nach Bayreuth gefahren. Jetzt fährt mich eine gute Freundin zum Einkaufen oder zum Friseur. Ich gehe auch viel zu Fuß, wenn ich dazu körperlich in der Lage bin, und fahre mit dem Zug nach Bayreuth. Den Stundentakt und den behindertengerechten Fahrstuhl am Bayreuther Bahnhof finde ich gut, aber die Fahrten sind teuer. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, wären das ein paar Sitzgelegenheiten auf meinen langen Wegen, auch zum Bahnhof.“
Berta Albersdörfer (82) aus Kirchenpingarten: „Ich habe den Führerschein seit 1964 und bin immer unfallfrei gefahren. Auch heute fahre ich noch Auto, aber nur, wenn ich mich gut fühle. Dann fahre ich nach Kemnath oder Weidenberg, aber nicht mehr nach Bayreuth. Mit 82 fährt man nicht mehr in die Stadt. Wenn ich einen langfristigen Termin habe, zum Beispiel bei der Fußpflege in Weidenberg, bestelle ich mir vorsichtshalber den begleiteten Fahrdienst von Siso-Netz. Wenn es mir nicht gut geht, kauft die Frau meines Neffen für mich ein. Ich kenne niemanden aus der Nachbarschaft, der mit dem Bus fährt.“
Marga Kunschke (82) aus Seybothenreuth: „Ich fahre noch selber, aber wenn mein Auto in eineinhalb Jahren den TÜV nicht mehr schaffen sollte, ist es damit vorbei. Ich fahre auch noch nach Bayreuth, nur zurzeit nicht, da gibt es zu viele Baustellen. Mit dem Zug zu fahren traue ich mich nicht so recht. Das Ein- und Aussteigen könnte schwierig sein, und am Fahrkartenautomaten kenne ich mich nicht aus. Nach Weidenberg, wo ich manchmal hin muss, fährt leider kein Bus. Wenn ich nicht mehr Autofahren könnte, würde ich mir überlegen, ob ich meinen Führerschein für ein Gratis-Busticket hergebe.“ ⋌raus
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