Dekan Jürgen Hacker: "Kirche sind wir"

Von
Jürgen Hacker (52) ist der neue Dekan für den Dekantsbezirk Bayreuth-Bad Berneck. Hacker kennt Bayreuth, schließlich ist er hier zur Schule gegangen. Die Nähe zur Basis ist dem neuen Dekan wichtig. Foto: Eric Waha Foto: red

Er ist Theologe aus Leidenschaft. Und er ist einer, der nah dran sein will an den Menschen: Jürgen Hacker. Er ist der neue Dekan für den Dekantsbezirk Bayreuth-Bad Berneck und wird am Sonntag um 15 Uhr in der Stadtkirche feierlich in sein Amt eingeführt. Die Dekanatsstelle ist für den 52-Jährigen eine Rückkehr in die Heimat.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Bayreuth muss er nicht erst lernen. Er spricht den Dialekt, er weiß, wie die Menschen ticken. Und er kommt aus der Schule, die auch sein Amtsvorgänger Hans Peetz besucht hat: dem Graf-Münster-Gymnasium, das Jürgen Hacker ganz selbstverständlich "die OR" nennt. "Das War ja auch", sagt Hacker am Freitag im Gespräch mit dem Kurier, "die Schule, die so viele Dekane hervorgebracht hat wie kein anderes Gymnasium in Bayern. Als Hans Peetz hier Dekan war, war gleichzeitig der Bayreuther Jürgen Körnlein Dekan in Nürnberg, Klaus Kuhn in Heidenheim und ich in Feuchtwangen".

Pfarrer will er schon seit frühester Jugend werden

Für Jürgen Hacker steht seit frühester Jugend fest, dass er Pfarrer werden will. "Ich soll, daran kann ich mich allerdings nicht erinnern, vom Spielen im Sandkasten ziemlich wütend aufgestanden sein und mit dem Fuß aufgestampft haben, als im Vorbeigehen einer gesagt hat: Na, der Jürgen, der wird Baumeister wie der Großvater und der Urgroßvater. Ich habe sehr bestimmt gesagt: Nein, ich werde Pfarrer", sagt Hacker. Fünf oder sechs Jahre soll der gebürtige Heinersreuther da gewesen sein. Seine Familie habe ihn und seinen Glauben geprägt. Gefestigt und ausgebaut habe das der damalige Pfarrer Reinhard Schneider. "Ich bin sehr gerne zu ihm in den Kindergottesdienst gegangen."

Theologierstudium in Erlangen - Praxis in der Jugendarbeit

Nach dem Abitur an der OR studiert Hacker Theologie in Erlangen. Bewusst in Erlangen, um nah an der Heimat zu sein. "Weil ich am Wochenende immer Kinder- und Jugendarbeit gemacht habe. Schon damals war mir wichtig, dass der Bezug zwischen Theorie und Praxis da ist. Das ist elementar für mein Verständnis von Kirche." Hacker gehört dem ersten Jahrgang an, der vor dem Theologie-Studium ein Praxisjahr ableisten muss. "Die Kirche hat den Eintritt in Vikariat und Pfarramt so gestreckt." Dieses eine Jahr, in dem Hacker zwölf Abteilungen bei der Energieversorgung Oberfranken (EVO) durchläuft, habe ihn geprägt, sagt er. "Die krasseste Erfahrung habe ich in der Abteilung gemacht, die rausgefahren ist zu den Kunden, die ihre Stromrechnung nicht gezahlt haben."

Soziale Jobs: "Uncool"

Strecken muss die Kirche heute nicht mehr. Eher im Gegenteil. "Der Nachwuchsmangel beschäftigt uns sehr", sagt Hacker. In einer Zeit, in der "die finanziellen Möglichkeiten da wären, fehlt es an Menschen. In vielen sozialen Berufen ist das so". Es sei nicht attraktiv, soziale Berufe zu ergreifen, ja "sogar uncool durch die Individualisierung der Gesellschaft". Dass die Kirche selbst in Erziehungs- und Pflegeberufen bei der Bezahlung nicht mit leuchtendem Beispiel voran gehe, müsse sich die Kirche durchaus auch ankreiden lassen, sagt Hacker.

Beruf ist für den Single der Lebensmittelpunkt

Für ihn selbst jedoch sei es nach wie vor cool, den Beruf auszuüben, den er immer machen wollte. "Ich bin Single, ich habe meinen Beruf zu meinem Lebensmittelpunkt gemacht. Da schaut man dann nicht auf die Uhr." Die Gründung einer Familie habe sich "einfach nicht ergeben", sagt Hacker. "Es hätte jemand sein müssen, der den Beruf hätte mitheiraten müssen. Ich sehe es oft bei befreundeten Pfarrerinnen und Pfarrern. Es ist ein Spagat zwischen Beruf und Familie. Die großen Kritiker der Kirche sind Kinder aus Pfarrfamilien." Die Kirche steuere seit kurzer zeit mit der neuen Dienstordnung entgegen, "um ein verträgliches Maß zu finden und Pfarrern Freiraum zu geben". Hacker: "Ich mag den Begriff des Geistlichen." Ohne Maß und Ziel und ohne Grenze "werden wir zu geistlosen Geistlichen. Das mag ich nicht mehr". Pfarrer sögen Sorgen und Nöte der Gemeinde - einem Umfeld, in dem es immer menschelt - auf wie ein Schwamm. Man müsse auch Freiraum haben, diesen Schwamm "zu entleeren, um wieder saugfähig zu sein". Hacker, der in seiner Freizeit leidenschaftlich gerne kocht, beginnt jeden Tag mit einer kleinen Andacht, mit dem Lesen in der Bibel. "20 Minuten nur für mich und Zeit für Gott, bevor der Rechner hochfährt."

Wie sich die Vorzeichen für Pfarrer verändert haben, illustriert Hacker an einem Beispiel: "Als ich 1995 meine erste Gemeinde im Frankenwald übernommen habe, bestand die Verwaltung aus einem großen Schuhkarton mit Unterlagen. Im Jahr 2000 haben wir eine neue Diakonistation gebaut - um den Vorgaben aus dem Pflegegesetz und dem Kinderbetreuungsgesetz Rechnung tragen zu können."

"Wir sind keine Götter in Schwarz"

So stark der Wandel war, so wenig hat sich Hacker von seinem Grundsatz abbringen lassen: Nah dran sein an der Gemeinde. Weder in Weißenbrunn und Hummendorf, wo er zwischen 1995 und 2010 Pfarrer war, noch in Feuchtwangen, wo er als Dekan und Pfarrer im Anschluss bis 2017 war. In der Seelsorge - von Mensch zu Mensch - könne es immer knirschen. "Wir sind keine Götter in Schwarz", sagt Hacker. "Mir ist wichtig, bei den Menschen zu sein, mit ihnen zu reden. Viele Dinge lassen sich zwischenmenschlich lösen." Das habe bei ihm "auch der Rücklauf in der Kirche gezeigt". Die Zeit mit den Menschen hört für ihn nach dem Gottesdienst nicht auf. "In Hummendorf haben wir beispielsweise in sechs Wochen in Gemeinschaftsleistung die Kirche saniert. Da haben Leute miteinander gearbeitet, die sich auf der Straße nicht gegrüßt haben. Als wir fertig waren, war das ihre Kirche."

"Das hier ist mein Betrieb"

So sieht Hacker den gesamten Komplex Kirche, so will er ihn auch in Bayreuth leben. Man dürfe die Gläubigen nicht als Kunden begreifen. "Der Kunde kann das Geschäft wechseln. Er hat Ansprüche, die nicht erfüllt werden können. Und er hat im Extremfall nicht die Bindung zu dem Geschäft." Es werde erst ein Schuh draus, wenn - im übertragenen Sinn - "der Kunde sagt: das hier ist auch mein Betrieb, für den bin ich mit verantwortlich. Die Kirche sind wir. Das ist mir wichtig".

Dekanatsgebäude wird saniert

Bis Jürgen Hacker in seine Wohnung in der Kanzleistraße einziehen kann, werden noch einige Monate ins Land gehen. Wie Hacker im Gespräch mit unserer Zeitung sagt, wird das Dekanat gerade einer Sanierung unterzogen. "Die letzte Sanierung war 1985, das war an der Zeit." Nicht nur die Heizung war marode, das Gebäude muss einer energetischen und ökologischen Sanierung unterzogen werden. "Wir hoffen, dass die Sanierung im Mai oder Juni kommenden Jahres abgeschlossen ist."

Nah dran bei den Eltern

Bis zu dem Zeitpunkt wird sich Hacker zusammen mit dem Sekretariat den Kapitelsaal als Großraumbüro teilen. Und er wird zwischen heinersreuth und Bayreuth pendeln. "Ich wohne so lange wieder bei meinen Eltern." Sie, die Familie und der Freundeskreis waren für Hacker Hauptgrund, zurück nach Bayreuth zu kommen. "Und man fragt sich natürlich auch als Pfarrer, wo und wie man seinen Ruhestand verbringen möchte. Dass man in seiner Heimatstadt Dekan sein kann, das ist darüber hinaus etwas ganz Besonderes."

Autor

Bilder