Daten so wertvoll wie Geld

Von Norbert Heimbeck
Soziale Netzwerke als Datensammler: Wir brauchen ein Bewusstsein dafür, dass Daten so wertvoll sind wie bares Geld, fordert Rechtsexperte Prof. Martin Schmidt-Kessel von der Universität Bayreuth. Foto: Inga Kjer, dpa Foto: red

Der HD-Film läuft ruckelnd und pixelig über den Monitor. Die App bricht das Update nach ein paar Sekunden ab. Seit der Anmeldung im sozialen Netzwerk quillt das elektronische Postfach vor Werbemails über. Wie es in diesen Fällen um die Rechte der Verbraucher bestellt ist, erklärt Rechtsexperte Prof. Martin Schmidt-Kessel von der Uni Bayreuth.

 
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Der Ärger über Apps, die sich nicht aktualisieren lassen oder bei der Installation das Betriebssystem zerschießen, ist groß.  „Wir haben nicht selten eine Software, die mit Fehlern zum Kunden kommt“,  sagt Schmidt-Kessel, der an der Universität Bayreuth die Forschungsstelle für Verbraucherrecht leitet. Welche Rechte der Verbraucher in solchen Fällen hat, hängt davon ab, welchen Vertrag man mit dem Anbieter geschlossen hat: „Bei Gratis-Apps ist es einfach: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.“ Allerdings hat der Jurist eine Einschränkung: „Wenn ich mit meinen Daten bezahle, sollte ich dieselben Rechte haben, wie jemand, der mit Geld zahlt.“

Leitungsqualität prüfen

Nicht weniger ärgerlich ist es, wenn man sich auf einen gemütlichen Filmabend freut, aber der versprochene Blockbuster statt in fließender HD-Qualität ruckelnd über den Monitor läuft. „In diesem Fall müssen wir zunächst klären, woran das Ruckeln liegt. Die großen Anbieter können die Qualität der Leitung bis zum Hausanschluss prüfen. Aber wie sieht es aus, wenn Sie am Computer viele Anwendungen offen haben oder das Gerät anderweitig schwächelt?“ Seiner Meinung nach müssten die Anbieter vor der Übertragung die Leitungsqualität testen und im Falle von Problemen dem Kunden die Frage „Wollen Sie die Übertragung wirklich starten?“ stellen. In Fällen mangelhafter Leitungsqualität stelle sich außerdem die Frage der Netzneutralität: „Wenn Sie mehr bezahlen, bekommen Sie eine bessere Übertragung.“ Grundsätzlich, sagt Schmidt-Kessel, habe der Anbieter keine Verantwortung für die Qualität der Übertragungswege: „Aber er hat eine Verantwortung, sein Wissen über mögliche Probleme an den Kunden weiterzugeben.“

AGBs lesen - sinnlos

Oft versuchen Unternehmen, solche Fragen in umfangreichen AGBs zu klären. Das Problem: Kaum jemand liest die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern klickt einfach nur sein Einverständnis an. Der Umfang solcher Regelungen ist das eine, das andere ist die Tatsache, dass juristische Laien Schwierigkeiten haben, die Formulierungen zu verstehen. Der Bayreuther Professor sagt: „In vielen Fällen ist es gar nicht sinnvoll, die AGBs zu lesen.“ Innerhalb der EU unterlägen die Geschäftsbedingungen der Unternehmen einer „scharfen Kontrolle“, es fehle vielfach nur an der Durchsetzung.  Formulierungen, die allgemein leicht verständlich seien, gingen zu Lasten der juristischen Präzision, sagt Schmidt-Kessel. Allerdings würden bei Rechtsstreitigkeiten Unklarheiten meist zu Lasten des Unternehmens ausgelegt: „Der Kunde sollte normalerweise darauf vertrauen dürfen, dass solche Regelungen korrekt sind. Falls nicht, sorgt unsere Rechtsordnung für Klarheit, allerdings muss sich der Verbraucher dafür wehren. Vieles, was in den AGBs steht, ist sowieso im Gesetz enthalten.“ Allerdings seien neue Standards für die digitale Welt nötig, „dann könnten auch die AGBs kürzer werden.“

Unternehmen als Datensammler

Für den Rechtswissenschaftler ist klar, dass Daten als digitale Währung so wertvoll sind wie bares Geld. Es sei juristisch umstritten, ob etwa Facebook damit werben dürfe, es biete kostenlose Leistungen an: „Die Nutzer geben ihre Daten, die Wirtschaft gibt Werbung in Auftrag.“ Grundsätzlich sei festzustellen: „Fast alle Daten, die ein Unternehmen von mir besitzt, hat es legal. Die Frage muss aber gestellt werden: Was darf das Unternehmen mit diesen Daten machen?“  Es müsse bei den Nutzern ein Bewusstsein für den Wert ihrer Daten geschaffen werden. Den Unternehmen müssten Grenzen in der Datennutzung gesetzt werden: „Ist es eine Taschenlampen-App tatsächlich wert, dass Sie die nächsten 30 Jahre Werbung ins Postfach bekommen?“

Info: Die Universität Bayreuth hat im Auftrag des bayerischen Verbraucherschutzministeriums eine Untersuchung zum Verbraucherschutz im digitalen Zeitalter gemacht. Der Lehrstuhl für Innovations- und Dialogmarketing unter der Leitung von Prof. Daniel Baier hat dazu im Laufe der vergangenen Monate eine repräsentative Verbraucherbefragung durchgeführt und Stimmen von Anbietern, Verbrauchervereinigungen und Nutzern eingeholt. Die Ergebnisse der Studie werden Ende Oktober dem Ministerium vorgestellt.

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