Viele Beamte, doch keine Polizeifestspiele: Viel Verständnis von den Gästen für die Kontrollen Das unsichtbare Sicherheitskonzept

Von Susanne Will
Rotes Gitter statt Rotem Teppich: Polizisten vor dem Festspielhaus. Foto: Timm Schamberger/dpa Foto: red

Die Reihe der Promis und anderer Premieren-Gäste dünnt sich langsam aus, noch ist nicht alles vorbei, aber am Gesicht von Reinhard Kunkel ist Erleichterung abzulesen. „Es läuft prima“, sagt er. Nach Würzburg, nach München, nach Ansbach gewinnt Bayreuths Polizeipräsident am Montagnachmittag die Zuversicht, dass sie gutgehen wird, diese „Parsifal“-Premiere in Zeiten des Terrors. Feierabend haben die Hunderte Polizisten rings herum noch lange nicht.

 
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„Nach derzeitigem Kenntnisstand gibt es keine Hinweise auf Gefahr für Bayreuth und die Festspiele“, ein Satz, den Kunkel im Kurier-Interview in der Freitagsausgabe sagte. Doch wie schnell es gehen könnte, zeigte in derselben Nacht der Münchner Amokläufer, nur zwei Nächte später war es ein Syrer aus Ansbach, der die Kleinstadt in Sekundenschnelle an die Spitze aller Nachrichtensendungen bombte.

"Sicherheitsmaßnahmen angepasst"

Das Attentat sorgte dafür, dass „wir unsere Sicherheitsmaßnahmen nochmals anpassten“, so Polizeisprecher Alexander Czech. Ob die Polizei im Hintergrund nervös war – es war nicht zu erkennen. Und das war vielleicht die größte Leistung der Polizei an diesem Premieren-Tag: Obwohl sehr viele Beamte den Grünen Hügel schützten, agierten die Männer und Frauen in Grün oder in Zivil wie freundliche Statisten und waren kaum aktiv.

Viele Beamte in zivil

Nur von einer Richtung, von oben, kamen die Festspielgäste ins Ziegelsteinhaus, jeder musste durch die Taschenkontrolle. „Das geschah sehr dezent und unaufdringlich“, meinte denn auch Charakter-Darsteller Edgar Selge („Polizeiruf 110“, „Rossini“). Beim Schaulaufen am Festspielhaus entlang mischten sich unter die Premierengäste viele Männer und Frauen der Kripo, alle in zivil. Wer weiter zum Steigenberger-Hotel wollte, musste dort an einer Absperrung seine Eintrittskarte vorzeigen.

Unter die Zaungäste am Park mussten sich wohl kaum Zivilbeamte mischen, denn: Im Vergleich zu früheren Jahren standen hier nur sehr wenige an den Absperrgittern, zu viele waren aus Angst vor Anschlägen oder wegen der Absagen der Politiker Zuhause geblieben.

Sprengstoff-Hunde

Im Inneren hatte die Polizei im Vorfeld bereits alles durchsucht, kurz vor der Premiere überprüften zwei Hundeführer der Polizei den Festspielraum und die Bühne. Zwei Schäferhunde, die auf das Aufspüren von Sprengstoff trainiert wurde, durchkämmten die Stuhlreihen. Sie liefen hechelnd kurz darauf wieder ins Freie – sie hatten nichts gefunden.

Flaggen mit Trauerflor

Die Hunde liefen vorbei an den Franken-, Bayern- und Deutschlandflaggen, die Trauerflor trugen. Auf dem Bühnenvorhang im Zuschauerraum stand vor Beginn der „Parsifal“-Premiere: „Die Bayreuther Festspiele widmen die heutige Aufführung allen Opfern der Gewalttaten der vergangenen Tage und ihren Angehörigen.“

Michaela May: "Ein Zeichen setzen"

Und an der Polizeipräsenz schien sich niemand zu stören, nicht einmal der Polizeihubschrauber sorgte für Blicke gen Himmel. Schauspielerin Michaela May: „Gibt es heute einen sicheren Ort als Bayreuth?“, fragt sie rhetorisch. Auch sie hätte sich im Vorfeld gefragt: „Kann man nach Bayreuth fahren, oder soll man sogar nach Bayreuth fahren?“ Dann habe sie sich überlegt: „Wenn ich nicht fahre, dann siegt die Angst.“ Am Festspielhügel angekommen, habe sie bemerkt, dass „ich nirgendwo so gut bewacht werde wie hier“. Sie wissen spätestens seit den Anschlägen in den vergangenen Monaten, „dass wir jetzt damit leben müssen“. Und gerade deshalb sei sie auch hier, nicht nur wegen Wagner: „Um ein Zeichen zu setzen.“

Dagmar Wöhrl: "Gut aufgehoben"

Eine der wenigen Politikerinnen, die nach Bayreuth gekommen ist, war Dagmar Wöhrl. Die Bundestagsabgeordnete (CSU) aus Nürnberg besucht die Festspiele regelmäßig. Die Firma Wöhrl ist einer der beiden großen Sponsoren. Dass auch ihre Clutch durchsucht wurde, war für sie „eine Normalität“. „Ich fühle mich hier sehr gut aufgehoben“, so die Politikerin.

Regisseur blieb gelassen

Regisseur Uwe-Eric Laufenberg war einer der größten Kritiker des Sicherheitskonzepts. Das Konzept wurde allerdings wegen der Befürchtung, er könnte im Parsifal Islam-Kritik üben, überhaupt von der Stadt angeordnet. Laufenberg ging noch Minuten vor der Premiere gelassen durch die Reihe der Besucher. Nervös? „Ach, woher“, wehrt er ab. Weder wegen der Sicherheitslage – „100-prozentige Sicherheit gibt es nie“ – noch wegen der Premiere, wie er sagte.

Politiker gaben Karten nicht zurück

Er bleibt aber der große Kritiker: Vor dem Festspielhaus warteten noch viele Menschen auf eine eventuell zurückgegebene Karte. „Von den Politikern, die abgesagt haben, hat keiner seine Karte zurückgegeben“, schnaubt Laufenberg. „Einen Witz“, findet er das. „Jetzt haben wir leere Stühle und draußen Menschen, die den Parsifal gerne sehen würden.“ Er habe, sagt er, schon mit der Polizei gesprochen und gebeten, diese Menschen doch den Politikerplatz einnehmen zu lassen. Er hatte keine Chance. So etwas hat das Sicherheitskonzept nicht vorgesehen.

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