Essen ist auch heute noch mit Symbolik befrachtet Bayreuther Wissenschaftlerin: Fleischkonsum ein Ausdruck von Männlichkeit

Von Norbert Heimbeck
Fleischkonsum ist in vielen Kulturen noch immer ein Zeichen von Männlichkeit. Das hat eine Studie der Bayreuther Ernährungswissenschaftlerin Hanna Schösler gezeigt. Foto: Wittek Foto: red

Ich esse Fleisch, also bin ich Mann. Diese Gleichung geht immer noch auf. Obwohl fleischlose  Ernährung immer mehr Anhänger findet. Obwohl bekannt ist, welche Nachteile die Massenteirhaltung verursacht. Hanna Schösler von der Universität Bayreuth hat den Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Männlichkeit untersucht.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

"Fleischkonsum beziehungsweise der Verzicht auf tierische Produkte ist ein aufgeladenes Thema, weil oft ein ideologischer Ansatz dahinter steht," sagt Schösler, die an der Uni Bayreuth das neue Profilfeld Lebensmittel- und Gesundheitswissenschaften koordiniert. Essen ist auch heute noch mit viel Symbolik befrachtet.

Große Portion Fleisch ein Zeichen von Erfolg

Auch wenn in den entwickelten Ländern längst niemand mehr vom Erfolg seiner jägerischen Fähigkeiten leben muss. Trotzdem werden große Portionen Fleisch auf dem Teller noch immer als Zeichen von Erfolg gesehen.

Schösler hat ihren Doktortitel in den Niederlanden erworben; ihre Studie entstand in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universitäten Leiden und Amsterdam. Befragt wurden Frauen und Männer zwischen 18 und 35 Jahren. Sie gehören drei ethnischen Gruppierungen an: Erwachsene Kinder von gebürtigen Niederländern, erwachsene Kinder von chinesischen Einwanderern und erwachsene Kinder von türkischen Einwanderern. Sie wurden zu verschiedenen Aspekten im Zusammenhang mit ihrem Fleischkonsum befragt. Zur Verlässlichkeit der Studie sagt Schösler: "Durch eine Kombination qualitativer und quantitativer Methoden bekommen wir ehrliche Antworten."

Verschiedene Gruppen wurden untersucht

Die Studienergebnisse lassen sich zwar nicht 1:1 auf deutsche Verhältnisse übertragen, sie zeigen aber doch interessante Ansichten zur Wertigkeit von Ernährung. Innerhalb der Befragten mit niederländischen Vorfahren unterscheiden sich die Einstellungen und Ernährungsgewohnheiten der beiden Geschlechter relativ wenig. Männer und Frauen übernehmen beinahe zu gleichen Teilen die Verantwortung für das Einkaufen und das Kochen von Mahlzeiten. Die Männer in dieser Gruppe bevorzugen – verglichen mit Männern in den beiden anderen Gruppen – eher geringe Fleischportionen und sind überdies stärker bereit, ihren Fleischkonsum zu reduzieren. 

Anders verhält es sich bei den Nachkommen türkischer Einwanderer. Die Männer zeigen eine Vorliebe für einen signifikant höheren Fleischverzehr. Sie lassen nur eine schwache Bereitschaft erkennen, im Interesse der Umwelt oder der Tiere auf Fleisch zu verzichten. Schösler: "In diesen beiden Punkten unterscheiden sie sich deutlich von türkischstämmigen Frauen." Die Wissenschaftlerin legt Wert auf die Tatsache, dass die muslimischen Ernährungsvorschriften ohnehin das Tierwohl sehr viel stärker in der Esskultur verankern, als dies in westlichen Gesellschaften der Fall sei.

Kulturelle Traditionen wirken sich auf Essverhalten aus

Die Kinder chinesischer Einwanderer bilden gleichsam das Mittelfeld zwischen beiden Gruppen. Die Vorliebe für große Fleischportionen ist unter ihnen weniger stark ausgeprägt, und sie zeigen eine größere Bereitschaft, ihren Fleischkonsum zu reduzieren.

Schösler erklärt weiter: "Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass kulturelle Traditionen und ethnische Zugehörigkeiten einen nicht zu unterschätzenden Einfluss darauf haben, was innerhalb der Bevölkerung eines Landes als ‚typisch männlich‘ gilt. Sie wirken sich dadurch auch auf das Ernährungsverhalten der Menschen aus, was sich am Beispiel des Fleischkonsums deutlich nachweisen lässt. Man sollte sich allerdings hüten, auf der Basis solcher Resultate zu vorschnellen Beurteilungen des Essverhaltens zu kommen, denn die kulturellen Unterschiede sind tiefgreifend."

Linsen gelten in der Türkei nicht als Fleischersatz

Gerade in der türkischen Küche werden sehr viele Hülsenfrüchte, wie etwa Linsen oder Kichererbsen, gegessen. Diese seien als Fleischersatz sehr gut geeignet, werden aber in der türkischen Kultur nicht als solcher wahrgenommen, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin.

Mit der Untersuchung wollen die Wissenschaftler vor allem darauf aufmerksam machen, dass gesundheitspolitische Kampagnen, die auf ein gesünderes Ernährungsverhalten abzielen, kulturell bedingte Verhaltensmuster berücksichtigen müssen. Dann sei die Chance auf Erfolg deutlich größer.

INFO: Hanna Schösler ist Ernährungswissenschaftlerin, sie koordiniert das Profilfeld Lebensmittel- und Gesundheitswissenschaften der Uni Bayreuth. Zurzeit arbeitet sie an der Konzeption des gleichnamigen Masterstudienganges mit, der zum Wintersemester 2015/16 startet. In diesem Studiengang werden Aspekte einer gesunden Ernährung und deren gesellschaftliche Voraussetzungen eine zentrale Rolle spielen.

Bilder