Herr Professor Dudenhöffer, der Diesel ist unter Beschuss. Übertrieben oder gerechtfertigt?

Ferdinand Dudenhöffer: Wir wissen schon seit sieben Jahren, dass wir Probleme mit dem Diesel haben, dass die Katalogwerte auf der Straße nicht eingehalten werden. Jetzt haben wir sieben Jahre ausgesessen und sehen die Probleme in den Städten. Und deshalb ist die Kritik berechtigt.

Ist die Kritik aus Ihrer Sicht denn überzogen?

Dudenhöffer: Nach meiner Einschätzung nicht. Man sollte sich schon auf das verlassen, was Mediziner zu den gesundheitlichen Gefahren von Stickoxiden sagen. Wenn Mediziner sagen, dass es gesundheitliche Probleme durch permanente Überschreitungen bei Stickoxid-Emissionen gibt, dann nehme ich das sehr, sehr ernst.

Aber der Diesel hat doch auch Vorteile. Er stößt weniger Kohlendioxid aus.

Dudenhöffer: Diese Klimafreundlichkeit des Diesel ist zum Teil nicht mehr als ein Mythos.

Aber die Technik für einen sauberen Diesel ist da.

Dudenhöffer: Ja, sicher. Das ist das Problem der Politiker. Die Politiker haben die Gesetze so gemacht, dass man Diesel-Prospektwerte so abliefern kann, dass sie schön aussehen, aber in der realen Welt nicht erfüllt sein müssen. Die Autos sind ordnungsgemäß von den Autobauern verkauft worden. Das Problem liegt bei den Politikern.

 

Ferdinand Dudenhöffer Foto: Bernd Thissen/dpa

Die gesetzlichen Vorgaben müssen also schnell geändert werden?

Dudenhöffer: Man müsste vieles tun. Man hätte schon vor zehn Jahren die Steuerbegünstigung von Diesel abschaffen müssen. Warum in alles in der Welt muss Diesel weniger besteuert werden als Benzin? Da gibt es keinen Grund dafür. Das ist völlig beliebig. Dem deutschen Staat entgingen dadurch mehr als 200 Milliarden Euro seit 1985. Damit verzerrt man die Märkte.

Elektroauto statt Verbrenner. Ist das die Lösung?

Dudenhöffer: Meiner Ansicht nach ja. Die oft genannte Alternative Brennstoffzelle ist relativ teuer. Die Wasserstoff-Infrastruktur, die man braucht, ist unendlich teuer. Nach meiner Einschätzung wird sich die Brennstoffzelle deshalb nicht durchsetzen. Toyota hat ein solches Fahrzeug. Es kostet 80.000 Euro, hat Golf-Größe und Tankstellen finden Sie nirgends. Es bleibt die Möglichkeit, das reine Elektroauto und dieses mit Reichweiten von 500 Kilometern und mehr zu bringen und Ladezeiten von 15 bis 20 Minuten zu ermöglichen. Das kann man, das ist industriefest, das ist großserienfest. Das neue Tesla Model 3 können Sie ab 35.000 Dollar kaufen.

Nehmen wir die Faktoren Produktion, Betrieb, Entsorgung. Wie sieht die Energiebilanz eines E-Autos im Vergleich zu einem Verbrenner aus?

Dudenhöffer: Sie können mit jeder Berechnung die Lösung infrage stellen. Doch was wir wissen, ist, dass wir weg wollen von den schädlichen Gasen. Wir müssen also von den fossilen Kraftstoffen zum Strom gehen. Die Bahn fährt seit 50 Jahren mit Elektroloks und hat sehr gute Erfahrungen. Wir können das auch mit der Batterie umsetzen. Wir werden ausschließlich mit nachhaltigem Strom fahren, nicht mit Strom aus Braunkohle und Steinkohle. Einfach den heutigen Strommix zu nehmen, das ist ein schlechtes Argument. Viele Staaten der Welt haben sich festgelegt, ab 2030 oder 2040 keine Neuwagen mehr mit Verbrennungsmotoren zuzulassen.

Aber der Verbrenner hat doch noch Entwicklungspotenzial.

Dudenhöffer: Nö. Die wollen etwas retten, was am Ende angelangt ist.

Die deutschen Autobauer sind doch strategisch längst aufs E-Auto fixiert.

Dudenhöffer: Das stimmt. Weil es Dieselgate gibt. Ohne Dieselgate wären sie nicht aufs Elektroauto fixiert. Seit zwei Jahren gibt es einen großen Umdenkprozess, und man läuft der Zeit hinterher. Man wird Fahrzeuge 2019, 2020 haben, die Tesla schon heute hat. Der künftig größte Wettbewerber für die deutschen Premiumanbieter ist Tesla.

Tesla macht noch hohe Verluste.

Dudenhöffer: Ja, weil viel investiert wird. Tesla hat eine eigene Batteriefabrik, ein eigenes Vertriebssystem, eigene Schnellladestationen. Der Börsenwert von Tesla ist so hoch wie der von BMW.

Wie sieht die Autowelt 2030 aus. Autonom, elektrisch, total vernetzt?

Dudenhöffer: Zum großen Teil ja. In China auf jeden Fall. In Kalifornien auch. In Deutschland kommt es darauf an, wie unsere Verkehrspolitik, unsere Infrastrukturpolitik in den nächsten Jahren läuft. Wenn sie so weiterläuft wie in den letzten zehn Jahren, wird es schwieriger.

Was ist mit den deutschen Autobauern? Schaffen sie den Umstieg?

Dodenhöffer: Die schaffen das. Das Problem könnte Deutschland werden. Die Autobauer können ihre Autos nämlich auch in China bauen.