Das kleine Wunder von Waischenfeld

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Vor 50 Jahren fand das letzte offizielle Treffen der Gruppe 47 in der Pulvermühle bei Waischenfeld statt. Foto: Archiv/red Foto: red

Sie schnauft tief durch. Hat sie doch das bewältigt, was man gerne eine Herkulesaufgabe nennt. Innerhalb weniger Monate hat Karla Fohrbeck federführend ein Jubiläumsprogramm auf die Beine gestellt, das sich mehr als nur sehen lassen kann. Und so wird am kommenden Wochenende die Erinnerung an das letzte Treffen des legendären Literatenkreises „Gruppe 47“ vor 50 Jahren in der Pulvermühle im großen Stil gefeiert. Und das auch stilvoll.

 
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Bürgermeister Edmund Pirkelmann ist voll des Lobes über die 75-Jährige, die sich mit dem Jean-Paul-Weg in Bayreuth und dem Rotmainauenweg zwischen Bayreuth und Heinersreuth bereits jede Menge Meriten bei der Gestaltung von Themenwegen erworben hat. „Das alles in dieser kurzen Zeit zu schaffen, verdient höchsten Respekt“, sagt er. Wobei Karla Fohrbeck, die frühere Kulturreferentin der Stadt Nürnberg, nicht nur als Organisatorin geglänzt hat. Sondern vor allem auch als Geldbeschafferin.

Etat von über 120.000 Euro

Denn mit den 10.000 Euro, die der Waischenfelder Stadtrat, garniert mit ein wenig Zähneknirschen, bewilligte, wäre das Jubiläum in recht bescheidener Weise begangen worden. Wenn überhaupt. Doch Fohrbeck bohrte, löcherte. Beim Landrat, bei Firmen, bei der Oberfrankenstiftung. Und nicht zuletzt in München, beim Kultusministerium. „Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig“, sagt sie. Mit Erfolg. Denn sie eiste in der Landeshauptstadt nicht nur mal so eben 32 000 Euro los, sondern gewann auch noch gleich Minister Ludwig Spaenle als Schirmherrn für die Veranstaltung. Alles in allem kamen so gut 125.000 Euro zusammen. Geld, das nötig ist, wenn man es eben „richtig machen will“, so Fohrbeck.

Fast alle überzeugt: Das bringt was

Inzwischen sind nicht nur sie und der Bürgermeister davon überzeugt: Das bringt dem beschaulichen Urlaubsort in der Fränkischen Schweiz etwas, dieses Gedenken an ein kulturhistorisches Ereignis von hohem Rang. Auch die Stadträte und die meisten Bewohner glauben an einen enormen Werbeeffekt für das Städtchen, ausgelöst durch das erwartete Stelldichein der nationalen und wohl auch internationalen Medienwelt.

Zusage beim Schreiben der Absage

Dieses Echo kommt nicht von ungefähr. Und da sind wir wieder bei Karla Fohrbeck. Ist es ihr doch gelungen, 20 der noch lebenden Gruppe-47-Protagonisten zu einem Besuch des Jubiläumswochenendes zu animieren. Darunter Größen des Genres, wie Hans Magnus Enzensberger oder Jürgen Becker, dem in der Pulvermühle mit dem Preis der Gruppe 47 der wichtigste literarische Preis verliehen wurde, der damals in Westdeutschland vergeben werden konnte. Letzterer wollte Fohrbeck per Brief eigentlich ausführlich begründen, warum er fernbleibt – doch während des Schreibens kam er zu dem Schluss: „Nach all dem, was ich Ihnen jetzt geschrieben habe, komme ich zu dem Schluss, ich muss kommen.“ Darauf ist Karla Fohrbeck schon ein wenig stolz. Das sieht man, das hört man.

Wunder kosten eben Geld

Das darf sie auch sein, sagt der Bayreuther Germanist Dr. Frank Piontek, der sie bei ihrem Bemühen tatkräftig unterstützt hat: „Für mich ist das ein kleines Wunder, all diese Leute nach Waischenfeld holen zu können.“ Ein Wunder, das eben auch Geld kostet, betont die Chef-Macherin. Denn niemand könne von der illustren Gästeschar erwarten, dass sie die Finanzierung ihres Aufenthalts selbst trägt. Wer etwas von anderen wolle, müsse halt auch investieren. Was dank ihres Engagements wie gesagt ja auch klappt. Seit Wochen sind nicht nur die Pulvermühle, sondern fast alle anderen Beherbergungsbetriebe im Umfeld gebucht, um sämtliche Gäste unterzubringen.

Blick in die Zukunft: Vision eines Literaturfestivals

Was Fohrbeck wie auch Piontek als mitwirkender Berater wichtig ist: Das Jubiläum „50 Jahre Gruppe 47“ dient nicht dem Schwelgen in Reminiszenzen – sondern daraus soll mehr werden. Etwas, das in die Zukunft gerichtet ist. Eine Vision dazu existiert schon. Die von einem Literaturfestival, das jedes Jahr oder zumindest alle zwei Jahre in Waischenfeld stattfindet. Bei dem dann junge Autoren im Mittelpunkt stehen, bei dem dann auch ein Preis für einen Nachwuchsautor vergeben wird.

Die Denke von 1967

So wie das einst bei den Treffen der Gruppe 47 üblich war, der berühmtesten und wohl wichtigsten Literaturvereinigung der Bundesrepublik. Liest man die Tagebücher Hans Werner Richters, so bekommt man einen Eindruck von den Unsicherheiten, die über diesem Treffen schwebten, das anders war als viele andere, sagt der Experte Frank Piontek – „nicht nur die Journalistin Ulrike Meinhof war der Meinung, dass die Gruppe 47 ,platzt’“, wie sie es in einem äußerst kritischen Artikel im literarischen Politblatt ausdrückte. Die Gruppe 47 war politisch schon immer umstritten gewesen, so Piontek: „Aber in der Pulvermühle rotteten sich echte und viele falsche Studenten des Erlanger SDS, des Sozialistischen Studentenbundes, vor dem Wirtshaus zusammen, die die Gruppe 47 als Papiertiger verspotteten.

Der Blick in die Zukunft

Dass bei der Jubiläumsfeier auch jüngere Autoren, die damals noch nicht dabei waren –- wie Nora Bossong und Simon Strauss, der gerade sein Romandebüt vorlegte – mit im Boot sitzen, ist ein Signal für das, was in Waischenfeld künftig entstehen soll, sagt Piontek. Denn das Gespräch über Gegenwart und Zukunft der – auch politisch inspirierten – Literatur soll die ältere, immer noch kreative Generation mit der jüngeren verbinden. Piontek: „Denn die Gruppe 47 wirkt immer noch weiter.“

Infos im Kurier und im Internet

Mehr über das Programm dieses Wochenendes mit Ausstellung, Podien und Lesungen lesen Sie im Kurier in den nächsten Tagen, im Vorfeld kann man sich schon unter www.gruppe47.de einen Überblick verschaffen.

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