Das Glück der (Pf)Erde

Von Andrea Pauly
Petra Kestler mit Titan. Er ist eins von 16 Ponys und Kleinpferden, die im Lucky Pony Stable in Wolfsbach leben. Foto: Andrea Pauly Foto: red

"Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde" - der Spruch ist abgedroschen, aber für viele Pferdebesitzer und Reiter ist er vor allem eines: wahr. Aber nicht nur Pferde und Ponys machen Menschen glücklich, auch Zweibeiner können ihre Tiere glücklich machen. Und das ist es, was Petra Kestler will.

 
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Auf dem Hof, den die 48-Jährige betreibt, steht das Glück der Pferde schon im Namen: "Lucky Pony Stable" hat sie ihren Betrieb genannt. Dort leben 16 Ponys und Kleinpferde - allesamt waren aus verschiedenen Gründen woanders aussortiert. Das eine wegen eines Hüftschadens, das nächste wegen aggressiven Verhaltens, ein anderes, das einfach nicht sozialisiert war.

Mit Joschi fing alles an

Angefangen hat alles mit Shetland-Pony Joschi. Er hatte Sommerekzem, eine Allergie, die dazu führt, dass das Tier unter unerträglichem Juckreiz leidet. Die Tiere scheuern sich Mähne, Schweif und Fell bis auf die rohe Haut herunter. Petra Kestler bekam das Problem mit Salben und zwei Spezialdecken in den Griff. Zum Dank schenkte der Besitzer ihr das Pony, statt es - wie geplant - schlachten zu lassen. "Dann irgendwann kam der Anruf: 'Ich hätte noch zwei'. Einer hatte einen Hüftschaden, der zweite war dem Züchter zu klein und zu rebellisch und hatte eine Augenverletzung", erzählt sie. Petra Kestler nahm die Ponys auf, weil sie Shettys von Kindheit an toll fand. Dann folgte das Schneeballprinzip: Es wurden immer mehr Ponys und Kleinpferde, die woanders nicht mehr gewollt waren, und die bei ihr Zeit, eine Herde und tägliche Aufmerksamkeit bekamen.

Alte Narben heilen

"Ich habe noch kein Tier zurückgebracht", sagt sie. Aber bei manchen war viel Geduld gefragt. Hinter manchen lief sie anfangs eine halbe Stunde her, bis sie sie überhaupt ans Halfter nehmen konnte. Andere mussten über Monate erst viele Alltagsdinge lernen: "Caspar Hauser hier", sagt sie und zeigt auf einen kleinen Fuchs mit Blesse, "der kannte nichts: keinen Blumentopf, keinen Fahrradfahrer." Titan, ein Konik-Huzulen-Mix, ließ sich nicht anfassen, als er zu ihr kam. Er hat Narben an den Maulwinkeln, die darauf hinweisen, dass er mit Draht im Maul gequält wurde. "Heute kann man da wirklich jeden drauf setzen. Er ist eine Lebensversicherung."

Kein Gnadenhof

Denn der Lucky Pony Stable ist kein Gnadenhof: Alle Ponys und Kleinpferde verdienen sich ihren Lebensunterhalt. Reitstunden, Reitbeteiligungen, Spaziergänge, Kutschfahrten, Reitkurse, Pflegestunden: Die vielen Helfer und Kinder, die Umgang mit den Pferden haben, zahlen dafür. So finanziert die Beamtin die Kosten für den Stall, für Futter, Hufpflege und Tierarzt.

Kein klassischer Reitstall

Weil der Betrieb aber auch kein klassischer Reitstall ist, lassen sich Petra Kestler und ihre Helfer viel einfallen: Kurse, Geländereiterprüfungen, Bodenarbeit, Kutschfahrten, Spaziergänge mit Packpony - alle Ponys machen dabei mit, je nachdem, was sie leisten können. "Viele könnten in einem normalen Reitschulbetrieb nicht existieren." Manche Ponys galten als unreitbar, als sie zu Kestler kamen. Heute tragen sie zweimal in der Woche ein Kind durch die Halle oder durchs Gelände. "Wenn ein Pferd seine Vergangenheit noch nicht verkraftet hat, lassen wir es zu, dass es auch mal ein Jahr nichts macht. Aber sie sollen sich nicht langweilen. Wenn sie an den Zaun kommen, uns hinterherlaufen und gucken, was wir machen, nehmen wir sie dazu." Aber sie räumt auch ein: "Einfach ist es nicht." Immer wieder hat sie auch Angst, dass es einer nicht schafft. Ängste und Verzweiflung gibt es immer."

Kein kleines, niedliches Irgendwas

Sie will, dass ihre Ponys glücklich sind. "Gesellschaft und Arbeit macht Ponys glücklich, und wenn man sie als vollwertiges Pferd behandelt und nicht als niedliches kleines irgendwas." Das funktioniert auch bei den traumatisierten Tiere. "Irgendwann kapieren sie, dass man ihnen etwas Gutes will. Und das geht auf die ganze Herde über."

Das Bindeglied zwischen Mensch und Natur

Und die Ponys und Pferde wiederum machen die Menschen glücklich. "Das Pony ist das Bindeglied zwischen Mensch und Natur. Man kommt runter, weg vom Smartphone und vom Stress. Es gibt nichts Schöneres, als durch den Wald zu ziehen und unter einem schnaubt es und ist warm." Nach einem solchen Ausritt seien manche ihrer Probleme plötzlich kleiner. Und wer das Reiten als Sport erlebt, macht die Erfahrung, wie sich ein Pferd oder Pony für seinen Reiter einsetzt und um etwas kämpft. "Das ist auch schön."

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